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Im Zeichen gesperrter Pisten und roter Westen

BAK-Präsident Kiefer gibt sich bei der Pharmacon-Eröffnung kämpferisch

SCHLADMING (du) | Ungeachtet des noch nicht so lange zurückliegenden Schneechaos in den Österreichischen Alpen und trotz weiterhin bestehender Lawinengefahr und gesperrter Strecken konnte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Andreas Kiefer, am 20. Januar die 49. Internationale Pharmazeutische Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer in Schladming, kurz Pharmacon Schladming, eröffnen. Inspiriert von der Wetterlage versuchte er, den Apothekerinnen und Apothekern die Entscheidung der außerordentlichen ABDA-Mitgliederversammlung vom 17. Januar 2019 näherzubringen.
Foto: DAZ/cst
BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer fordert, dass sich die Wirtschaftspolitik dem Mandat der Gesundheitspolitik unterordnet.

Im Rahmen dieser Versammlung hatten die Mitgliedsorganisationen einstimmig ein Eckpunktepapier zur Reform des Apothekenmarktes verabschiedet, das zur großen Erleichterung vieler in aller Deutlichkeit den in einem von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn schon im Dezember vorgeschlagenen Eckpunktepapier enthaltenen gedeckelten Rx-Boni eine klare Absage erteilt: Gefordert wird ein striktes Rx-Boni-Verbot sowohl für die Versicherten der Gesetzlichen als auch der Privaten Krankenkassen. Dagegen wurden die Pläne Spahns zur Honorierung von Dienstleistungen begrüßt und finden sich auch in dem ABDA-Eckpunktepapier wieder (siehe vorige ­Seite). Damit weicht die ABDA von ihrer alten Forderung nach einem Rx-Versandverbot ab, das lange Zeit als der Königsweg zur Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit im Wettbewerb zwischen ausländischen Versandapotheken und Präsenzapotheken gesehen wurde. Kiefer erklärte: So wie durch eine neue Wetterlage eine sorgfältig geplante Wanderung auf den Prüfstand müsse, Pistensperrungen zu Entscheidungen zwingen würden, ob die Wanderung trotz Lawinengefahr fortgesetzt werden kann oder abgebrochen werden muss, so habe sich die ABDA-Mitgliederversammlung angesichts der politischen Großwetterlage gezwungen gesehen, nach neuen Wegen zur Erzielung der Gleichpreisigkeit und der Sicherung der flächendeckenden Versorgung zu suchen. Mit dem von ihr verabschiedeten Eckpunkte­papier ist nun die Politik gefordert, Rx-Boni rechtssicher zu verbieten und dafür Sorge zu tragen, dass auch ausländische Arzneimittelversender zur Einhaltung der Arzneimittelpreisverordnung verpflichtet werden. Gleichzeitig soll der Weg zur Honorierung von pharmazeutischen Dienstleistungen geebnet werden, ein für Kiefer ganz besonders wichtiges Anliegen.

Mit honorierten Dienstleistungen gegen die Schieflage

Zurzeit sei die Honorierung der Apotheken abhängig von der Zahl der abgegebenen Packungen. Je mehr Packungen durch den Versand den Apotheken vor Ort entzogen würden, umso mehr entstehe eine Schieflage, denn die Kosten, die einem Versender durch die vermehrte Abgabe von Packungen entstehen, seien weitaus niedriger als die, die in den Apotheken vor Ort durch die Betreuung und Beratung der Kunden und Patienten bei steigender Packungszahl entstehen würden. Dem soll durch honorierte Dienstleistungen entgegengewirkt werden, die Kiefer wie folgt spezifizierte:

  • 1. Dienstleistungen, die sich aus der Art der Arzneimittel ergeben, so zum Beispiel die besondere Beratung und Schulung bei Pens oder Devices zur Inhalation.
  • 2. Dienstleistungen, die sich rund um eine komplexe Arzneimitteltherapie, Stichwort Polymedikation ergeben, also beispielsweise Medikationsanalysen oder Medikationsmanagement.
  • 3. Dienstleistungen, die sich aus den Folgen eines Rückrufs ergeben, Stichwort Valsartan-Rückruf. Hier wird ein unkomplizierter einfacher Umtausch in der Apotheke ohne neue Verordnung gefordert, der zu honorieren ist.

Die Umsetzung soll in der Hand der Berufsvertretung liegen. Apotheker und Gesetzliche Krankenkassen sollen die zusätzlichen Dienstleistungen vereinbaren, bezahlt werden sollen sie aus einem Fonds, der wie der Notdienstfonds durch die Apothekerschaft verwaltet wird. Selbstverständlich müsse dafür ein Regelwerk geschaffen werden, selbstverständlich dürften nur dokumentierte Dienstleistungen eine Vergütung auslösen, so Kiefer. Aber die Apotheker seien dafür gerüstet.

Streik steht nicht zur Debatte

Kiefer räumte ein, dass das ein riskanter Weg sei. Viele Fragen würden im Raum stehen, so zum Beispiel, ob kleine Apotheken das leisten können oder ob solche Dienstleistungen nicht ohne Apotheke erbracht werden können. Für Kiefer alles berechtigte Fragen und Ängste, die sich aber, davon ist er zutiefst überzeugt, am Ende des Tages auflösen werden – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Apotheker sich mit ihren Vorschlägen in der Politik durchsetzen können. Sollte das nicht gelingen, so Kiefer, stehe wieder die Forderung nach dem Rx-Versandverbot im Raum.

Foto: DAZ/cst
Warnzeichen Gunter Greiner, Alexander Fischer, Gregor Nelles und Lilie Fischer verteilten rote Warnwesten an die Teilnehmer des Pharmacon in Schladming (v. l.).

Eine Forderung, der Apotheker Gregor Nelles aus Montabaur mit seiner Rote-Warnwesten-Aktion im Rahmen des Pharmacon Schladming Nachdruck verleihen wollte. Um das deutsche Apothekenwesen zu retten, sieht Nelles nur eine Möglichkeit: den Apotheken-Streik! Dazu hat er ein eskalierendes Stufenkonzept entwickelt. Ein Konzept, das wie Kiefer betonte, von der Mitgliederversammlung der ABDA abgelehnt werde. Trotzdem hat die ­Rote-Westen-Aktion für den BAK-­Präsidenten den Charme, dass damit dokumentiert wird: „Wir passen auf, dass die Politik uns im Gesetzgebungsverfahren nicht verarscht!“

Politik reagiert positiv auf Eckpunktepapier

Kiefer interpretiert die Reaktionen auf das ABDA-Eckpunktepapier dahingehend, dass der Beschluss von vielen Politikern unterstützt werde. Der Beschluss würde als richtungsweisend aufgenommen, die Politik würde den Apothekern die Ernsthaftigkeit abnehmen. Kiefer forderte, dass die, die Wirtschaftspolitik machen wollen, sich dem Mandat der Gesundheitspolitik unterordnen müssen. Sollte das nicht geschehen, dann dürfe man sich zu Recht „verarscht“ fühlen, dann dürfe man dem auch ganz im Sinne der Roten-Westen-Aktion Ausdruck verleihen und deutlich machen, dass die Mittel des reinen Dialogs erschöpft seien. |

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