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AMTS

Spermien in Gefahr

Negative Wirkungen ­von Arzneimitteln auf die Zeugungsfähigkeit

Blieb ein Paar ungewollt kinderlos, wurde dies noch im letzten Jahrhundert vorrangig als Manko der weiblichen Fruchtbarkeit angesehen. Tatsächlich halten sich als Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch männliche und weibliche Infertilität die Waage. Schon in der altägyptischen und altindischen Medizin wusste man von Fertilitätsstörungen des Mannes. Beim „starken Geschlecht“ tragen organische, hormonelle, genetische und idiopathische Ursachen sowie erworbene Erkrankungen zu Infertilität bei, in vielen Fällen liegt dabei ein verändertes Spermiogramm mit unphysiologischer Spermienmenge oder mangelnder Spermienqualität vor. Welche Arzneistoffe hier Einfluss nehmen, wird im folgenden Artikel dargestellt. | Von Verena Stahl

Bei den multifaktoriellen Ursachen eines unerfüllten Kinderwunsches (für den Mann: siehe Kasten „Risikofaktoren“ auf S. 49), muss heutzutage einem Faktor größere Aufmerksamkeit geschenkt werden: Da sich Paare immer später dazu entscheiden, eine Familie zu gründen und manche Männer im höheren Alter (erneut) den Schritt ins Familienglück wagen, nimmt auch die Zahl derjenigen werdenden Eltern zu, die sporadisch oder chronisch Arzneimittel anwenden [6]. Die meisten Untersuchungen fokussieren dabei auf der Teratogenität als Folge einer Behandlung der Frau, schließlich besteht von der Reifung der Eizelle bis zur Geburt ein langer Expositionszeitraum. Die Historie lehrt uns, dass viele tragische Schicksale mit der Einnahme von Arzneimitteln während der Schwangerschaft verknüpft sind – Thalidomid, Retinoide, Antiepileptika, um nur einige zu nennen. Neben den teratogenen Effekten mancher Wirkstoffe können Arzneistoffe aber auch schon die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, bei Frauen wie bei Männern. Dabei versteht man unter Unfruchtbarkeit oder Infertilität das Unvermögen, ein Kind zu zeugen bzw. zu empfangen. Nach WHO-Definition liegt sie beim Menschen vor, wenn nach zwölf Monaten trotz regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs keine Schwangerschaft eintritt.

Schematische Darstellung der Spermatogenese Bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Embryogenese wandern Keimzellen zu den Gonadenanlagen und werden dort zu Spermatogonien (Stammzellen). Mit der Pubertät beginnend entstehen durch mitotische Teilung immer wieder und zeitlebens neue Spermatogonien (Vermehrungsperiode). Die sogenannten Typ-A-Zellen kehren zum Zellpool zurück und teilen sich erneut. Typ-B-Zellen teilen sich und gehen in die Wachstumsperiode über, sie werden etwa doppelt so groß wie die Spermatogonien und werden als Spermatozyten I. Ordnung bezeichnet. In der Reifungsperiode entstehen hieraus Spermatozyten II. Ordnung (Präspermatiden), welche sich weiter in je zwei Spermatiden mit einfacher Chromosomenbestückung meiotisch teilen. Im letzten Schritt der Umbildungsperiode erfolgt die abschließende Differenzierung zu befruchtungsfähigen Spermien. Aus einer Stammzelle werden somit vier Spermatozoen (Spermien). [nach Boron WF, Boulpaep EL. Medical Physiology, 3rd ed., Elsevier 2016]

Arzneistoffe können zum Beispiel bei Männern negative Auswirkungen auf das Ejakulat und seine Zusammensetzung haben, indem sie gonadotoxische Effekte ausüben oder in hormonelle Regelkreise eingreifen, die wiederum die Spermatogenese (siehe Abb.) stören. Je nach Ausprägung der Störung(en) ist die Zeugungsfähigkeit leicht, deutlich oder stark eingeschränkt bis unmöglich und es werden bei einer mikroskopischen Untersuchung verschiedene Varianten eines atypischen Spermiogramms sichtbar:

  • Aspermie: Fehlen eines Ejakulats trotz Orgasmus
  • Oligozoospermie: verminderte Anzahl von Spermien im Ejakulat (Konzentration < 15 Millionen Spermien/ml Ejakulat)
  • Kryptozoospermie: stark verminderte Anzahl von Spermien im Ejakulat (Konzentration < 1 Millionen Spermien/ml Ejakulat)
  • Azoospermie: vollständiges Fehlen von Spermien im ­Ejakulat
  • obstruktive Azoospermie: Spermatogenese nicht gestört, Spermien können aber aufgrund eines Verschlusses der Samenwege nicht ejakuliert werden
  • nicht-obstruktive Azoospermie: gestörte Spermatogenese
  • Asthenozoospermie: verminderte Motilität der Spermien im Ejakulat (< 32% der Spermien sind progressiv beweglich)
  • Nekrozoospermie : nur unbewegliche, abgestorbene ­Spermien im Ejakulat vorhanden
  • Teratozoospermie: Auftreten nicht regulär geformter Spermien im Ejakulat (< 4% der Spermien weisen eine normale Morphologie auf)
  • Oligoasthenoteratozoospermie (OAT-Syndrom): Kombination der drei Parameter Oligo-, Astheno- und Teratozoospermie (Anzahl, Motilität und Form der Spermien sind abweichend von einem normalen Spermiogramm)

Darüber hinaus kann die sexuelle Funktionsfähigkeit durch Arzneistoffe, aber auch durch zugrundeliegende Erkrankungen wie eine Depression gemindert werden (Libido­verlust, Erektions- und Ejakulationsstörungen).

Medien-Lieblinge

Medienwirksam sind Fälle, die nicht nur die Zeugungsfähigkeit, sondern vor allem die Potenz (im engeren Sinne Erektionsfähigkeit) negativ beeinträchtigen. Grund zur Sorge besteht besonders dann, wenn die Störung über das Therapieende hinaus besteht (siehe DAZ 2018, Nr. 16, S. 26 – 30: ­Jungmayr P. „Haarwuchs mit Folgen – Erfolgreiche Finasterid-Behandlung kann zu dauerhaften Problemen führen“ und DAZ 2019, Nr. 30 , S. 20 – 22: Rausch R. „Genitale Taubheit nach SSRI und SNRI – Sexuelle Funktionsstörungen können über Jahre nach Therapieende anhalten“). Den selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) lasten solche möglicherweise persistierenden sexuellen Funktionsstörungen an. Kritiker sagen, dass sie durch die Bezeichnung PSSD (post-SSRI sexual dysfunction, persistierende sexuelle Funktionsstörung nach Absetzen von SSRI) „geadelt“ wurden, welche im Jahr 2013 in das psychiatrische Klassifikationssystem DSM-5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) aufgenommen wurde. Auch die Europäische Arzneimittelagentur entschied im Sommer dieses Jahres, einen entsprechenden Warnhinweis zu persistierenden sexuellen Funktionsstörungen nach dem Absetzen von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Serotonin-Noradrenalin-Inhibitoren (SNRI) in den Fach- und Gebrauchsinformationen zu veröffentlichen. Mit der Einnahme von SSRI werden aber auch reversible Beeinträchtigungen der Spermienqualität in Verbindung gebracht, weshalb ebenfalls in den Fachinformationen vor diesem möglichen Zusammenhang gewarnt wird.

Klinische Relevanz

Fraglich ist jedoch immer, ob Veränderungen in der Spermien­zahl oder -qualität von klinischer Relevanz sind und eine Infertilität oder gar Fehlbildungen nach sich ziehen können. Dieser Fragestellung ging man beispielsweise bei den SSRI nach: Obschon morphologische Veränderungen und eine erhöhte Zahl an DNA-Fragmentierungen bei Spermien von Männern beobachtet wurden, zeigen sich bei den gezeugten Nachkommen keine negativen Effekte. In einer großen prospektiven schwedischen Studie war eine Antidepressiva-Einnahme des Erzeugers über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen vor und nach der Befruchtung nicht mit Frühgeburtlichkeit, Missbildungen, Autismus und Lernschwierigkeiten assoziiert [1].

Spermien auf Eis

Unstrittig ist, dass reproduktionstoxische Arzneistoffe – um die es in diesem Artikel nicht primär geht – vor der Anwendung bei Männern eine Kryokonservierung des Spermas erfordern. Da die Spermatogenese aber erst mit Eintreten in die Pubertät beginnt, ist dies bei einer Chemotherapie präpubertärer Jungen nicht möglich, auch wenn es aufgrund negativer Effekte auf die spätere Zeugungsfähigkeit wünschenswert wäre. Für die Gruppe der Alkylanzien konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Höhe der im Kindesalter verabreichten Cyclophosphamid-Dosierung in negativer Korrelation zur Spermienkonzentration im Erwachsenenalter stand [2]. Des Weiteren reduzierte sich unter Chemotherapieprotokollen im Kindes- und Jugendalter mit Beteiligung von hochdosiertem Cyclophosphamid, Ifosfamid, Procarbazin oder Cisplatin bei erwachsenen Männern die Wahrscheinlichkeit, Kinder zu zeugen, gemessen im Vergleich zur Zeugungsfähigkeit ihrer Geschwister [3]. Zudem nimmt die Gefahr von Missbildungen der Nachkommen eines mit Chemotherapeutika behandelten Mannes zu, da sie meist mutagenes Potenzial besitzen. Ein Risiko, welches sich im Tierversuch nicht immer zuverlässig abbilden lässt. Auch bei einer hochdosierten Methotrexat-Therapie sollten Männer zu Möglichkeiten der Spermakonservierung beraten werden.

Auf einen Blick

  • Der Einfluss von Arzneistoffen auf die Fertilität des Mannes erstreckt sich von direkten gonadotoxischen Effekten auf Veränderungen hormoneller Regelkreise und sexuelle Funktionsstörungen.
  • Auffälligkeiten im Spermiogramm (Veränderungen der Spermienkonzentration und -qualität) können konkreten Arzneistoffen zugeordnet werden, über Alternativen entscheiden erfahrene Ärzte.
  • Für Männer gelten auch für reproduktionstoxische Arzneistoffe gesonderte Vorsichtsmaßnahmen, die häufig im Rahmen eines Schwangerschaftsverhütungsprogrammes abgebildet sind.

Deutsche Daten

In ihrer Dissertationsschrift befasste sich Apothekerin Dr. Sina Vanessa Pompe mit dem Einfluss von Arzneimitteln auf die männliche Fertilität [6]. Die Studienpopulation umfasste Männer, die aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches in der andrologischen Ambulanz der Urologischen Klinik und Poliklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München erstmalig vorstellig wurden. In einer prospektiven Untersuchung von 40 Fällen konnte gezeigt werden, dass eine Medikationsanalyse geeignet war, um Arzneimittel zu identifizieren, die als Risikofaktor für die beeinträchtigte Spermienqualität und Fertilitätseinschränkung in Betracht kamen. In einer ebenfalls durchgeführten retrospektiven Analyse von 522 Patienten mit unerfülltem Kinderwunsch wurde aufgezeigt, dass fast jeder Zweite Arzneimittel einnahm. Jeder zweite Wirkstoff wirkte dabei negativ auf die männliche Sexualfunktion, am häufigsten standen die Wirkstoffe mit einer Reduktion der Libido, Potenzstörungen und Hormonveränderungen in Verbindung. Darüber hinaus bestand bei 16% der Wirkstoffe gemäß Literatur das Potenzial, die männliche Fertilität zu beeinträchtigen.

Risikofaktoren

Risikofaktoren und Ursachen der männlichen Sterilität, insbesondere der gestörten Spermatogenese [adaptiert nach 5].

endokrine Erkrankungen

  • Anomalien der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (z. B. durch Hypophysentumor, Arzneimitteleinfluss)
  • Nebennierenerkrankungen
  • Hyperprolaktinämie (z. B. durch Prolaktinom, ­Arzneimitteleinfluss)
  • Primärer oder sekundärer Hypogonadismus
  • Hypothyreose
  • Diabetes mellitus

genetische Erkrankungen

  • Gonadendysgenesie (Fehlentwicklung der Keimdrüsen)
  • Mikrodeletionen von Abschnitten des Y-Chromosoms (10 – 15% der Männer mit stark eingeschränkter Spermatogenese)
  • Klinefelter-Syndrom

organische / urogenitale Ursachen

  • Kryptorchismus (Hodenhochstand)
  • Hodenverletzung
  • Hodenatrophie
  • Varikozele (Krampfadernbildung des Venengeflechts im Samenstrang)
  • Obstruktionen oder Verschlüsse der ableitenden Samenwege (zum Beispiel bei zystischer Fibrose oder durch Entzündungen im Bereich der ableitenden Samengänge)
  • Infektionen (zum Beispiel sexuell-übertragbare Krankheiten)
  • Mumps-Orchitis (Mumps-bedingte Hodenentzündung)
  • Störung des Spermientransports
  • Immunologische Sterilität (Autoantikörper gegen Spermien)
  • Nieren- und Lebererkrankungen

verhaltensbedingte Ursachen

  • Fehl- oder Unterernährung
  • Genussmittel (Alkohol, Tabak)
  • Drogen (Marihuana, Anabolika-Missbrauch)
  • Stress
  • Adipositas, insbesondere androide Körperfettverteilung

Überwärmung der Hoden

  • übermäßige Wärme innerhalb der letzten drei Monate
  • Fieber
  • häufige Saunabesuche
  • Sitzheizung im Auto
  • „heiße“ Arbeitsplätze

sonstige

  • Alter
  • Bestrahlung des kleinen Beckens
  • Operationen wegen Hodenhochstand, Leistenbruch
  • Umweltgifte
  • Idiopathische Infertilität

Andere exogene Faktoren wie Arzneimittel und Toxine zeigen die Tabellen 1 bis 6.

Nicht eigenmächtig absetzen

Nehmen Männer Arzneimittel ein, die mögliche Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben können, sollten sie diese keinesfalls absetzen, ohne ihren Arzt zurate gezogen zu haben. Mitunter sind die im Verdacht stehenden Wirkstoffe für die Behandlung einer Grunderkrankung essenziell! Erfahrene Ärzte können dem Patienten Behandlungsalternativen vorschlagen oder – falls möglich – zu einer gezielten Therapiepause raten, in der die Konzeption dann gegebenenfalls fallen kann. Manchmal sind die potenziellen Beeinträchtigungen auch folgenlos, zum Beispiel, wenn die Spermienzahl unter bestimmten Wirkstoffen leidet, kann eine Zeugung nach wie vor möglich sein. Kritisch ist jedoch, wenn die Spermien an Qualität einbüßen oder ein Missbildungspotenzial durch veränderte Keimzellen zu erwarten ist. Hier müssen teilweise effektive Verhütungsmaßnahmen zur Vermeidung einer Schwangerschaft ergriffen werden, wie zum Beispiel beim mutagen und teratogen wirkenden Azathioprin. In diesem Fall sind die empfängnisverhütenden Maßnahmen auch mindestens sechs Monate über das Therapieende hinaus erforderlich. Einen Sonderfall stellt die Anwendung von Thalidomid bei Männern dar. Der hochgradig teratogene Wirkstoff verändert nicht die Spermien als solche, sondern kann in der Samenflüssigkeit, dem Sperma, nachgewiesen werden. Aus diesem Grund müssen bei einer Thalidomid-Behandlung auch Männer Maßnahmen des Schwangerschaftsverhütungsprogramms durchlaufen. Sie müssen über die teratogenen Risiken aufgeklärt werden und mit Kondomen verhüten, wenn ihre Partnerin schwanger sein sollte oder sie sich im gebärfähigen Alter befindet und keine zuverlässige Verhütungsmethode angewendet wird. Diese Vorsichtsmaßnahmen müssen auch von vasektomierten (sterilisierten) Patienten ergriffen werden. Ähnliche Empfehlungen werden für den teratogenen Wirkstoff Mycophenolsäure ausgesprochen, hier ist allerdings wissenschaftlich nicht genau gesichert, ob und in welchen Mengen es in den Samen oder die Samenflüssigkeit gelangt. Man geht davon aus, dass die durch Geschlechtsverkehr übertragenen Mengen nicht bedenklich sind. Dennoch wird als Vorsichtsmaßnahme empfohlen, während und bis 90 Tage nach Behandlungsende effektiv zu verhüten. Ein Kinderwunsch sollte unter der Therapie sorgfältig abgewogen werden. |

Tab. 1: Einfluss von Arzneistoffen gegen kardiovaskuläre Erkrankungen auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4] und erweitert um Angaben aus den Fachinformationen aus den Bereichen Nebenwirkungen („Erkrankungen der Geschlechtsorgane und der Brustdrüse“), Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit und Präklinische Daten zur Sicherheit. Häufigkeitsangaben bei der Bewertung von Nebenwirkungen: sehr häufig: mehr als 1 Behandelter von 10 (≥ 10%), häufig: 1 bis 10 Behandelte von 100 (≥ 1 bis < 10%), gelegentlich: 1 bis 10 Behandelte von 1000 (≥ 0,1 bis < 1%), selten: 1 bis 10 Behandelte von 10.000 (≥ 0,01 bis < 0,1%), sehr selten: weniger als 1 Behandelter von 10.000 (< 0,01%), nicht bekannt: Häufigkeit auf Grundlage der verfügbaren Daten nicht abschätzbar
Wirkstoffgruppe/Wirkstoff
in der Literatur beschriebene Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den Fachinformationen
Hinweise aus Tierversuchen
ACE-Hemmer
  • Effekte auf Spermienfunktion und Fertilität unklar
  • Impotenz: Cilazapril, Enalapril, Fosinopril, ­Lisinopril, Quinapril: gelegentlich, Ramipril: ge­legentlich, vorübergehend, Captopril: sehr selten
  • erektile Dysfunktion: Perindopril, Trandolapril: ­gelegentlich, Quinapril: selten
  • Erektionsstörung: Benazepril: gelegentlich
  • Prostatastörung: Fosinopril: nicht bekannt
  • sexuelle Dysfunktion: Fosinopril: häufig
  • verminderte Libido: Ramipril: gelegentlich
  • Fosinopril, Ramipril: Fertilität von männ­lichen Tieren wurde nicht beeinträchtigt
Betablocker
  • sexuelle Dysfunktion, ­erektile Dysfunktion
  • vermutlich reduzierte ­Spermienmotilität
  • Libido- und Potenzstörungen: Betaxolol: häufig, Atenolol: selten, Metoprolol, Propranolol: sehr selten
  • Potenzstörungen: Bisoprolol: selten, Sotalol: ohne Häufigkeitsangabe
  • erektile Dysfunktion: Carvedilol: gelegentlich
  • Impotenz: Nebivolol: gelegentlich; Vorhandene Daten aus präklinischen und klinischen Studien mit hypertensiven Patienten haben nicht gezeigt, dass Nebivolol nachteilige Auswirkungen auf die erektile Funktion hat.
  • keine Informationen: Esmolol
Calciumkanal-­Blocker
  • reduzierte Spermien­dichte und -motilität
  • beeinträchtigte Akrosom-Reaktion (Eindringen des Spermiums in die Eizelle)
  • erektile Dysfunktion: Nifedipin: gelegentlich, ­Isradipin: sehr selten, Verapamil: nicht bekannt
  • Impotenz: Amlodipin: gelegentlich, Felodipin: ­selten
  • Potenzstörungen: Isradipin: häufig, Diltiazem: sehr selten,
  • bei In-vitro-Fertilisation unter Amlodipin, Nifedipin, Nimodipin, Nisoldipin, Nitrendipin: reversible biochemische Veränderungen in der Kopfregion von Spermatozoen
  • Calciumkanal-­Blocker als mögliche Ursache in ­Betracht ziehen, wenn In-vitro-Fertilisation scheitert; bei beeinträchtigter Zeugungsfähigkeit: Präparatewechsel
  • keine Informationen: Lercanidipin, Manidipin, ­Nisoldipin
  • Amlodipin: Abnahme des FSH und Testosteron im Plasma, Abnahme der Spermiendichte, Verringerung reifer Spermatiden und Sertoli-Zellen
Diuretika
  • sexuelle Dysfunktion, ­reduzierte Libido, erektile Dysfunktion
  • reduzierte Spermien­konzentration und ­-motilität
  • Potenzstörungen: Hydrochlorothiazid, Spirono­lacton: gelegentlich
  • erektile Impotenz: Piretanid (als Folge der ­Blutdrucksenkung, ohne Häufigkeitsangabe)
  • keine Informationen: Amilorid, Furosemid, ­Torasemid, Triamteren, Xipamid
  • Indapamid: Fertilität von männlichen ­Tieren wurde nicht beeinträchtigt
Tab. 2: Einfluss von Arzneistoffen gegen urologische Störungen auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4], Erläuterungen siehe Tabelle 1.
Wirkstoffgruppe/Wirkstoff
in der Literatur beschriebene Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den ­Fachinformationen
Hinweise aus Tierversuchen
5α-Reduktase-Hemmer
  • reduzierte Spermienzahl bei ca. 5% der behandelten Männer
  • erektile Dysfunktion, ­Libidoverlust, Ejakulationsstörungen bei bis zu 15% der behandelten Männer
  • Impotenz: Dutasterid, Finasterid: häufig
  • Ejakulationsvolumen vermindert: ­Dutasterid, Finasterid: häufig
  • Ejakulationsstörungen: Dutasterid: ­häufig, Finasterid: gelegentlich
  • erektile Dysfunkion: Finasterid: nicht bekannt, dauerte auch nach dem Absetzen der Behandlung an
  • Hodenschmerzen: Dutasterid, Finasterid: nicht bekannt
  • Infertilität bei Männern und/oder schlechte Spermienqualität: Finasterid: nicht bekannt
  • Dutasterid, Finasterid: ­verringert: Prostata- und ­Samenblasengewicht, ­Sekretion der Neben­genitaldrüsen, Fertilitätsindex
α-Blocker
  • Ejakulationsstörungen, ­Ejakulationsversagen bei 20 – 89% der Männer
  • reduzierte Libido oder erektile Dysfunktion bei 1 – 3% der behandelten Männer
  • reduzierte Spermienzahl und -motilität
  • Ejakulationsstörungen: Silodosin: sehr häufig; Tamsulosin, Terazosin: häufig
  • Ejakulationsversagen: Silodosin: sehr häufig, Tamsulosin: häufig
  • erektile Dysfunktion: Silodosin: ­gelegentlich
  • Impotenz: Doxazosin: gelegentlich
  • Potenzsstörungen: Terazosin: häufig
  • retrograde Ejakulation: Silodosin: sehr häufig, Tamsulosin: häufig, Doxazosin: nicht bekannt
  • verminderte Libido: Terazosin: ­gelegentlich
  • keine Informationen: Alfuzosin
  • Silodosin: beeinträchtigte Fertilität, reversibel
  • Terazosin: Fertilitäts­störung durch Spermato­genesestörung
Phosphodi­esterase-Hemmer
  • widersprüchliche Daten zum Einfluss auf das Spermiogramm
  • Abnahme der Spermienkonzentration: Tadalafil (vereinzelt, klinisch vermutlich nicht relevant)
  • Hämatospermie: Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil: selten
  • Tadalafil: Effekte, die mög­licherweise auf eine Beeinträchtigung der Fertilität ­hindeuten
Tab. 3: Einfluss von Antiinfektiva auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4] Erläuterungen siehe Tabelle 1.
Wirkstoffgruppe/Wirkstoff
in der Literatur beschriebene Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den ­Fachinformationen
Hinweise aus Tierversuchen
Aminoglykoside
negative Effekte auf die ­Spermatogenese
keine Informationen: Amikacin, Gentamicin, Tobramycin, Vancomycin
Cotrimoxazol
Effekte auf das Spermiogramm widersprüchlich
  • nach einer einmonatigen Dauerbehandlung ergaben sich Hinweise auf eine ­Spermatogenesestörung bei Männern
keine Fertilitätsstörungen
Ketoconazol
verminderte Testosteron-­Produktion
  • Azoospermie: nicht bekannt
  • Erektionsstörungen: nicht bekannt
  • Abnahme von Testosteronkonzentrationen: nicht bekannt, reversibel
Auswirkungen auf Nebenniere und Gonaden, Abnormalitäten des Spermas und geringere Fertilität
Makrolide
möglicherweise Asthenozoospermie oder Nekrozoospermie bei hoher Dosierung
keine Informationen: Azithromycin, ­Erythromycin, Clarithromycin
Roxithromycin: toxische Veränderungen an den Gonaden
Nitrofurantoin
möglicherweise Hemmung der Spermatogenese und reduzierte Spermienzahl bei hoher Dosierung
Hemmung der Spermatogenese: sehr selten, reversibel
Tab. 4: Einfluss von psychotropen Arzneistoffen auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4], Erläuterungen siehe Tabelle 1.
Wirkstoff­gruppe/­Wirkstoff
in der Literatur ­beschriebene ­Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den ­Fachinformationen
Hinweise aus Tierversuchen
selektive
Serotonin-­Wiederauf­nahmehemmer (SSRI)
  • gesteigerte Prolaktin-­sekretion, welche zu erektiler Dysfunktion oder Ejakulations­störungen beiträgt
  • spermizide Effekte in vitro
  • erhöhte DNA-Fragmentierung der Spermien
  • Anorgasmie: Fluvoxamin: nicht ­bekannt
  • Impotenz: Citalopram, Escitalopram: häufig
  • Ejakulationsstörungen: Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin: häufig, Fluvoxamin: gelegentlich
  • erektile Dysfunktion: Fluoxetin, ­Sertralin: häufig
  • ausbleibende Ejakulation: Sertralin: sehr häufig, Citalopram: häufig
  • Hyperprolaktinämie: Fluoxetin, ­Paroxetin: ­selten
  • sexuelle Dysfunktion: Paroxetin: sehr häufig, Fluoxetin, Sertralin: ­gelegentlich
  • Citalopram in sehr hoher Dosierung: Reduktion des Fertilitätsindex, abnorme Spermien
  • Fluoxetin in sehr hoher Dosierung: Hypospermatogenese, ­reduziertes ­Hodengewicht
  • Fluvoxamin: Beeinträchtigung der Spermienqualität; in sehr hoher Dosierung: vermindertes Paarungsverhalten, reduzierte Spermienzahl, Senkung des Fertilitätsindex
  • Paroxetin: Beeinträchtigung der Spermienqualität, Senkung des Fertilitätsindex
  • Vortioxetin: keine Wirkung auf Fertilität, Paarungsverhalten, Fortpflanzungsorgane, Spermienmorphologie und ­-motilität
selektive Noradrenalin-­Wiederauf­nahmehemmer (SNRI)
  • Libidoverminderung: Duloxetin, Venlafaxin: häufig, Milnacipran: gelegentlich
  • anormaler Orgasmus: Duloxetin: häufig
  • Anorgasmie: Venlafaxin: häufig
  • erektile Dysfunktion: Duloxetin, Milnacipran, Venlafaxin: häufig
  • Ejakulationsstörungen: Duloxetin, Milnacipran, Venlafaxin: häufig
  • verzögerte Ejakulation: Duloxetin: häufig
  • sexuelle Dysfunktion: Duloxetin: gelegentlich
  • Hodenschmerzen: Milnacipran: häufig, ­Duloxetin: gelegentlich
  • Hyperprolaktinämie: Duloxetin: selten
  • Venlafaxin: reduzierte Fruchtbarkeit unter dem wirksamen Metaboliten (Hochdosis)
tricyclische ­Antidepressiva
  • reduziertes Sperma­volumen
  • beeinträchtigte Spermien­motilität
  • Ejakulationsstörung: Doxepin: häufig, ­Opipramol: gelegentlich
  • Erektionsstörung: Amitriptylin: häufig, ­Opipramol: gelegentlich
  • Hyperprolaktinämie: Doxepin: nicht bekannt, Trimipramin (ohne Häufigkeitsangabe)
  • Libidoverlust: Clomipramin: sehr ­häufig, Doxepin: häufig
  • sexuelle Funktionsstörungen: Clomipramin: sehr häufig, Nortritpylin: häufig, Imipramin: gelegentlich, ­Trimipramin (ohne Häufigkeitsangabe)
  • Trimipramin: Störung des ­Paarungsverhaltens
Monoamino­oxidase-Hemmer
  • reduzierte Libido
  • erektile Dysfunktion
  • Anorgasmie, erektile Impotenz, Ejakulationsstörungen: Tranyl­cypromin: selten
  • keine Informationen: Moclobemid
Lithium
  • reduzierte Lebensfähigkeit der Spermien
  • keine Informationen
Tab. 5: Einfluss von onkologischen und sonstigen Wirkstoffen auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4], Erläuterungen siehe Tabelle 1. Weitere sonstige Wirkstoffe siehe Tabelle 6.
Wirkstoffgruppe/Wirkstoff
in der Literatur beschriebene ­Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den ­Fachinformationen
Hinweise aus ­Tierversuchen
onkologische Wirkstoffe
Gonadotoxizität durch ­Schädigung spermatogonaler Stammzellen, Sertoli-Zellen oder Leydig-Zellen
  • Empfängnisverhütung: während und bis mindestens sechs ­Monate nach Ende der Therapie
  • Beratung zu Spermakonservierung
  • Störungen der Spermatogenese: ­Cyclophosphamid, Ifosfamid: häufig
  • Azoospermie: Procarbazin: sehr häufig, irreversibel
  • Azoospermie, Oligospermie: Cyclophos­phamid, Ifosfamid: selten, persistent
  • Infertilität, Hodenatrophie: Cyclophos­phamid, Ifosfamid: nicht bekannt
  • anomale Spermatogenese: Cisplatin: ­gelegentlich
  • Cisplatin: Gonaden­suppression mit ­irreversibler Azoospermie, die zu Infertilität führen kann
Chlorambucil
  • Azoospermie: gelegentlich
Imatinib
Störung der Leydig­zellen mit erniedrigten Testosteron-­Spiegeln
  • Störungen der Sexualfunktion, erektile Dysfunktion, vermindertes Hoden- und Nebenhoden­gewicht, verringerte Spermienmotilität: gelegentlich
  • leichte bis mäßige ­Verminderung der Spermatogenese
Bicalutamid
  • erektile Dysfunktion: häufig
  • Fruchtbarkeit reversibel beeinträchtigt
  • mit einem Zeitraum verminderter Fruchtbarkeit bzw. Unfruchtbarkeit ist zu rechnen
Buserelin
  • Potenzverlust, Hodenatrophie: häufig
Cyproteronacetat
  • Libido- und Potenzbeeinträchtigung: sehr häufig
  • Hemmung der Spermatogenese, Reduktion der Ejakulatmenge: häufig, ­reversibel
Goserelin
  • erektile Dysfunktion: sehr häufig
Leuprorelin
  • Hodenatrophie, Hodenschmerzen, ­Unfruchtbarkeit, erektile Dysfunktion, ­reduzierte Penisgröße: häufig
  • Impotenz, Hodenerkrankung: gelegentlich
Mesalazin
  • Oligospermie: sehr selten, reversibel
Mercaptopurin
  • Oligospermie: sehr selten, reversibel
Tacrolimus
  • negativer Effekt auf die Fertilität durch Reduktion der Spermienzahl und -motilität
Testosteron
gestörte Spermato­genese
  • nicht bekannt: hoch dosierte Anwendung von Testosteron bewirkt eine reversible Unterbrechung oder Verminderung der Spermatogenese und dadurch eine Abnahme der Hodengröße
Tab. 6: Einfluss von sonstigen Arzneistoffe (Fortsetzung) auf die männliche Fertilität und Sexualfunktion, adaptiert nach [4], Erläuterungen siehe Tabelle 1.
Wirkstoffgruppe/Wirkstoff
in der Literatur beschriebene Nebenwirkung
Nebenwirkungsangaben in den ­Fachinformationen
Hinweise aus Tierversuchen
Cimetidin
  • Potenzstörungen: sehr selten, reversibel
Isotretinoin
  • sexuelle Dysfunktion (einschließlich erektile Dysfunktion und Libidoverminderung): nicht bekannt
  • beeinflusst in therapeutischen Dosen nicht Zahl, Motilität und Morphologie von Spermien
  • gefährdet nicht die Bildung und Entwicklung des ­Embryos
Methotrexat
  • Oligospermie: selten, reversibel
  • gestörte Spermatogenese, Unfruchtbarkeit, Libidoverlust, Impotenz: sehr selten
  • in höheren Dosen genotoxisch, Beratung zu Spermakonservierung
Opioide
  • erektile Dysfunktion, sexuelle Dysfunktion: gelegentlich: Fentanyl, Hydromorphon, Levomethadon, Oxycodon
  • Erektionsschwäche: selten: Buprenorphin
  • Erektionsstörungen: sehr selten: Morphin
  • eingeschränkte Libido und/oder Potenz: nicht bekannt: Methadon
  • unter Methadon deutlich verringerte Testosteron-Serumspiegel, Ejakulatvolumen und Spermienmotilität, Spermienzahl doppelt so hoch wie bei Kontrollpersonen, was eine mangelnde Verdünnung durch Samensekret widerspiegelt
  • Morphin: reduzierte Fertilität und Chromosomen­schäden in Keimzellen, Auswirkungen auf das männliche Sexualverhalten
  • Methadon/Levomethadon: ­Gewichtsverluste an ­Prostata, ­Seminalvesikel und Testes
  • Nachkommen Methadon-behandelter Männchen zeigten eine erhöhte neonatale Sterblichkeit (bis zu 74%)
Sulfasalazin
  • Oligospermie: sehr häufig, vorübergehend eingeschränkte Zeugungs­fähigkeit
  • reversible Beeinträchtigung der männlichen Fertilität

Literatur

[1] Viktorin A et al. Paternal use of antidepressants and offspring outcomes in Sweden: nationwide prospective cohort study. BMJ 2018;361:k2233

[2] Green D et al. Cumulative alkylating agent exposure and semen parameters in adult survivors of childhood cancer: a report from the St Jude Lifetime Cohort Study. Lancet Oncol 2014;15:1215–1223

[3] Chow EJ et al. Pregnancy after chemotherapy in male and female survivors of childhood cancer treated between 1970 and 1999: a report from the Childhood Cancer Survivor Study cohort. Lancet Oncol 2016;17(5):567–576

[4] Samplaski MK, Nagia NK. Adverse effects of common medications on male fertility. Nat Rev Urol 2015;12:401–413

[5] Rebar RW. Spermastörungen. MSD Manuals 2017. www.msdmanuals.com/de-de/profi/gyn%C3%A4kologie-und-geburtshilfe/unfruchtbarkeit/spermastörungen, Abruf am 11. September 2019

[6] Pompe SV. Der Einfluss von Arzneimitteln auf die männliche Fertilität. Dissertation, LMU München: Medizinische Fakultät 2017. https://edoc.ub.uni-muenchen.de/22291/, Abruf am 16. September 2019

Autorin

Dr. Verena Stahl ist Apothekerin und wurde an der University of Florida als Semi-Resident im landesweiten Drug Information and Pharmacy Resource Center ausgebildet. Ihre berufsbegleitende Dissertation fertigte sie zu einem Thema der Arzneimitteltherapiesicherheit an.

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