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Aus der Hochschule
Von der Arzneipflanze zum pflanzlichen Arzneimittel
Herstellung, Forschung und Entwicklung im Blick
Arzneipflanzen „verfolgen“ die Studierenden während ihres ganzen Studiums. Von der Morphologie und Anatomie über die Systematik bis hin zu den Inhaltsstoffen, ihrer Analytik und natürlich ihrer Pharmakologie und Anwendung. Immer wieder wird von verschiedenen Seiten behauptet, dass diese Inhalte nicht mehr in ein modernes Pharmaziestudium passen oder zumindest reduziert werden sollten. Der therapeutische Alltag spricht allerdings eine ganz andere und sehr klare Sprache: Jede vierte Arzneimittelpackung, die in einer Apotheke abgegeben wird, ist ein Phytopharmakon! Ein profundes Wissen über diese besonderen Arzneimittel ist für die Beratung in der Apotheke unverzichtbar.
Einer größeren Gruppe von Studierenden die Entwicklung und Produktion von Phytopharmaka zu zeigen, ist eine logistische Herausforderung, die die Mitarbeiter der Firma Schwabe unter Regie von Dr. Nora Beutelmann mittlerweile sehr routiniert und mit großem Engagement umsetzen. Schwabe bietet immer wieder Firmenbesichtigungen für Studierenden-Gruppen aus verschiedenen Universitäten an. Das Programm ist sehr durchdacht und bietet eine gekonnte Abwechslung zwischen theoretischen Inhalten, die perfekt in das Praktikum Pharmazeutische Biologie III passen, und Führungen durch fast alle pharmazeutisch relevanten Bereiche. Welchen Stellenwert die Veranstaltung innerhalb der Firma hat, sieht man schon daran, dass die Vorträge und Führungen von den jeweiligen Abteilungsleitern gehalten werden, die mit großer Begeisterung und natürlich enormem Know-how ihr Arbeitsgebiet vorstellen.
Vor drei Jahren feierte das Unternehmen sein 150-jähriges Bestehen. Geführt wird es, wie Dr. Martin Burkart, Arzt und Vice President Medical Affairs, erläuterte, bereits in fünfter Generation durch die Familie Schwabe. Der Erfolg der Firma ist laut Burkart zum einen auf die Strategie zurückzuführen, alle Schritte der Wertschöpfungskette – vom Anbau der Arzneipflanzen bis zum Vertrieb des Arzneimittels – in eigener Hand und damit unter (Qualitäts-)Kontrolle zu haben. Beispielsweise betreibt Schwabe in drei Ländern auf drei Kontinenten – USA, Frankreich und China – eigene Ginkgo-Plantagen, um den Rohstoff für den Extrakt EGb 761® anzubauen. Zum anderen wird darauf Wert gelegt, die Wirksamkeit und Sicherheit der Präparate in eigenen klinischen Studien zu belegen, also einen evidenzbasierten Ansatz zu verfolgen. Ausführlich ging Burkart auf die hoch reglementierte Durchführung dieser Studien ein, beleuchtete die zugrundeliegenden wissenschaftlichen, rechtlichen und ethischen Standards mit den jeweiligen Kontrollinstanzen und verdeutlichte, dass die Verkaufspreise für klinisch umfangreich getestete Phytopharmaka nicht nur durch die Herstellung des Arzneimittels, sondern vor allem durch die hohen Kosten klinischer Studien bedingt sind, die es zu refinanzieren gilt. Neben den klinischen Aspekten brachte Burkart aber auch eindrückliche Beispiele aus der präklinischen Forschung, die sich mit den neuesten Hypothesen zur Pathophysiologie der Demenz auseinandersetzt und darauf abzielt, weitere Einblicke in die Wirkmechanismen des Extrakts zu bekommen.
Wie Phytopharmaka zugelassen werden, erläuterte Apotheker Dr. Stefan Germer, Leiter der Abteilung Analytische Entwicklung, und nannte auch Zahlen: Grob kalkuliert liegt das Investitionsvolumen hinter einer Zulassung für ein Well-Established-Use-Phytopharmakon bei ca. 20 Mio. Euro, während eine Traditional-Use-Registrierung meist für etwa 500.000 Euro „zu haben ist“. Germer stellte die Qualitätssicherung bei der Herstellung eines Phytopharmakons – von der Droge über den Extrakt bis hin zur Galenik – in den Vordergrund, denn eine gleichbleibende Wirksamkeit und Sicherheit kann nur durch eine verlässliche Qualität des Vielstoffgemisches „Extrakt“ erreicht werden. Erhebliche Unterschiede gibt es hier zum großen und kaum regulierten Feld der Nahrungsergänzungsmittel, die zum Bereich der Lebensmittel gehören. Für den Verbraucher/Patienten sind diese Unterschiede nur sehr schwer zu erkennen, weshalb Germer die besondere Verantwortung der Apotheker in der Beratung zu pflanzlichen Arzneimitteln betonte. Auch auf die mittlerweile sehr umfangreiche Problematik der Fälschungen von Phytopharmaka wurde mit Beispielen eingegangen.
In einem dritten Vortrag stellte Dr. Sabrina Weisenburger die Aufgaben und Funktionen der Abteilung Präklinische Forschung vor, die zum Unternehmensbereich Forschung und Entwicklung (F&E) gehört. Neben der Präklinischen Forschung mit den Gebieten Phytochemie und Pharmakologie gehört auch die Abteilung Pharmazeutische Entwicklung (Analytik und Galenik) in den F&E-Bereich. Klassische Aufgaben der Phytochemie sind (natürlich) die chemische Charakterisierung der Extrakte, die Isolierung und Strukturaufklärung bioaktiver Komponenten und, nach deren Verabreichung, die Untersuchung biologischer Matrices (Blut, Urin etc.) auf diese Komponenten und deren Metabolite. Ob und wie die Vielstoffgemische und die aktiven Inhaltsstoffe wirken, versuchten die Mitarbeiter aus der Pharmakologie zu beantworten.
Well-Established-Use-Phytopharmakon: 20 Mio. Euro Investitionskosten Traditional-Use-Registrierung: 0,5 Mio. Euro
Besondere Highlights des Tages waren natürlich die Führungen. Als Erstes wurde die Extrakt-Herstellung besichtigt. Äußerst beeindruckend war, wie aus den bis zu fünf Tonnen getrockneten Ginkgo-Blättern, die täglich verarbeitet werden, etwa 100 Kilogramm EGb 761® werden. Die Herstellung des Spezialextraktes erfordert etliche gigantische Glasbehälter, die über ein komplexes Rohrleitungssystem miteinander verbunden sind. Besonders staunten die Studierenden über den immensen Aufwand, der für die Rückgewinnung und Aufreinigung der verwendeten Lösungsmittel betrieben wird. In der zweiten Führungsrunde ging es durch die Abteilungen „Phytochemie“ (Dr. Hermann Hauer), „Analytische Entwicklung“ (Dr. Stefan Germer) und „Pharmakologie“ (Dr. Sabrina Weisenburger). Eine besondere Erfahrung war es für die Studierenden, dass die an der Universität gelehrten Methoden und benutzten Geräte tatsächlich auch im industriellen Alltag verwendet werden: Nach wie vor ist zum Beispiel die Dünnschichtchromatografie ein essenzieller Bestandteil der Analytik. Natürlich werden aber auch andere Methoden, wie zum Beispiel die 600-MHz-NMR- und die Massen-Spektrometrie, eingesetzt.
Am Ende des informationsreichen Tages wurden von Dr. Uta Wanner (Leiterin der Unternehmenskommunikation), Dr. Stefan Germer, Charlotte Kühnast (Apothekerin für Validierung, Alumna der Goethe-Universität), Dr. Isabel Freund (Medical Manager Innovationsmanagement) und Dr. Viktoria Riedel (Laborgruppenleiterin Galenische Entwicklung) in der Abschlussdiskussion vielfältige Karrieremöglichkeiten für Apotheker bei Schwabe und generell in der (Phyto-)Pharmazeutischen Industrie vorgestellt. Sie beantworteten nicht nur die Fragen der Studierenden zu den Themen Recruiting, Praktisches Jahr und Promotion, sondern schwärmten auch von den Vorzügen eines mittelständischen Familienunternehmens. Außerdem bestärkten sie die Studierenden nachdrücklich in ihrer Wahl des Studiengangs: Durch die breite naturwissenschaftliche Ausbildung, die im Pharmaziestudium geboten wird, sind sie bestens für die unterschiedlichen Aufgaben (nicht nur) in der Industrie gerüstet.
Der Semestersprecher David Plano bedankte sich im Namen aller Teilnehmer ganz herzlich für die Einladung zur Betriebsbesichtigung und für den perfekt organisierten Tag, der einen Einblick in die komplexe Entwicklung und Produktion eines Phytopharmakons und die Tätigkeitsbereiche von Pharmazeuten ermöglichte. |
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