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Arzneimittel und Therapie
Was geht in der Schwangerschaft?
Welche Analgetika eingesetzt werden können und worauf verzichtet werden muss
Auch starke unbehandelte Schmerzen können ungünstige Wirkungen auf das ungeborene Kind haben. So können beispielsweise durch Schmerz verengte Blutgefäße zu einer verminderten Blut- und Sauerstoffversorgung des Kindes führen. Wenn der Schmerz andauert oder zu stark ist und mit nichtmedikamentösen Methoden keine ausreichende Linderung erreicht werden kann, sollten geeignete Arzneimittel in einer ausreichend hohen Dosierung angewendet werden.
Da an Schwangeren keine randomisierten Studien durchgeführt werden dürfen, beruhen die vorhandenen Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit von Arzneimitteln in der Schwangerschaft und Stillzeit vorrangig auf Erfahrungswerten. Uneinheitliche Empfehlungen in verschiedenen Ländern führen dabei immer wieder zu Diskussionen und Unsicherheiten. Erst Ende März 2019 ist vom Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) ein Durchführungsbeschluss der europäischen Kommission zur Änderung der Fach- und Gebrauchsinformationen Metamizol-haltiger Arzneimittel (z. B. Novalgin®) umgesetzt worden (s. Kasten). Unter anderem wurden die Anwendungsempfehlungen für Schwangere und Stillende angepasst. Da es bislang keine Hinweise gibt, dass eine Anwendung von Metamizol in der Frühschwangerschaft problematisch ist, sind Einzelgaben innerhalb der ersten sechs Schwangerschaftsmonate akzeptabel, sofern andere Schmerzmittel nicht eingenommen werden können. Im letzten Trimenon darf der Wirkstoff nicht eingesetzt werden. Auch von einer Anwendung in der Stillzeit wird vorsichtshalber abgeraten.
Geänderte Anwendungshinweise für Metamizol
Mit dem Durchführungsbeschluss der EU‑Kommission vom 20. März 2019 wurden die Zulassungsinhaber Metamizol-haltiger Präparate dazu verpflichtet, die Fach- und Gebrauchsinformationen anzupassen:
- Im letzten Schwangerschaftsdrittel ist Metamizol kontraindiziert.
- Die orale Tagesmaximaldosis beträgt bei Patienten ab 15 Jahren 4000 mg, parenteral 5000 mg.
- Bei jüngeren Patienten orientiert sich die Dosis am Körpergewicht. Einige Präparate sind bei unter 15-Jährigen aufgrund der enthaltenen Wirkstoffmenge ungeeignet. Die Zulassungsinhaber haben das Anwendungsalter nun entsprechend geändert (z. B. Metamizol AbZ 500 mg Tabletten, Metamizol Aristo 500 mg Tabletten, Metamizol Hexal 500 mg Filmtabletten). Zur Anwendung bei Kindern unter 15 Jahren sind die betroffenen Präparate nicht länger zugelassen.
Ibuprofen und Paracetamol sind Mittel der Wahl
Nach heutigen Erkenntnissen ist bei der Schmerztherapie von Schwangeren in den ersten beiden Schwangerschaftsdritteln bevorzugt Ibuprofen anzuwenden (s. Tabelle). Es gibt keine Hinweise auf Teratogenität oder Embryotoxizität beim Menschen. Im dritten Trimenon kann es jedoch unter Ibuprofen, wie bei Metamizol und allen anderen nichsteroidalen Antirheumatika (NSAR) auch, zu fetalen Nierenschäden sowie zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus beim Fetus kommen. Deshalb sind Ibuprofen wie auch andere NSAR hier kontraindiziert. Sollte dennoch ein NSAR angewendet worden sein, sollte der fetale Ductus arteriosus mithilfe der Dopplersonografie kontrolliert werden.
Bei behandlungspflichtigen Schmerzen und hohem Fieber im dritten Schwangerschaftsdrittel ist Paracetamol das Mittel der Wahl. Im Gegensatz zu Ibuprofen wirkt dieses jedoch nicht antiphlogistisch. Auch im ersten und zweiten Trimenon ist Paracetamol ein sicheres Analgetikum und neben Ibuprofen Mittel der ersten Wahl. In der Vergangenheit oft diskutierte toxische Auswirkungen auf das Ungeborene (z. B. Gastroschisis, Entwicklung asthmatischer Beschwerden) konnten nicht bestätigt werden. In der Stillzeit sind Ibuprofen und Paracetamol gleichermaßen gut geeignet.
Schwangerschafts-Trimenon |
Stillzeit |
Bemerkungen |
|||
---|---|---|---|---|---|
1. |
2. |
3. |
|||
Ibuprofen |
+++ |
+++ |
∅ |
+++ |
sicheres Analgetikum / Antiphlogistikum in der frühen Schwangerschaft |
Paracetamol |
+++ |
+++ |
+++ |
+++ |
sicheres Analgetikum / Antipyretikum während der gesamten Schwangerschaft |
Diclofenac |
++ |
++ |
∅ |
+ |
|
Acetylsalicylsäure
(> 500 mg)
|
+ |
+ |
∅ |
+ |
„Low-dose“-Behandlung (≤ 300 mg / Tag) während der gesamten Schwangerschaft unproblematisch |
Metamizol |
+ |
+ |
∅ |
– |
Reserve-Analgetikum, insbesondere bei krampfartigen Schmerzen |
Andere NSAR (Naproxen, Indometacin, Piroxicam, Meloxicam)
|
– |
– |
∅ |
– |
gehören nicht zu den Mitteln der Wahl; Einsatz nur, wenn unbedingt nötig; Ibuprofen und Diclofenac sind bis zur 28. SSW bevorzugt einzusetzen |
Coxibe (z. B. Celecoxib, Etoricoxib)
|
∅ |
∅ |
∅ |
∅ |
kaum Erfahrungswerte |
Triptane (Sumatriptan)
|
++ |
++ |
++ |
++ |
Mittel der Wahl bei Migräne, wenn Ibuprofen und Paracetamol unzureichend sind |
Opioide
(mittelstark wirksame wie Tramadol, Tilidin oder stark wirksame wie Morphin und Oxcycodon)
|
++ |
++ |
++ |
++ |
bei strenger Indikationsstellung; Atemdepression und Entzugserscheinungen beim Neugeborenen möglich |
Corticoide
(Prednisolon, Prednison, Methylprednisolon)
|
++ |
++ |
++ |
+++ |
nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung; 8. bis 11. SSW möglichst ≤ 10 mg / Tag, da erhöhtes Risiko für Gaumenspalten |
+++: unproblematisch; ++: Anwendung akzeptabel; +: kurzfristige Anwendung/Einzelgaben akzeptabel; –: Anwendung nicht empfohlen; ∅: kontraindiziert; NSAR: nichtsteroidale Antirheumatika; SSW: Schwangerschaftswoche |
Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) ist in analgetischen und antiphlogistischen Dosen (≥ 500 mg) bis zur 28. Schwangerschaftswoche Mittel der zweiten Wahl. Entwicklungstoxische Effekte wurden beim Menschen bislang nicht beobachtet. Die kurzzeitige Anwendung ist akzeptabel, auf eine Langzeitanwendung sollte jedoch verzichtet werden. Dagegen ist eine sogenannte „Low-dose“-Behandlung (z. B. zur Verhinderung von Spontanaborten) mit Dosierungen bis zu 300 mg unproblematisch und bei entsprechender Indikation während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit möglich.
Zu den selektiven Cyclooxygenase‑2-Inhibitoren, den sogenannten Coxiben wie z. B. Celecoxib (Celebrex®) und Etoricoxib (Arcoxia®) liegen derzeit keine ausreichenden Daten für eine endgültige Risikobewertung vor. Aufgrund mangelnder Erfahrung, des allgemeinen Wirkungsspektrums und nicht belegter Vorteile im Vergleich zu den klassischen NSAR sind diese in der Schwangerschaft und Stillzeit zu meiden.
Die Art des verwendeten Schmerzmittels hängt nicht zuletzt von der Art und Lokalisation des Schmerzes ab. So hat sich Sumatriptan (Imigran®) aus der Gruppe der Triptane bei Migräneattacken bewährt, wenn Ibuprofen und Paracetamol nicht den gewünschten Effekt bringen.
Bei sehr starken Schmerzen wie z. B. Tumorschmerzen oder nach einem Unfall ist eine Anwendung von Opioiden vertretbar. Hinweise auf Teratogenität gibt es nicht. Zu berücksichtigen sind jedoch eine mögliche Atemdepression und Entzugssymptome beim Neugeborenen, insbesondere bei Anwendung zum Ende der Schwangerschaft. Auch in der Stillzeit ist eine kurzzeitige Anwendung bei strenger Indikationsstellung und unter Berücksichtigung des atemdepressiven Potenzials möglich.
Für eine erforderliche systemische Behandlung mit Corticoiden sind Prednisolon (Decortin®H), Prednison (Decortin®) und Methylprednisolon Mittel der Wahl. Vorsicht ist zwischen der achten und elften Schwangerschaftswoche geboten, denn ein leicht erhöhtes Risiko für Gaumenspalten ist hier nicht auszuschließen. Die Dosis bei einer Langzeittherapie sollte in dieser Zeit 10 mg / Tag nicht überschreiten. Keine Gefahr für den Säugling besteht beim Stillen, da selbst bei hochdosierten Therapien nur ein geringer Anteil in die Muttermilch übergeht.
Kombinationspräparate sollten generell vermieden und Schmerzmittel niemals unkritisch eingesetzt werden. Es wird empfohlen, auch rezeptfrei erhältliche Arzneimittel nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt einzunehmen. |
Literatur
Borsch J. Anwendungen in der Schwangerschaft: BfArM setzt Anpassungen bei Metamizol um. DAZ.online 09. April 2019; www.deutsche-apotheker-zeitung.de
Metamizol: Uneinheitliche Angaben zu Dosierung und Kontraindikationen. Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom 4. April 2019; www.bfarm.de
Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. (DGS). Schmerztherapie in Schwangerschaft und Stillzeit; www.dgss.org
Informationen des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin; www.embryotox.de
3 Kommentare
Ihr Kommentar vom 02.08.2019
von Kirk Beate am 02.08.2019 um 13:21 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Es gibt auch andere Quellen als "Embryotox" über Arzneimittel und Schwangerschaft ....
von Kirk Beate am 02.08.2019 um 8:18 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Es gibt auch andere Quellen als "
von Dr. Carolin Straub, Redakteurin DAZ am 02.08.2019 um 11:59 Uhr
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