Arzneimittel und Therapie

Hoch hinauf mit niedriger Dosis

Acetazolamid zur Prophylaxe der Höhenkrankheit auf dem Prüfstand

Die beste Prophylaxe gegen die Höhenkrankheit ist die Akklimatisation. Wenn dafür nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht, wird unter anderem Acetazolamid als medikamentöse Prophylaxe empfohlen. Die gängigen Dosierempfehlungen liegen zwischen 250 bis 750 mg ­täglich. Doch auch eine niedrigere Dosis von 125 mg scheint möglich.

Mit steigender Höhe fällt der O2-Partialdruck. Damit verbunden ist eine erhöhte Atemfrequenz, ausgelöst durch die Stimulierung der peripheren Chemorezeptoren. Die Hyperventilation wird jedoch durch den sinkenden CO2-Partialdruck im arteriellen Blut und eine respiratorische Alkalose limitiert. Über eine metabolische Azidose stimuliert Acetazolamid, ein Diuretikum aus der Gruppe der Carboanhydrasehemmer, das Atemzentrum. Die Zeit für die Akklimatisation wird dadurch verkürzt und das Risiko für eine akute Höhenkrankheit reduziert.

Der Wilderness Medical Society zufolge sind 250 mg Acetazolamid täglich die niedrigste wirksame Dosierung für die Prophylaxe der Höhenkrankheit. Mit steigender Dosis nehmen mögliche Nebenwirkungen zu. Dazu zählen: Parästhesie, verändertes Geschmacksempfinden, vermehrter Harndrang, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Hautirritationen [1].

Basiswissen ­Höhenkrankheit

Definition: Kopfschmerzen und mindestens eines der ­folgenden Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Erschöpfung, allgemeine Schwäche

Ab wann bemerkbar? Bei schnellem Aufstieg ab etwa 2500 m für nicht akklimatisierte Wanderer. Die Inzidenz beträgt in dieser Höhe 10 bis 20%, ab etwa 4500 m bis 5500 m liegt die Inzidenz bei 50 bis 85%.

Optimale Prophylaxe: Akklimatisation! Aufstieg um weniger als 500 m pro Tag, ab 3000 m mit einer Pause alle drei bis vier Tage

Im Rahmen einer randomisierten, doppelblinden Nichtunterlegenheitsstudie erhielten 73 Teilnehmer in Nepal entweder 62,5 mg Acetazolamid oder 125 mg Acetazolamid zweimal täglich für zwölf Tage [2]. Die Probanden füllten zweimal am Tag einen Fragebogen aus. Bei 55,3% der Teilnehmer, die eine reduzierte Dosis einnahmen, traten leichte bis schwere Symptome der ­Höhenkrankheit auf. Bei den Teilnehmern mit der Standarddosierung lag die Inzidenz bei 60%. Die tägliche Inzidenzrate der Höhenkrankheit für den einzelnen Teilnehmer betrug unter der reduzierten Dosis 7,7%, unter der Standarddosis 8,9%. Zur Standardisierung der Symptomatologie der akuten Höhenkrankheit wurde das sogenannte Lake-Louise-Score-System (LLSS) verwendet. Der mittlere LLS-Wert für die Gruppe mit der reduzierten Dosis betrug 1,014 und 0,966 für die Gruppe der Standarddosis. Die ­Unterschiede waren nicht signifikant. Nebenwirkungen traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf, die niedrigere Dosierung war damit nicht verträglicher.

Tab.: Medikamentöse Prophylaxe der Höhenkrankheit (off label) (nach [3])
Substanz
Dosierung zur Prophylaxe
Wirksamkeit
kann empfohlen werden
Acetazolamid
125 – 250 mg zweimal täglich
gut belegt
eingeschränkt (Verträglichkeit oft schlecht)
Dexamethason
2 mg alle 6 h oder 12 mg alle 12 h
gut belegt
ja
Salmeterol
125 mg alle 12 h (inhaliert)
keine Angaben
keine Angaben
Acetylsalicylsäure
320 mg alle 4 h
sehr gut belegt
ja
Ibuprofen
600 mg alle 8 h
sehr gut belegt
ja
Calciumcarbasalat
528 mg alle 8 h
sehr gut belegt
ja

Die insgesamt hohen Inzidenzraten für das Auftreten der Höhenkrankheit führen die Studienautoren auf die häufige Erfassung der Symptome zurück. Im Gegensatz dazu stehen die niedrigen täglichen Inzidenzraten sowie die niedrigen LLS-Werte. Die Gründe werden darin gesehen, dass die Acetazolamid-Prophylaxe bereits in geringen Höhen begonnen wurde.

Die Studienautoren empfehlen weitere Studien mit einer größeren Teilnehmerzahl und einem Placebo-Arm, um die ideale Dosierung festzulegen. |

Literatur

[1] Fachinformation Glaupax®. Stand Juni 2018

[2] McIntosh et al. Reduced Acetazolamide ­Dosing in Countering Altitude Illness: A Comparison of 62,5 vs 125 mg (the RADICAL Trial). Wilderness Environ Med 2019;30(1):12-21

[3] Höffler D. Die Höhenkrankheit. Arzneiverordnung in der Praxis 2018;45(2):84-86

Apothekerin Christine Hahnenkamp

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