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- DAZ 27/2019
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Arzneimittel und Therapie
Überraschend aktiv
Auch Hilfsstoffe können Nebenwirkungen verursachen
Bereits bekannte pharmazeutische Hilfsstoffe können auf Bevölkerungsebene unerwünschte Wirkungen zeigen, die bei der Zulassung nicht dokumentiert wurden. So wurden in verschiedenen Fallberichten Allergien und Unverträglichkeiten durch Hilfsstoffe beschrieben. Dabei scheinen Intoleranzen häufiger aufzutreten als allergische Reaktionen, diese können hingegen zu schwerwiegenderen Verläufen führen. Die unerwünschten Wirkungen der Hilfsstoffe können das Wohlbefinden der Patienten und ihre Adhärenz beeinträchtigen. Doch oft werden entsprechende Symptome fälschlicherweise auf den Arzneistoff zurückgeführt.
Im Rahmen einer aktuellen Studie wurden die Häufigkeit, das allergene Potenzial und die Komplexität von Hilfsstoffen in festen Oralia untersucht. Dazu wurden die Datenbanken Pillbox (USA) und Gelbe Liste (Deutschland) in Bezug auf die Formulierung analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Hilfsstoffe bei den am häufigsten verschriebenen Medikamenten in den USA 75 ± 26% und in Deutschland 71 ± 26% der Gesamtmasse ausmachen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass eine durchschnittliche feste Darreichungsform 280 mg Hilfsstoffe und 164 mg Arzneistoff enthält. 41,3% aller festen Oralia enthalten mehr als 250 mg Hilfsstoffe. Für insgesamt 38 Stoffe wurde in der Literatur ein allergenes Potenzial beschrieben. Trotzdem enthalten 92,8% der Arzneimittel mindestens einen davon. Hierzu zählen chemische Farbstoffe oder Erdnussöl, das als Lösungsvermittler in allen untersuchten Progesteron-Formulierungen Verwendung findet. Dies schränkt die therapeutischen Möglichkeiten bei Patienten mit einer Erdnussallergie stark ein. Außerdem gehören viele der Hilfsstoffe wie Lactose, Mannitol und Polydextrose zu den sogenannten FODMAP-Zuckern (s. Kasten). 55% aller untersuchten Arzneimittel enthalten solche fermentierbaren Zucker.
FODMAPs
„Fermentable Oligo-, Di- and Monosaccharides And Polyols“ (FODMAPs) sind fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole (Zuckeralkohole). Sie sind in zahlreichen Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Roggen, Zwiebeln, Linsen, Äpfeln, Birnen, Brokkoli, Mais und Milchprodukten zu finden. Gastrointestinale Symptome können sich durch die Einnahme verschlimmern. Denn die Zucker werden im Dünndarm nicht vollständig hydrolysiert. Im Dickdarm wirken sie dann nicht nur osmotisch, sondern werden auch bakteriell zersetzt. Durch den Gärprozess entstehen blähende Gase und kurzkettige Fettsäuren, die die Darmschleimhaut schädigen können.
[Literatur: Scherzer B. Darm in Aufruhr. DAZ 2017, Nr. 13, S. 42]
Lactose ist außerdem ein Allergen, und 75% der Weltbevölkerung sind lactoseintolerant. Trotzdem ist der Milchzucker in 45% aller Arzneimittel mit einem Gehalt von bis zu 600 mg pro Einheit enthalten. Individuen, die eine schwere Form der Intoleranz haben, könnten bereits auf solch geringe Mengen reagieren.
„Inaktive“ Hilfsstoffe können folglich aktiver sein als bisher angenommen. Dies bedeutet, dass die Medikation für vulnerable Personen und Patienten mit Polypharmazie, die durch die Vielzahl an eingenommenen Arzneimitteln größere Mengen an Hilfsstoffen zu sich nehmen, angepasst werden sollte.
Die Studie zeigt jedoch auch, wie komplex die Formulierungen sind. So enthält eine Tablette oder Kapsel durchschnittlich 8,8 Trägerstoffe. Diese variieren je nach Hersteller, sodass sich eine Aut-idem-Suche in Bezug auf den Anteil an Arzneistoffträgern bzw. eine erweiterte Suche nach Substanzklasse lohnt. |
Quelle
Reker D et al. „Inactive“ ingredients in oral medications. Sci Transl Med 2019; 11(483):eaau6753
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