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Porträt
Es war Liebe auf den zweiten Blick
Magdalene Linz – die Apothekerin, die Politikerin, der Mensch
„Eigentlich hing mein Herz an der Kunstgeschichte, sie war Platz 1 meiner Studienwünsche“, gesteht sie. „Ich hatte eine hervorragende Lehrerin in Kunstgeschichte, die mich für dieses Fach begeisterte.“ Auch ihr Vater, von Beruf Architekt, brachte sie mit der Kunstgeschichte in Berührung. Ihr Onkel machte sie auf den Apothekerberuf aufmerksam, aber: „Meine erste Reaktion: Das ist nichts für mich, Apotheker sind doch akademische Schubladenzieher“, erinnert sich Linz. Doch ein zweiter Blick auf den Apothekerberuf und der Kontakt zu einer befreundeten Pharmaziestudentin bewegt sie dazu, das Pharmaziestudium in Marburg zu beginnen. Das Studium ist hart, aber es macht ihr Spaß. Mit Blick auf den heutigen Lehrstoff der Pharmazie, die Nähe der pharmazeutischen Fächer zum Patienten, stellt sich heute ein bisschen Wehmut bei ihr ein: „Ich hätte damals gern mehr gelernt über Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie, auch die Klinische Pharmazie gab’s noch nicht und selbst die Pharmakologie stand damals noch am Anfang, das war schade.“ Während ihrer Studienzeit knüpft sie viele persönliche Kontakte, sie lernt ihre beste Freundin kennen, mit der sie noch heute befreundet ist, und ihren Mann, der Agrarwissenschaften studiert: „Auch vor diesem Hintergrund war es ein Glück, dass ich Pharmazie studiert habe“, schmunzelt sie.
Nach dem Studium ist es damals nicht einfach, einen Praktikumsplatz in einer Apotheke zu bekommen, sie gehört mit zu den ersten Pharmazeuten im Praktikum.
„Die Vermittlung unseres Hausarztes half mir, eine Stelle in einer Apotheke in Hannover zu bekommen“, so Linz, „wir hatten viele Rezepturen zu machen und selbstverständlich habe ich auch noch Pillen gedreht.“ Noch während ihres Apothekenpraktikums erhält sie von Marburg das Angebot für eine Promotionsstelle in Pharmazeutischer Biologie. Doch zurück nach Marburg kommt für sie nun nicht mehr infrage, die Beziehung zu ihrem zukünftigen Mann ist ihr wichtiger, „was ich auch nicht bereut habe“, lacht sie.
Ein Zufall: Kontakt zum BVA
Es ist Zufall, dass sie in ihrer Praktikumsapotheke mit Kolleginnen in Kontakt kommt, die im Bundesverband der Angestellten in Apotheken (BVA), der heutigen Apothekengewerkschaft Adexa, engagiert waren. „Diese Arbeit interessierte mich“, so Linz. Als ihre Schwester, die zu dieser Zeit ein PTA-Praktikum absolviert, berichtet, dass es in ihrer Apotheke nicht genügend Sitzgelegenheiten fürs Personal gibt und man sich zudem während der Arbeitszeit nicht setzen darf, wendet sich Linz an die BVA-Vorsitzende. „Damals war Irmgard Engelke die Vorsitzende des BVA, ein Mensch, den ich sehr geschätzt habe“, so Linz, und sie erinnert sich: „Wenig später stand dann im Tarifvertrag, dass in jeder Apotheke ausreichend Sitzgelegenheiten fürs Personal vorhanden sein mussten – nicht zuletzt das hat mich davon überzeugt: Wenn man sich engagiert, kann man auch etwas erreichen.“ Linz tritt dem BVA bei, arbeitet aktiv mit.
Der politisch aktive Mensch
Linz war Klassensprecherin, sie war Semestersprecherin – das Engagement für andere, das Politische liegt vermutlich in ihrem Naturell. Das spricht sich herum: Sie wird von der Kammer angesprochen, für die Kammerversammlung zu kandidieren – sie willigt ein, obwohl sie gerade mit ihrem Sohn schwanger ist. „Aber mir war es wichtig“, so Linz, „auch in der Kammer mitzuarbeiten.“
Als 1989 die Nachfolgerin von Engelke vom Vorsitz des BVA zurücktritt, wird Linz zur Vorsitzenden des BVA gewählt. „Da mir der BVA ans Herz gewachsen war, hatte ich mich für die Wahl zur Verfügung gestellt, obwohl ich mittlerweile zwei kleine Kinder hatte. Ich willigte ein, es zunächst kommissarisch zu machen. Aber wie so oft bei kommissarischen Dingen – es bleibt nicht dabei.“
Die Wiedervereinigung Deutschlands sieht die BVA-Vorsitzende Linz als Herausforderung, „zumal es damals starke Mitbewerber zum BVA gab, beispielsweise die ÖTV, die DAG, die HBV. Ich habe die neuen Bundesländer umgehend bereist, um bei den Apothekenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter für den Beitritt zum BVA zu werben. Ich war stolz darauf, dass wir als vergleichsweise kleine Gewerkschaft die Nase vorne hatten“, schwärmt Linz noch heute. Und natürlich ist es für sie ein Ansporn, die Tarifverhandlungen zu führen, zumal es dies in der DDR so nicht gegeben hatte. Für Linz zeigt sich: „Wenn man bei Tarifverhandlungen die andere Seite nicht als Feind sieht, sondern als Partner, ist es durchaus möglich, gute Tarifabschlüsse zu erzielen.“ Insgesamt elf Jahre lang hat Linz den BVA-Vorsitz inne.
Auch heute ist Linz der Meinung, dass die Gehälter der Mitarbeiter angesichts ihrer hohen Qualifikation viel zu niedrig sind: „Das Problem ist allerdings“, wie sie einräumt, „selbst wenn man seine Mitarbeiter deutlich über Tarif bezahlt, gibt es Grenzen. Man muss die Politik fragen, warum die Apotheken seit 15 Jahren keine nachhaltigen Honorarverbesserungen bekommen haben, um ihre Mitarbeiter besser zu bezahlen.“ Und einen kleinen Seitenblick nach Sachsen kann sie sich nicht verkneifen: Dort hat sich der Apothekerverband noch immer nicht dem Arbeitgeberverband als Tarifpartner angeschlossen: „Die Glaubwürdigkeit derjenigen aus Sachsen, die mehr Geld fordern, hält sich bei mir in Grenzen. Sie müssen sich nicht wundern, wenn die Mitarbeiter abwandern, weil sie unter dem bundesweiten Tarifvertrag bezahlt werden.“
Apothekeninhaberin und Kammerfrau
In den 1990er-Jahren regt sich in ihr der Wunsch nach Selbstständigkeit. Sie stört sich daran, als angestellte Apothekerin nicht ihre Vorstellungen von einer guten Apotheke verwirklichen zu können. Der Zufall will es, dass sie 1999 von der zum Verkauf anstehenden Delfin-Apotheke in ihrer Heimatstadt Hannover hört. Die Apotheke ist zwar nicht in bester Verfassung, hat aber eine gute Lage in einer Fußgängerzone. Sie kauft sie und baut sie mit guter pharmazeutischer Arbeit und motivierten Mitarbeitern zu einer gutgehenden Apotheke auf. Die Selbstständigkeit war dann zwangsläufig das Ende als BVA-Vorsitzende.
Bei der Kammer dagegen startet Magdalene Linz gleich im ersten Jahr ihrer Selbstständigkeit durch: Nachdem sie bereits seit 1992 Vizepräsidentin der Kammer war, wird sie 2000 zur Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen gewählt – und bleibt es neunzehn Jahre lang. „Die Kammerarbeit in Niedersachsen hat mir immer Spaß gemacht“, bekennt sie frank und frei, „weil ich dort von Anfang an immer mit Menschen zu tun hatte, auch mit den Hauptamtlichen, die ausgesprochen motiviert waren und vorausschauend dachten. Das hat mich geprägt. Von Niedersachsen aus haben wir viele Dinge angeschoben, z. B. die Weiterbildung, das Medikationsmanagement oder das Qualitätsmanagement, wo wir die Vorreiter waren. Oder jüngst die Einführung von Stationsapothekern.“
Auf Bundesebene – von 2005 bis 2008 ist sie BAK-Präsidentin – gestaltet sich ihre Arbeit schwieriger, wie sie durchblicken lässt: „Die BAK ist eine Arbeitsgemeinschaft, auch dort kann man nur mit Argumenten überzeugen“, so Linz, „ich war stolz darauf, dass wir eine freiwillige Verpflichtung für bestimmte Qualitätskriterien abgeschlossen haben für Fortbildungszertifikate und die Anzahl von Ringversuchen u. ä.“ Aber nicht immer war das Ergebnis so, wie sie es sich gewünscht hatte – „vielleicht waren meine Ziele auch zu ambitioniert“, fügt sie hinzu. „Der Marsch durch die Institutionen“, gesteht sie, „war nervenaufreibend.“ Als sie 2008 ihre zweite Apotheke, die Leibniz-Apotheke in Hannover kauft, kandidiert sie nicht ein weiteres Mal als BAK-Präsidentin. Denn diese Apotheke verlangt von ihr großen fachlichen Einsatz aufgrund von Spezialgebieten, die dort anfallen: „Das konnte ich nicht so nebenbei machen. Ende 2008 war ich am Ende meiner Kräfte.“
Und dennoch, viele sehen in ihr schon die nächste ABDA-Präsidentin: Eine durchsetzungsstarke Frau, wie Linz es ist, an der Spitze unserer Berufsvertretung – davon träumen einige. „Ich bin seinerzeit interessanterweise auch von Verbandsvertretern gebeten worden, für die ABDA-Präsidentschaft anzutreten. Aber ich habe mich anders entschieden, ich fühle mich eher als eine Kammerfrau“, blickt Linz zurück, „hinzu kamen familiäre Gründe, meine gerade umgebaute Apotheke und die zeitliche Belastung, die dieses Amt mit sich gebracht hätte. Ich gebe allerdings zu: Ich hatte schon das eine oder andere Mal daran gedacht, ob ich nicht durch meine Art politisch etwas anderes hätte erreichen können.“
Die Netzwerkerin
Apropos ihre „Art“: Netzwerke aufbauen, kommunikativ sein, positiv auf Menschen zugehen, auch auf solche, die anderer Meinung sind, und sich argumentativ auseinandersetzen – das sind Stärken von Magdalene Linz. Ein weiteres Plus: Sie ist authentisch, glaubwürdig: „Was ich selbst predige, lebe ich, auch mit meinen Mitarbeitern.“
Und was ihr Netzwerk und die kommunikative Seite betrifft: „Ich habe meine Apotheken immer geöffnet für Journalisten, für Vertreter von Krankenkassen, für Politiker. Ich glaube, nach einem Besuch bei uns wussten sie immer, was eine Apotheke leistet. Für mich ist das der richtige Weg, Meinungsbildner in die Apotheke zu holen.“ Zu allen maßgeblichen Krankenkassenvertretern hat Linz einen hervorragenden Draht. Dadurch ist es ihr z. B. gelungen, Modellprojekte mit Krankenkassen auf die Beine zu stellen.
Fragt man Magdalene Linz nach ihren Schwächen, überlegt sie kurz und meint: „Vielleicht rede ich manchmal zu lang und zu viel“, sagt sie mit einem kleinen Lächeln, „und manchmal habe ich das, was ich wollte, zu energisch und zu stark durchzusetzen versucht. Da ich sehr kreativ und perspektivisch denke, nehme ich Andersdenkende nicht mit auf diesen Weg. Das ist manchmal ein Fehler. Daran sollte ich noch arbeiten.“
Die Kunstliebhaberin
Womit entspannt Magdalene Linz? Ihre Enkelkinder sind für sie die „größtmögliche Entspannung“. Aber dann steht schon ihre „erste Liebe“, die Kunst, an nächster Stelle, Kunst und Kultur auf allen Ebenen, z. B. auch auf Reisen mit ihrem Mann. Sie besucht gerne Opern- und Ballettaufführungen und natürlich Museen. Auch klassische Musik des Barock neben zeitgenössischer Musik, schätzt sie sehr: „Und manchmal brauche ich gar nicht viel, um zu entspannen: Komme ich ein wenig früher nach Hause, koche ich mir einen guten Tee, lege die Beine hoch und genieße schöne Musik – das ist Entspannung für mich.“ Auch mit Gartenarbeit kann sie sich gut entspannen. Nicht zuletzt geht sie ins Fitness-Studio: „Was ich anderen empfehle, nämlich sich regelmäßig zu bewegen, mache ich selbst. Denn Bewegung ist wichtiger als alle Arzneimittel“, lacht sie.
Zwei ihrer Lebensträume: Neben einer Reise nach Neuseeland steht auch eine Zugfahrt mit dem „Pride of Africa“ auf der Wunschliste, ein Zug, der von Kapstadt nach Dar es Salaam fährt, verrät sie. Vielleicht gehen die Träume in der Zeit nach der Kammer in Erfüllung. Und ganz klar, bereut hat sie das Pharmaziestudium nie, „ich würde diesen Beruf jederzeit wieder ergreifen.“ |
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