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Prävention

Wenn „Zucker“ droht

Wie die Manifestation eines Diabetes mellitus Typ 2 verhindert werden kann

Ungewollter Gewichtsverlust, Heißhunger, Schwäche, Müdigkeit, verzögerte Wundheilung und häufige Infektionen können auf einen Prädiabetes hindeuten. Oft sind im Vorstadium des Diabetes aber auch gar keine klinischen Symptome vorhanden. Wie lässt sich verhindern, dass sich aus dem Vorstadium ein manifester Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt, und wie kann man Kunden entsprechend beraten? | Von Stefan Oetzel

In Deutschland sind rund 7,5 Millionen Menschen an Diabetes mellitus erkrankt [1]. Von den Betroffenen leiden über 95% an einem Typ-2-Diabetes (T2DM) ‒ Tendenz steigend. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von geschätzt mindestens zwei Millionen Menschen, deren Diabetes bisher unerkannt geblieben ist. Diabetes mellitus ist also eine häufige, chronisch verlaufende Erkrankung, die für die Betroffenen oft mit verkürzter Lebenszeit, Multimorbidität und damit auch einer Verschlechterung der Lebensqualität einhergeht. Mögliche Folgekrankheiten betreffen unter anderem das Herz-Kreislauf-System (Herzinfarkt, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit) sowie Augen (Retinopathie), Nieren (Nephropathie), Nerven (Neuropathie) und Füße (diabetisches Fußsyndrom). Zudem sind mit der Krankheit hohe Kosten verbunden, die das Gesundheitswesen belasten. In Deutschland verursachte die medizinische Behandlung des Diabetes mellitus und dessen Folgekrankheiten im Jahr 2010 Ausgaben in Höhe von 16,1 Milliarden Euro, was etwa 10% der gesamten Aufwendungen der Krankenversicherungen entsprach [1].

Ein Prädiabetes ist Ansatzpunkt für effektive Prävention

Angesichts der hohen, insgesamt zunehmenden Prävalenz und der damit verbundenen medizinischen sowie ökonomischen Herausforderungen wird es immer wichtiger, durch effektive Prävention die Entstehung eines Typ-2-Diabetes zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Da der Diabetes mellitus Typ 2 pathophysiologisch auf einer kontinuierlich wachsenden Insulinresistenz mit sekundärem Sekretionsversagen der Betazellen im Pankreas beruht, besteht das primäre Ziel darin, der Insulinresistenz möglichst frühzeitig entgegenzuwirken und so die Glucosetoleranz zu verbessern bzw. zu normalisieren. Dabei ist es sinnvoll, die präventiven Maßnahmen auf Menschen zu fokussieren, bei denen das Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2 erhöht ist [2]. Ein Anzeichen hierfür ist der Prädiabetes, auch intermediäre Hyperglykämie genannt, also ein Zustand des Glucose-Stoffwechsels, bei dem noch kein manifester Diabetes mellitus vorliegt, aber die Werte für Nüchtern-Blutzuckerspiegel, Glucosetoleranz bzw. Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c-Wert) bereits gestört sind. Die Tabelle 1 zeigt, wie nach Definition der American Diabetes Association normale Glucosewerte (Normoglykämie), Prädiabetes und manifester Diabetes mellitus Typ 2 voneinander abgegrenzt werden können [3].

Tab. 1: Abgrenzung zwischen Normoglykämie, Prädiabetes und manifestem Diabetes mellitus. Mindestens eines der drei Kriterien muss für die Diagnose Prädiabetes bzw. Diabetes mellitus erfüllt sein (nach [3])
Kriterium
Normoglykämie
Prädiabetes
Diabetes mellitus
Blut-Glucosekonzentration nüchtern
≤ 99 mg/dl (≤ 5,5 mmol/l)
100 bis 125 mg/dl (5,6 bis 6,9 mmol/l)
≥ 126 mg/dl (≥ 7,0 mmol/l)
Blut-Glucosekonzentration zwei Stunden nach Glucose-Gabe (Glucosetoleranz)
≤ 139 mg/dl (≤ 7,7 mmol/l)
140 bis 199 mg/dl (7,8 bis 11,0 mmol/l)
≥ 200 mg/dl (≥ 11,1 mmol/l)
Langzeit-Glucosewert (HbA1c-Wert)
≤ 5,6%
5,7% bis 6,4%
≥ 6,5%

Die epidemiologischen Daten zur Häufigkeit des Prädiabetes in Deutschland schwanken je nach Untersuchung. Das Robert Koch-Institut gibt eine Prävalenz von 20,8% bei Menschen im Alter zwischen 18 und 79 Jahren an, was etwa 13,1 Millionen Personen entspricht [4, 5]. Dass Prädiabetes tatsächlich ein großer Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes mellitus ist, zeigen die Daten verschiedener Studien, in denen ‒ je nach Populationen und zugrunde liegenden Laborparametern ‒ jährliche Konversionsraten vom Prädiabetes hin zum manifesten Diabetes mellitus zwischen 4% und 19% beobachtet wurden [6].

Wie lässt sich das individuelle Risiko einschätzen?

Als Risikofaktoren für einen Prädiabetes bzw. für einen manifesten Diabetes mellitus vom Typ 2 gelten unter anderem:

  • Übergewicht: Adipositas ist der wichtigste Risikofaktor für Prädiabetes. Je mehr Fettgewebe vorhanden ist, desto eher wird sich eine Insulinresistenz entwickeln. Dabei steigt das Risiko zusätzlich, wenn viel Fett im Bauch­bereich (Taille) eingelagert ist. Ab einem Taillenumfang von 102 cm (Mann) bzw. 88 cm (Frau) ist das Risiko für Prä­diabetes deutlich erhöht [7].
  • Inaktivität: Je weniger ein Mensch körperlich aktiv ist, desto höher ist sein Risiko für Prädiabetes. Körperliche Arbeit verbessert die körpereigene Insulin-Wirkung und erhöht so die zelluläre Glucoseaufnahme [7]. Außerdem wird das Körpergewicht niedrig gehalten.
  • Rauchen: Vermutet wird, dass Nicotin und Kohlenmonoxid sich negativ auf die Bauchspeicheldrüse auswirken und auch die Rezeptoren schädigen, an denen Insulin in den Körpergeweben seine Wirkung entfaltet. Wer das Rauchen aufgibt, kann sein Risiko für Typ-2-Diabetes deutlich senken [8].
  • Alkohol ist energiereich und fördert Übergewicht, aber auch die Ausbildung einer Fettleber, was wiederum das Risiko für eine Insulinresistenz erhöht [8].
  • Schlafmangel: Vermutlich schüttet der Körper bei einem gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus vermehrt Stresshormone aus, die eine Insulinresistenz begünstigen [8].
  • Höheres Alter: Das Risiko für Prädiabetes steigt ab dem 45. Lebensjahr [7].
  • Positive Familienanamnese: Fälle von Diabetes mellitus bei Eltern und/oder Geschwistern weisen auf ein erhöhtes Risiko hin [7]. Hier spielen vermutlich sowohl genetische Faktoren als auch der familiär geprägte Lebensstil eine Rolle.
  • Gestationsdiabetes: Frauen, die während der Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes entwickeln, erkranken mit höherer Wahrscheinlichkeit später an einem Diabetes mellitus [7].

Wie hoch das individuelle Diabetesrisiko ist, lässt sich z. B. durch den FINDRISK-Test der Deutschen Diabetes Stiftung abschätzen [9]. Dieser ermittelt anhand von acht Fragen einen Punktwert, über den das jeweilige Risiko, in den nächsten zehn Jahren an Typ-2-Diabetes zu erkranken, einfach und schnell bestimmt werden kann [9]. Der Test kann online ausgefüllt und automatisch ausgewertet werden. Geben Sie den Webcode T4PV8 in die Suchfunktion bei DAZ.online unter www.deutsche-apotheker-zeitung de ein und Sie gelangen direkt zu dem Test. Ein weiterer ähnlicher Test ist der Deutsche Diabetes-Risiko-Test® (DRT), der mithilfe des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) entwickelt wurde [10]. Er ermittelt mit zehn Fragen das persönliche Risiko, innerhalb der nächsten fünf Jahre an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken (Webcode X3PB3).

Änderung des Lebensstils wirkt präventiv!

Die Risikofaktoren für die Entwicklung von Prädiabetes bzw. Diabetes mellitus Typ 2, die potenziell beeinflusst und geändert werden können, bieten auch einen Ansatzpunkt für nichtmedikamentöse Präventivmaßnahmen. Menschen mit erhöhtem Diabetesrisiko sollten ihren Lebensstil daher entsprechend ändern (Lifestyle-Modifikation):

  • Umstellung der Ernährung: Die Fettzufuhr sollte auf maximal 30% der täglichen Energieaufnahme reduziert werden, wobei die Aufnahme von gesättigten Fettsäuren höchstens 10% der täglichen Kalorienzufuhr betragen sollte. Es wird empfohlen, pro 1000 Kilokalorien 15 g Ballaststoffe aufzunehmen. Ziel ist eine Gewichtsreduktion um mindestens 5% [11].
  • Regelmäßige körperliche Aktivität/Sport: Pro Woche werden vier Stunden körperliche Aktivität empfohlen. Die Bewegung sorgt dafür, dass Insulin wieder besser wirken kann und die energieverbrauchende Muskelmasse zunimmt [11].
  • Vermeiden eines ungesunden Lebensstils: Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und Schlafmangel sollten vermieden werden, da diese Faktoren ebenfalls zur Insulin­resistenz beitragen [8].

Dass Prädiabetiker tatsächlich von solchen Lebensstiländerungen profitieren können, wurde in mehreren Studien gezeigt. So untersuchte die chinesische Da Quing IGT and Diabetes Study den Effekt einer Lifestyle-Modifikation auf die Konversion vom Prädiabetes zum Diabetes mellitus Typ 2 [12]. Dazu wurden in die Studie 577 Erwachsene mit gestörter Glucosetoleranz eingeschlossen, deren Diabetesrisiko durch Ernährungsumstellung, körperliche Aktivität oder beide Lifestyle-Modifikationen reduziert werden sollte [12]. In der Kontrollgruppe wurde der Lebensstil nicht geändert. Nach sechs Jahren betrug die kumulative Inzidenz von Diabetes mellitus 67,7% in der Kontrollgruppe gegenüber 43,8% in der Gruppe mit einer Ernährungsumstellung, 41,1% in der Gruppe mit erhöhter körperlicher Aktivität und 46,0% in der Diät-plus-Sport-Gruppe (jeweils p < 0,05) [12]. In einer Follow-up-Untersuchung nach 23 Jahren konnte gezeigt werden, dass der Effekt der Lebensstiländerung über die Interventionszeit hinaus erhalten geblieben ist [13].

Auf einen Blick

  • Prädiabetes bezeichnet Vorstadien des Diabetes mellitus, in denen bereits ein erhöhter Nüchtern-Blutzuckerwert oder eine gestörte Glucosetoleranz vorliegen, aber noch kein manifester Diabetes besteht.
  • Prädiabetes ist ein großer Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2.
  • Der Übergang des Prädiabetes in einen manifesten Diabetes kann verschoben oder sogar verhindert werden.
  • Am wichtigsten ist dabei eine Änderung des Lebensstils: mehr körperliche Bewegung, faserreiche, kalorienreduzierte Ernährung, Gewichtsreduktion.
  • Aber auch antidiabetische bzw. gewichtsreduzierende Arzneimittel können helfen, der Manifestation eines Diabetes vorzubeugen.
  • Mittels Fragebögen kann in der Apotheke ein Prädiabetes früh erkannt werden.
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In der finnischen Diabetes Prevention Study wurde ein Teil der 522 übergewichtigen Probanden mit gestörter Glucosetoleranz individuell zur Gewichtsreduktion, Aufnahme von gesunder Ernährung sowie zu körperlicher Aktivität angeleitet [14]. In dieser Gruppe hatten binnen 3,2 Jahren nur 11% einen manifesten Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt gegenüber 23% in der Vergleichsgruppe ohne eine solche Anleitung. Dies entsprach einer signifikanten Diabetesrisiko­reduktion um 58% (p < 0,001) [14].

Ein weiteres Beispiel ist das Diabetes Prevention Program (DPP). An ihm nahmen 3234 übergewichtige Patienten mit erhöhtem Nüchtern-Glucosespiegel und gestörter Glucosetoleranz teil [15]. Davon wurden 1079 Personen intensiv durch Lifestyle-Interventionen betreut, mit dem Ziel, 7% ihres ursprünglichen Körpergewichts zu reduzieren und körperlich über mindestens 150 Minuten pro Woche aktiv zu sein. Nach 2,8 Jahren war die Diabetesinzidenz in dieser Gruppe um 58% niedriger als in der Vergleichsgruppe, in der keine präventiven Maßnahmen durchgeführt worden waren [15]. Eine Langzeituntersuchung im Rahmen des Diabetes Prevention Program ‒ die Diabetes Prevention Program Outcomes Study (DPPOS) ‒ zeigte, dass die Lebensstilinterventionen auch bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von rund 15 Jahren mit einer deutlichen Verringerung der Diabetesinzidenz um 27% verbunden war (p < 0,0001) [16].

Mit Arzneimitteln der Manifestation eines ­Diabetes vorbeugen

Neben Änderungen des Lebensstils bieten Arzneimittel weitere Optionen, bei Menschen mit gestörtem Glucosestoffwechsel einem manifesten Diabetes mellitus vorzubeugen. Infrage kommen hier zum einem antidiabetisch wirkende Substanzen wie Metformin, Pioglitazon, Acarbose, Liraglutid, und zum anderen Arzneistoffe wie Orlistat, die der Adipositas als wichtigem Risikofaktor für Diabetes mellitus Typ 2 entgegenwirken. Der Einsatz von Arzneimitteln zur Prävention des Diabetes mellitus wurde in mehreren Studien untersucht. So erhielten im Rahmen des Diabetes Prevention Program auch 1073 Prädiabetiker Metformin [15]. Dadurch konnte im Vergleich zur Placebogruppe die Rate der neu an Diabetes Erkrankten um 31% reduziert werden [15]. Nach 15 Jahren war die Rate der Neuerkrankungen in der Metformin-Gruppe immer noch um 18% niedriger als in der unbehandelten Vergleichsgruppe (p = 0,001) [16]. In Tabelle 2 sind die Ergebnisse weiterer wichtiger Studien zur Diabetesprävention sowie die dabei eingesetzten Wirkstoffe und deren Wirkprinzipien dargestellt.

Tab. 2: Wirkstoffe, die zur Prävention von Diabetes mellitus Typ 2 bzw. zu Vorbeugung von kardiovaskulären Ereignissen in Studien untersucht wurden (nach [26]).
Wirkstoff
(Handelsnamen)
Wirkprinzip
Studiendaten
Metformin (z. B. Diabesin®, Glucophage®, Juformin®, Metfogamma®, Siofor®)
Hemmung der Glucoseaufnahme im Darm und der Glukoneogenese in der Leber, Erhöhung der Insulin-Sensitivität und damit Steigerung der Glucose­aufnahme ins Gewebe (z. B. Muskulatur)
  • Metaanalyse von 31 kontrollierten Studien, 4570 Teilnehmer mit erhöhtem Risiko für Diabetes Typ 2; mittlere Studiendauer: 1,8 Jahre; Ergebnisse: Reduzierung der Diabetesinzidenz unter Metformin um 40%; absolute Risikoreduktion von 6% [17]
  • kontrollierte IDPP-1-Studie, 531 Teilnehmer mit gestörter Glucosetoleranz; medianes Follow-up: 30 Monate; Ergebnisse: relative Reduktion des Diabetesrisikos durch Metformin um 26,4% vs. Kontrollgruppe (p = 0,029) [18]
  • Kohortenstudie, 24.752 Teilnehmer mit Diabetes Typ 2 und beginnender Metformin-Therapie, medianes Follow-up: 2,6 Jahre; Ergebnisse: kardiovaskuläres und Mortalitätsrisiko konnten bei Erreichen eines HbA1c-Werts < 6,5% reduziert werden [19].
Pioglitazon (z. B. Actos®)
Sensibilisierung des Gewebes auf Insulin durch Aktivierung des PPARγ-Rezeptors im Zellkern, der an der Regulation verschiedener Mechanismen im Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel beteiligt ist
  • kontrollierte ACT-NOW-Studie, 602 Teilnehmer mit gestörter Glucosetoleranz; medianes Follow-up: 2,4 Jahre; Ergebnisse: Diabetesinzidenz 2,1% unter Pioglitazon vs. 7,6% unter Placebo; relative Risikoreduktion um 72% (p < 0,001) [20]
  • kontrollierte IRIS-Studie, 3876 Patienten mit früherem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke und Insulinresistenz; Studiendauer 4,8 Jahre; Ergebnisse: Diabetesinzidenz 3,8% unter Pioglitazon vs. 7,7% unter Placebo; relative Risikoreduktion um 52% (p < 0,001); Verringerung des Risikos für weitere Schlaganfälle und Herzinfarkte um 24% (p = 0,007) [21]
Acarbose (z. B. Glucobay®)
Hemmung der Alpha-Glucosidase, Verdauung bzw. Absorption der Kohlenhydrate im Darm wird dadurch verzögert
  • kontrollierte STOP-NIDDM-Studie, 1429 Teilnehmer mit gestörter Glucoseverwertung; medianes Follow-up: 3,3 Jahre; Ergebnisse: Entwicklung eines Diabetes Typ 2 bei 32% unter Acarbose vs. 42% unter Placebo; relative Risikoreduktion um 25% (p = 0,0015) [22]; Reduzierung der kardiovaskulären Ereignisse unter Acarbose um 49% (p = 0,03) und der Myokardinfarkte um 91% (p = 0,02) [23]
Liraglutid (Victoza®; Saxenda®)
GLP-1-Rezeptor-Agonist, fördert die Insulin-Sekretion aus den Betazellen und verzögert die Magenentleerung
  • kontrollierte SCALE-Obesity-Prediabetes-Studie, 2254 Prädiabetiker mit Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m²); Studiendauer: 160 Wochen; Ergebnisse: Diabetesinzidenz von 2% unter Liraglutid vs. 6% unter Placebo; signifikante Gewichtsabnahme (6,1% vs. 1,9% ; p < 0,0001) [24]
Orlistat (z. B. Xenical®)
selektive Hemmung der Lipasen in Darm und Pankreas, dadurch verringerte Fettresorption
  • kontrollierte XENDOS-Studie, 3305 Teilnehmer mit BMI ≥ 30 kg/m2 und normaler oder gestörter Glucosetoleranz; Studiendauer: 4 Jahre; Ergebnisse: kumulative Inzidenz eines Diabetes Typ 2 von 6,2% unter Orlistat plus Lebensstiländerung vs. 9% unter Lebensstiländerung allein; relative Risikoreduktion 37,3% (p = 0,0032); stärkere Gewichtsabnahme unter zusätzlichem Orlistat (5,8 kg vs. 3,0 kg; p < 0,001) [25]

Dass eine Therapie mit Antidiabetika auch unter Alltagsbedingungen wirksam das Risiko für die Progression vom Prädiabetes zum Diabetes mellitus Typ 2 senken kann, zeigen die Daten einer aktuellen, retrospektiven Beobachtungsstudie [27]. An ihr nahmen 422 Patienten einer internistisch-endokrinologischen Gemeinschaftspraxis teil, bei denen ein Prädiabetes diagnostiziert worden war [27]. Sie wurden in Risikokategorien eingeteilt und es wurden ihnen entsprechend folgende Therapieoptionen angeboten:

  • Gruppe 1: Studienteilnehmer mit hohem Progressions­risiko: Metformin, Pioglitazon, GLP-1-Rezeptoragonist und Lebensstiländerung
  • Gruppe 2: Studienteilnehmer mit einem mittleren ­Progressionsrisiko: Metformin, Pioglitazon und Lebensstiländerung
  • Gruppe 3: Studienteilnehmer, die eine Pharmakotherapie ablehnten, unterzogen sich nur einer Lebensstiländerung.

Innerhalb einer mittleren Nachbeobachtungszeit von rund 32 Monaten entwickelte keiner der 81 Teilnehmer aus Gruppe 1, rund 5% der 141 Teilnehmer aus Gruppe 2 und knapp 11% der 200 Teilnehmer aus Gruppe 3 einen Diabetes mellitus Typ 2. Damit war das adjustierte Risiko einer Progression in Gruppe 1 signifikant um 88% (HR: 0,12 [95% CI: 0,02 bis 0,94], p = 0,04) und in Gruppe 2 um 71% (HR: 0,29 [95% CI: 0,1 bis 0,78], p = 0,009) reduziert im Vergleich zur Gruppe 3, die nur ihren Lebensstil geändert hatte [27].

Die vorliegenden Daten aus den verschiedenen Studien zeigen, dass durch eine pharmakologische Behandlung, die auf die individuelle zugrundeliegende pathophysiologische Störung ausgerichtet ist, bei Prädiabetikern die Manifestation eines Diabetes mellitus vom Typ 2 wirksam verzögert oder gar vermieden werden kann. Es gibt auch Hinweise, dass zumindest einige dieser Präparate einen kardioprotektiven Effekt haben. Bei der Entscheidung, ob solche Arzneimittel zur Prävention eines Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt werden, müssen aber auch mögliche Nebenwirkungen bzw. Unverträglichkeiten berücksichtigt und gegen den Nutzen der Therapie abgewogen werden. Wenn durch Lifestyle-Intervention und/oder medikamentöse Maßnahmen bei einem Prädiabetiker keine oder nur eine unzureichende glykämische Kontrolle möglich ist, kann als Ultima Ratio noch die bariatrische Chirurgie (z. B. Magenverkleinerung oder Magenbandoperation) eingesetzt werden [26]. Mit ihrer Hilfe lässt sich eine drastische Gewichtsabnahme und dadurch auch eine Umkehrung des Prädiabetes erreichen. Wie das Management nach Diagnose eines Prädiabetes aussehen kann, wird in Abb. 1 gezeigt [26].

Abb. 1: Algorithmus für die Vorgehensweise nach Diagnose eines Prädiabetes, adaptiert von den Leitlinien der American Association of Clinical Endocrinologists [26].

Wie kann der Apotheker helfen?

Den Apotheken kommt bei der Früherkennung eines Prä­diabetes bzw. Diabetes mellitus ein besonderer Stellenwert zu. So haben Apothekerinnen und Apotheker durch den oft intensiven Kundenkontakt und die Vielzahl an Informationen, die ihnen über Medikation und Erkrankungen des jeweiligen Kunden zur Verfügung stehen, die Möglichkeit, entsprechende Warnsignale früh zu bemerken und dann gegebenenfalls zum Arztbesuch zu raten. Darüber hinaus sollten alle Kunden im Alter über 40 Jahren, die übergewichtig sind, auf die Möglichkeit der Früherkennung von Diabetes mellitus beim Arzt hingewiesen werden [28]. Eine Reihe von Apotheken bietet auch selbst entsprechende Früherkennungsmaßnahmen an. Zudem haben gesetzlich Krankenversicherte ab dem Alter von 35 Jahren alle drei Jahre Anspruch auf einen kostenlosen Gesundheits-Check (Check-up 35), in dessen Rahmen unter anderem die Blutzuckerwerte untersucht werden [29]. Tests wie der FINDRISK-Test oder der Deutsche Diabetes-Risiko-Test® können auch in der Apotheke im Verlauf eines Beratungsgesprächs zur einfachen Risikostratifikation eingesetzt werden. Patienten, bei denen ein prädiabetisches Stadium vorliegt, sollten darüber aufgeklärt werden, dass eine Änderung ihres Lebensstils und gegebenenfalls auch die Einnahme von Arzneimitteln notwendig sein kann. Hier ist es wichtig, die betroffenen Kunden entsprechend zu motivieren [28]. |

Literatur

[1] Deutscher Gesundheitsbericht: Diabetes 2019. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Deutsche Diabetes-Hilfe. www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/fileadmin/Redakteur/Stellungnahmen/Gesundheitspolitik/20181114gesundheitsbericht_2019.pdf, Zugriff am 29. April 2019

[2] Storm A (Hrsg), Deckenbach B, Nolting H-D, Tisch T, Zich K. Ver­sorgungsreport Diabetes mellitus des IGES-Instituts im Auftrag der DAK , www.dak.de/dak/download/dak-versorgungsreport-2018-2019334.pdf, Zugriff am 29. April 2019

[3] Diagnosis and classification of diabetes mellitus. American Diabetes Association. Diabetes Care 2014;37(1):81-90

[4] Heidemann C, Du Y, Paprott R, Haftenberger M, Rathmann W, Scheidt-Nave C. Temporal changes in the prevalence of diagnosed ­diabetes, undiagnosed diabetes and prediabetes: findings from the German Health Interview and Examination Surveys in 1997-1999 and 2008-2011. Diabet Med 2016;33:1406–1414

[5] Welt-Diabetes-Tag am 14.11. – Aktuelle Daten des Robert Koch-­Instituts zu Diabetes. Robert Koch-Institut (RKI), www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GesundAZ/Content/D/Diabetes/Inhalt/Welt-Diabetes-Tag_14-11.html, Zugriff am 7. Mai 2019

[6] Tabák AG, Herder C, Rathmann W, Brunner EJ, Kivimäki M. Prediabetes: a high-risk state for diabetes development. Lancet 2012;379:2279–2290

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[8] Diabetes mellitus: Risikofaktoren. Informationen des Helmholtz Zentrums München, www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de/erkrankungsformen/typ-2-diabetes/risikofaktoren/index.html, Zugriff am 6. Mai 2019

[9] Chance zum Handeln: Was tun, wenn der Verdacht auf Diabetes besteht? Deutsche Diabetes Stiftung. www.diabetesstiftung.de/files/­paragraph/fileupload/dds_dw_2018_online_prv.pdf, Zugriff am 29. April 2019

[10] DIfE – Deutscher Diabetes Risiko Test® (DRT). Deutsche Diabetes Gesellschaft. Diabetologie und Stoffwechsel 2018;13:286–289

[11] Typ-2-Diabetes: Prävention. . Informationen des Helmholtz Zentrums München, www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de/erkrankungsformen/typ-2-diabetes/praevention/index.html, Zugriff am 2. Mai 2019

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[20] DeFronzo RA, Tripathy D, Schwenke DC, Banerji M, Bray GA, Buchanan TA, Clement SC, Henry RR, Hodis HN, Kitabchi AE, Mack WJ, Mudaliar S et al. Pioglitazone for Diabetes Prevention in Impaired Glucose Tolerance. New England Journal of Medicine 2011;364:1104–1115

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[28] Immel-Sehr A. Beratung aktiv - Selbstmedikation: Medizinisch-pharmazeutischer Leitfaden für die Kundenberatung in der Apotheke. vollständig überarbeitete Auflage 2018. Eschborn: Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker GmbH;2018

[29] Gesundheits-Check-up. Bundesministerium für Gesundheit. www.bundesgesundheitsministerium.de/checkup.html, Zugriff am 6. Mai 2019

Autor

Diplom-Biologe Stefan Oetzel hat an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken sowie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen studiert. Im Anschluss absolvierte er eine Weiterbildung zum Fachzeitschriftenredakteur beim Ernst Klett Verlag in Stuttgart. Seit 1998 arbeitet er als freiberuflicher Medizinjournalist.

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