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Sozialrecht braucht Gleichpreisigkeit!
Regierung kommt um gute und detaillierte Begründung nicht herum
Meyer hat kürzlich mit seinem Kollegen Dr. Elmar Mand im Auftrag der vier apothekerlichen Standesorganisationen in Nordrhein-Westfalen ein Gutachten zum Referentenentwurf für das Apotheken-Stärkungsgesetz erstellt. Es sollte nicht zuletzt der ABDA vor Augen führen, wie wichtig es ist, sich den Plänen des Bundesgesundheitsministers nicht einfach zu fügen. Diese versprechen zwar Gleichpreisigkeit für deutsche Apotheken und EU-Versender, haben aber den gegenteiligen Effekt – tatsächlich werde die Inländerdiskriminierung zementiert. Und mit vergüteten Dienstleistungen und einem Zuweisungsverbot auch für E-Rezepte lasse sich das nicht kompensieren oder auch nur abmildern.
Preisbindung im SGB V schützt nicht
Spahn plant bekanntlich, die Preisbindung ins Sozialrecht zu verlagern: Die bestehende Ungleichbehandlung von inländischen (Versand-)Apotheken im Vergleich zu EU-Versendern soll im GKV-Bereich durch die kollektivvertragliche Regelung einheitlicher Abgabepreise im Sozialgesetzbuch V (SGB V) beendet werden, heißt es in der Begründung des Referentenentwurfs. Zugleich soll im Arzneimittelgesetz die ausdrückliche Preisbindung für EU-Versender gestrichen werden (§ 78 Abs. 1 Satz 4 AMG). Die Vorstellung ist, dass die Regelung zur Preisbindung allein durch Verankerung im Sozialrecht vor weiteren Angriffen seitens der EU-Institutionen geschützt ist. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich hatte dies im Mai beim DAV-Wirtschaftsforum nochmals so dargestellt. Doch genau das ist laut Meyer eine Fehlvorstellung: Bereits seit 2001 sei durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) klar, dass es für den Gesundheits- und Sozialbereich keine Bereichsausnahme gebe, die bereits eine Prüfung nationalstaatlicher Maßnahmen verhindere. Wenn es um Fragen der wirtschaftlichen Grundfreiheiten geht – wie etwa den freien Binnenmarkt –, müssen Einwände aus Gründen des Gesundheitsschutzes im Rahmen der Rechtfertigung vorgetragen werden. Es werde also geprüft, ob die Mitgliedstaaten gute Gründe haben, diese Grundfreiheiten zu beschränken. Hier, so Meyer, gebe es durchaus einen weiten Wertungsspielraum und auch das Vorsorgeprinzip sei anerkannt. Geschehen sei dies so auch schon in den EuGH-Verfahren zum Versandhandelsverbot, dem Fremdbesitzverbot und der Krankenhausversorgung aus einer Hand.
Gefährlicher Verweis auf Auffassung der EU-Kommission
Doch genau diese detaillierte Rechtfertigung – gemessen am durch das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 verschärften Maßstab – vermisst Meyer im Referentenentwurf. Gleich, ob die Preisbindung im Arzneimittel- oder im Sozialrecht steht: Gerechtfertigt werden muss sie an beiden Stellen – und zwar mit einer guten Begründung. Und da reicht das, was im Referentenentwurf zu lesen ist, keinesfalls. Vor allem, so Meyer, sei es kontraproduktiv, wenn in der Begründung erklärt wird, man erkenne die Rechtsauffassung der EU-Kommission an. Egal, ob im Einzelnen noch nachgebessert werde und mit welchen Mitteln man die Gleichpreisigkeit erreichen wolle – mit einer solchen Anerkennung funktioniert das nicht. Die Kommission bestreite grundsätzlich schon die Möglichkeit einer Rechtfertigung.
Als „Skandal“ wertete es Meyer vor diesem Hintergrund auch, dass das Bundesgesundheitsministerium weiterhin nicht auf eine Aufforderung des Oberlandesgerichts München reagiert. Zur Erinnerung: Das Gericht hatte die Bundesregierung im Februar 2018 in einem laufenden Verfahren um Auskunft gebeten, ob die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung geeignet, erforderlich und angemessen sind, um die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Ganz offensichtlich sieht es Chancen, die Frage der Rx-Preisbindung für EU-Versender erneut dem EuGH vorzulegen – und zwar mit einer besseren Begründung. Es muss belegt werden, dass die Rx-Preisbindung geeignet ist, die flächendeckende Arzneimittelversorgung zu sichern. Meyer dazu: „Diese Stellungnahme muss kommen!“, fordert Meyer. Er ist sicher: „Die Zusammenhänge im Arzneimittel-Preissystem lassen sich sehr gut darstellen, die Bundesregierung könnte das gut machen.“
Preis- und Sozialrecht sind schon heute eng verflochten
Zudem machte Meyer eindrücklich deutlich, dass das Arzneimittelpreisrecht schon heute hochgradig mit dem Sozialrecht verwoben ist. Diese Verknüpfung müsse man nicht erst schaffen, wie das Ministerium offenbar meint. Anhand einer Grafik zeigte der Jurist diese Verflechtungen eindrücklich auf (Abb.). Zahlreiche Normen des Sozialrechts beziehen sich auf die Preisbildung nach der Arzneimittelpreisverordnung. Da sind die Herstellerabschläge in all ihren Facetten für Impfstoffe oder Generika. Es geht um die Preisbildung neuer Arzneimittel im AMNOG-Verfahren (Erstattungsbeträge), aber auch um die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Ärzte, die Zuzahlung der Patienten, den Rahmenvertrag bis hin zu den Rabattverträgen. „Alles basiert auf der Arzneimittelpreisverordnung“, betont Meyer. Will man all diese sozialrechtlichen Regelungen, bedarf es einfach einer gemeinsamen Preisbasis. Und das betrifft nicht einmal nur die Gesetzliche Krankenversicherung. Selbst der Verband der Privaten Krankenversicherungen warnt in seiner Stellungnahme zum Apotheken-Stärkungsgesetz davor, die Rx-Preisbindung für Arzneimittel im grenzüberschreitenden Versand aus dem Arzneimittelgesetz zu streichen. Denn dann würden auch Mechanismen kippen, die aus dem Sozialrecht auf die Privaten übertragen wurden. All dies zeigt: Eine „Übertragung“ der Arzneimittelpreisverordnung ins Sozialrecht ist schlicht nicht nötig. Schon jetzt ist beides miteinander eng verwoben – der Knackpunkt liegt an einer ganz anderen Stelle.
Wenn die Regierung also wirklich die Apotheken schützen will – so wie es im Koalitionsvertrag geschrieben steht –, dann muss sie Meyer zufolge gut begründen, warum die Gleichpreisigkeit für den Erhalt eines sicheren und flächendeckenden Apothekensystems notwendig ist. Und dafür muss sie mehr liefern als in ihrer bisherigen Gesetzesbegründung. Vor allem darf sie nicht erklären, dass sie die Rechtsauffassung der EU-Kommission uneingeschränkt anerkennt. Wobei Außenstehenden noch nicht einmal genau bekannt ist, wie diese Position aussieht – bislang ist die „mit Gründen versehene Stellungnahme“ nicht in der Öffentlichkeit aufgetaucht.
Positive Regelungen besser an anderer Stelle einbringen
Abschließend riet Meyer den Apothekern überdies, die von ihnen begrüßten Regelungen rund um das E-Rezept und das Makel-Verbot im Apotheken-Stärkungsgesetz im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens zum Digitale Versorgung Gesetz zu thematisieren. Da sind sie aus seiner Sicht besser aufgehoben. |
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