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Arzneimittel und Therapie
„Grundsätzlich spricht nichts gegen Ibuprofen“
Ein Interview mit dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Fred Zepp
DAZ: Professor Zepp, ab wann sollte bei Kindern mit Infektionskrankheiten Fieber medikamentös gesenkt werden?
Zepp: Fieber wird häufig viel zu früh behandelt. Immer gleich auf Normaltemperatur zu senken, kann auch schaden. Bei viralen Infektionskrankheiten sollten Antipyretika daher eher zurückhaltend eingesetzt werden. Bei Temperaturen über 38,5 °C arbeitet das Immunsystem auf Hochtouren, sodass der Körper der Infektion etwas entgegensetzen kann. Ein Beweis: In Frankreich hat man lange regelhaft Paracetamol oder Ibuprofen nach Impfungen gegeben, um Fieberreaktionen vorzubeugen. Das Ergebnis war eine schwächere Immunantwort. Geht es dem Kind gut, spielt, isst und trinkt es, sollte die Temperatur nicht mit aller Macht gesenkt, sondern zunächst vor allem auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Auch 39 °C sind nicht automatisch ein Grund zur medikamentösen Fiebersenkung. Wenn höhere Temperaturen allerdings starkes Unwohlsein verursachen und das Wohlbefinden beeinträchtigt ist, sollte die Gabe von fiebersenkenden Medikamenten erwogen werden.
DAZ: Welches Arzneimittel würden Sie im Kindesalter bei Fieber als erstes empfehlen?
Zepp: Lange Zeit galt Paracetamol als Mittel der Wahl, doch in den vergangenen 20 Jahren hat es in Deutschland einen Wandel gegeben. Heute bevorzugen wir Ibuprofen, hauptsächlich um die erhöhte Gefahr hepatotoxischer Nebenwirkungen zu vermindern. Wenn Paracetamol nicht ausreichend wirkt, riskiert man besonders im außerklinischen Einsatz deutlich schneller eine Überdosierung als unter Ibuprofen. Aus demselben Grund empfehlen wir auch ausdrücklich nicht die alternierende Gabe von Paracetamol und Ibuprofen. Besser ist es, mit einem Wirkstoff zu beginnen, bei unzureichendem Effekt die Therapie abzubrechen und auf die Alternative zu wechseln. Wegen des Risikos eines Reye-Syndroms kommt Acetylsalicylsäure trotz guter Wirksamkeit in der Kinderheilkunde nicht mehr zum Einsatz, bis auf wenige Ausnahmen wie dem Kawasaki-Syndrom.
DAZ: Die französische Arzneimittelbehörde warnt davor, dass sich Infektionen unter Anwendung von Ibuprofen verschlimmern können. Auch die deutschen Fachinformationen enthalten einen Hinweis darauf, vor allem während einer Varizellen-Infektion. Wie beurteilen Sie das Risiko in der Praxis und setzen Sie bei Windpocken lieber Paracetamol ein?
Zepp: Bei uns in der Klinik sind beide Arzneistoffe im täglichen Gebrauch. Ibuprofen wird aus den oben genannten Gründen nach wie vor bevorzugt eingesetzt. Wir haben bisher kein erhöhtes Aufkommen von Haut- und Weichteilinfektionen feststellen können und die vorliegende Datenlage im Zusammenhang mit Windpocken ist auf Fallberichte beschränkt. Dank der Schutzimpfung kommen Windpocken nur noch selten vor. In der Klinik sehen wir nur noch selten Fälle mit komplizierten Verläufen bei ungeimpften Kindern. Dann muss man unter Abwägung von Nutzen und Risiken prüfen, ob die Gabe eines Antiphlogistikums überhaupt erforderlich ist. Aufgrund des Hinweises in der Fachinformation würde ich in diesem Fall (Varizellen) dann bevorzugt Paracetamol einsetzen.
DAZ: Also ist eine Kontraindikation für Ibuprofen nicht in Sicht?
Zepp: Derzeit denke ich nicht, nein. Nach der gegenwärtigen Datenlage spricht nichts grundsätzlich gegen den Einsatz von Ibuprofen bei viralen Infektionen. Und was wäre die Alternative, wenn bei einer notwendigen Fiebersenkung Paracetamol nicht ausreichend wirkt und Ibuprofen ebenso wie Acetylsalicylsäure wegen einer Kontraindikation ausscheidet? Metamizol, das letztlich noch schwerwiegendere Risiken birgt. Wir sollten unsere Alternativen nicht weiter eingrenzen.
DAZ: Was kann Eltern, die sich vor Windpocken sorgen, in der Apotheke also ruhigen Gewissens empfohlen werden?
Zepp: Die wichtigste Maßnahme bleibt die Impfung, die entweder komplett schützt oder nach der nur schwache Verläufe der Varizellen-Infektion zu erwarten sind. Treten dennoch einige Bläschen auf, sollten symptomatische Maßnahmen ergriffen werden. Juckreiz kann mit gerbstoffhaltigen Zinkoxid-Lotionen gemildert werden. Antipyretika sollten nur zum Einsatz kommen, wenn das Kind ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl aufweist. Dann sollte man bei Windpocken entsprechend der Empfehlung der Fachinformation bevorzugt zunächst Paracetamol einsetzen.
DAZ: Professor Zepp, vielen Dank für das Gespräch! |
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