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Die digitale Zukunft ist ein Schwerpunkt
DAZ-Interview mit Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des BAH
DAZ: Herr Cranz, Sie dürfen gerade erleben, dass ein Ruhestand sehr rasch zum Unruhestand werden kann. Waren Sie über die Anfrage des BAH überrascht, interimsmäßig die Hauptgeschäftsführung und die Leitung des Berliner BAH-Büros übernehmen zu wollen?
Cranz: Überrascht war ich schon, das will ich nicht leugnen, zumal ich die internen Entwicklungen beim BAH nicht verfolgt habe.
DAZ: Andererseits, angesichts Ihrer langjährigen Erfahrung im Verbandsgeschäft liegt es nahe, dass sich der BAH an Sie erinnert und Sie um die Übernahme dieser Aufgabe bittet.
Cranz: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mich über diese Anfrage auch gefreut habe. Offensichtlich hat man meine Arbeit über die vielen Jahre hinweg verfolgt und geschätzt. Ja, man hat mich nun um Hilfe gebeten und ich habe diese Aufgabe gerne übernommen. Bereits nach den ersten zwei Wochen machte es mir wieder Spaß, auf der Verbandsbühne zu arbeiten.
DAZ: Aber vermutlich haben Sie sich im vergangenen Jahr nicht gänzlich zurückgezogen ...
Cranz: Das ist richtig. Ich war weiterhin in der Brüsseler Szene präsent und habe die Zeit genutzt, mich mit allen Herausforderungen zur digitalen Zukunft zu beschäftigen. Auch wenn meine Arbeit bei der AESGP nur auf einen Teil der Branche ausgerichtet war, so habe ich doch immer die Meinung gehabt, man kann nur erfolgreich politische Arbeit machen, wenn man über den Tellerrand hinausschaut. Daher war ich in den vergangenen Monaten auch sporadisch in einer öffentlichen Apotheke und habe vor Ort gesehen, wie der Stand der Dinge mit den Festbeträgen ist und die Umsetzung von securPharm läuft. Das passt, so denke ich, gut zu meinen kommenden Aufgaben beim BAH. Und so freue ich mich auf meine neue Tätigkeit.
DAZ: Kurz ein Rückblick auf Ihre Arbeit bei der AESGP, einem Verband der Verbände. Was waren dort Ihre Hauptaufgaben?
Cranz: Die wichtigste Aufgabe war die politische Repräsentanz in Brüssel. Die Herausforderungen waren eine Vielzahl von Gesetzeswerken im Lauf der Jahre, z. B. zum Thema Arzneimittelwerbung, die Revision der Arzneimittelgesetzgebung, die Maßnahmen gegen Arzneimittelfälschungen usw. Meine Aufgabe war es, die Industrie zu repräsentieren in den zahlreichen Beratungen, Initiativen und Runden Tischen. In Deutschland nennt man es den Pharmadialog. Zu meiner Aufgabe gehörte es dann auch, die Mitglieder zu informieren über das, was im europäischen Umfeld passiert.
DAZ: Sehen Sie hier Parallelen zu den Aufgaben, die Sie beim BAH erwarten?
Cranz: Durchaus, da gibt es viele Parallelen. Die Zahl der Mitglieder ist beim BAH natürlich wesentlich größer. Aber der Informationsfluss, der Service für die Mitglieder, die Beratungsleistung – das muss genauso stimmen. Der BAH hat ein hervorragendes Team mit vielen hochkompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch wenn jetzt der Blickwinkel eher national ausgerichtet ist, gehen doch viele Themen Hand in Hand mit den europäischen Entwicklungen.
DAZ: Kann Ihnen in diesem Zusammenhang Ihr früheres Netzwerk hilfreich sein?
Cranz: Ich denke schon. Viele Themen wie z. B. Arzneimittelfälschungen, die europäische Nutzenbewertung oder Orphan Drugs sind natürlich von unmittelbarer Bedeutung für die deutschen Arzneimittelhersteller. Durch die zahlreichen Kontakte, die ich auf europäischer Ebene habe, werden wir hier gut am Ball sein, informativ, aber auch in der Begleitung der politischen Entwicklung.
DAZ: Welche Schwerpunkte werden Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit beim BAH setzen?
Cranz: Ein Schwerpunkt wird die digitale Zukunft sein. Wir wollen uns hier als Verband noch stärker positionieren, nicht zuletzt aufgrund der gesetzgeberischen Initiativen. Unsere nächste Jahrestagung Ende September wird die digitale Zukunft zum zentralen Thema haben, angefangen bei Big-Data-Entwicklungen über neue Strömungen und Entwicklungen wie Apps, Wearables und dem elektronischen Rezept bis hin zur Künstlichen Intelligenz. Zusätzlich werden wir eine Reihe von Spezialveranstaltungen machen, zum Teil noch vor der Jahrestagung, z. B. zu Apps und Wearables, da diese zum Teil als Medizinprodukte auf den Markt kommen. Das E-Rezept ist natürlich eine besondere Herausforderung, das sollte man sehr genau beobachten. Auch dazu haben wir eine spezielle Veranstaltung in der Planung.
DAZ: Es geht also gleich richtig los. Zeit zum Einarbeiten bleibt da nicht, diese Aufgaben kann aus dem Stand heraus nur jemand wie Sie übernehmen ...
Cranz: Einen Mangel an Themen und Aufgaben gibt es in der Tat nicht, Vorstand und Geschäftsführung werden gemeinsam Prioritäten setzen, wie man die Organisation ausrichtet. Hinzu kommen die Entwicklungen in der nationalen Gesetzgebung, z. B. beim GSAV und beim Apotheken-Stärkungsgesetz. Da deckt der BAH seit jeher die gesamte Bandbreite sehr gut ab.
DAZ: Apropos Apotheken-Stärkungsgesetz. Der BAH hat in der Vergangenheit immer viel Verständnis für die Lage der Apotheken gezeigt, z. B. bei den Themen Rx-Versandverbot und Gleichpreisigkeit. Wie würden Sie die Lage der Apotheken heute beschreiben?
Cranz: Sie ist herausfordernd, keine Frage. Das bedeutet aber nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Wir wollen als Organisation hier auch weiterhin Unterstützung leisten. An unserer Ausrichtung pro Vor-Ort-Apotheke wird sich nichts ändern, egal ob es sich um verschreibungsfreie oder verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt. Wir wollen darauf achten, wie sich bewährte Strukturen, die zur Sicherheit der Arzneimittel, aber auch zur Reputation der gesamten Arzneimittelbranche beitragen, weiterhin erhalten lassen. Für uns ist das Vertrauen wichtig, das hier dahintersteht, Vertrauen ins System.
DAZ: Worauf kommt es Ihnen in Ihrer Tätigkeit am meisten drauf an?
Cranz: Wir müssen uns als Verband umfassend aufstellen, verstehen, was die großen Herausforderungen im Gesundheitswesen sind, und uns dann mit entsprechenden Positionen in diese Debatte einbringen. Wichtig ist mir dabei ein umfassender Ansatz – ohne diesen Ansatz tut man sich schwer, politisch ernst genommen zu werden.
DAZ: Herr Cranz, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit Ihrer neuen Aufgabe! |
Hubertus Cranz
studierte Pharmazie in Tübingen und Ökonomie in Hagen, er promovierte zum Dr. rer. nat. an der Universität in Kiel (Institut für Pharmakologie). Nach verschiedenen Tätigkeiten in Apotheken und in der Arzneimittelindustrie arbeitete er für das Institut für Gesundheitssystemforschung in Kiel, das mit der Weltgesundheitsorganisation kooperierte, und für den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI).
Am 1. Juni 1988 betrat er die internationale Verbändebühne, er wurde Hauptgeschäftsführer (General Director) des Verbands der Europäischen Arzneimittel-Hersteller (AESGP – Association of the European Self-Medication Industry) und baute in Brüssel die Geschäftsstelle mit auf. Während seiner Amtszeit war er an zahlreichen politischen Aktivitäten für die Europäischen Arzneimittel-Hersteller beteiligt, beispielsweise begleitete er Verordnungen und Richtlinien zu den Themen Nahrungsergänzungsmittel, Arzneimittelwerbung, Pharmakovigilanz, traditionell angewandte Phyto-Arzneimittel und gefälschte Arzneimittel, außerdem Regelungen für Medizinprodukte und zu gesundheitsbezogenen Angaben (Health Claims). Darüber hinaus war er verantwortlich für die vergangenen 30 Jahrestagungen der AESGP und zahlreiche andere Konferenzen.
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