Arzneimittel und Therapie

Auch Hochbetagte profitieren von Statinen

Klarer Nutzen bei Patienten mit vaskulären Vorerkrankungen

Profitieren Patienten jenseits der 75 von Statinen? Die Ergebnisse einer Metaanalyse geben darauf differenziert Antwort: Ein Nutzen ist in der Sekundärprävention nachweisbar, bei Patienten ohne vaskuläre Vorerkrankungen hingegen unklar.

Ein Grundpfeiler der Primär- und Sekundär­prophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse ist die Behandlung der Hypercholesterolämie mit Statinen. Ob allerdings auch ältere Menschen hiervon profitieren, wird immer wieder diskutiert. Fakt ist: Die Adhärenz der Patienten gegenüber einer Statin-Therapie nimmt mit steigendem Alter ab, besonders bei Patienten über 75 Jahren. Zudem werden Statine bei Älteren seltener verordnet als bei jüngeren Patienten. Ein Grund dafür könnte die schwache Evidenz zur Wirksamkeit und Sicherheit der Statin-Therapie bei Hochbetagten sein. Wissenschaftler der Cholesterol Treatment Trialist Collaboration konzentrierten sich deshalb in einer Metaanalyse auf die Altersgruppe der Über-75-Jährigen. Im Fokus der Analyse standen die Wirksamkeit und Sicherheit der Statin-Therapie in Abhängigkeit vom Lebensalter. Primärer kombinierter Wirksamkeitsendpunkt war das Auftreten schwerer vaskulärer Ereignisse (d. h. schwere koronare Ereignisse, koro­nare Revaskularisation und Schlaganfall). Berücksichtigt wurden die Daten von 186.854 Patienten aus 28 randomisierten kontrollierten Studien. In 23 Studien wurden Statine mit Placebo bzw. einer Standardbehandlung verglichen, in fünf Studien wurde eine Hochdosistherapie mit Stati­nen im Vergleich zur Standard­dosierung untersucht. 14.483 (8%) von 186.854 Studienteilnehmern waren älter als 75 Jahre. Mehr als die Hälfte (55%) von ihnen wurde mit Statinen aufgrund einer vaskulären Vorerkrankung behandelt.

Es zeigte sich, dass Statine – unabhängig von Alter und Indikation – das Risiko für schwere vaskuläre Ereignisse signifikant um 21% pro 1,0 mmol/l Senkung des LDL-Chole­sterol-Werts reduzierten. Allerdings reichte die Risikominderung von etwa 25% (relatives Risiko [RR] 0,75; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,70 bis 0,81) bei Patienten, die nicht älter als 55 Jahre waren, bis zu 13% (RR 0,87; 95%-KI 0,77 bis 0,99) bei Patienten über 75 Jahren. Ähnlich verhielt es sich mit der Risikominderung für schwere koronare Ereignisse: Die Gesamt­reduktion betrug 24% pro 1,0 mmol/l Senkung des LDL-Chole­sterol-Werts (RR 0,76; 95%-KI 0,73 bis 0,79). Auch hier nahm die Risikominderung mit steigendem Alter ab, blieb aber signifikant. Bei den Parametern koronare Revaskularisation und Schlaganfall hingegen konnte das Signi­fikanzniveau bei den Über-75-Jährigen nicht erreicht werden.

Trotz Statinen LDL-Zielwert nicht erreicht – woran liegt‘s?

Einen weiteren Beitrag zur Debatte um die Statine liefert eine prospektive Kohortenstudie. Hier wurde der Einfluss von Statinen auf den LDL-Cholesterol-Wert und das damit zusammenhängende zukünftige Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht. Trotz der Einnahme der Cholesterol-Senker erreichte in dieser Studie weniger als die Hälfte der Patienten die festgelegten Zielwerte. 51,2% sprachen auf die Statin-Therapie suboptimal an, d. h. bei ihnen gelang es nicht, den LDL-Wert innerhalb von 24 Monaten um mehr als 40% zu reduzieren. Nach bereinigten Daten wie Alter und unbehandeltem LDL-Cholesterol-­Ausgangswert, war für diese Patientengruppe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu den Patien­ten mit optimalen LDL-Werten um 22% höher (Hazard Ratio [HR] 1,22; 95%-KI 1,19 bis 1,25).

Individuelle Patientenmerkmale wie Geschlecht, Alter, Körpergewicht, Ernäh­rung oder Bewegung können den LDL-Cholesterol-Wert beeinflussen. Die Autoren sehen allerdings eher einen Zusammenhang mit den Genen oder einer schlechten Adhärenz.

[Quelle: Akyea RK et al. Sub-optimal cholesterol response to initiation of statins and future risk of cardiovascular disease. Heart 2019; doi: 10.1136/heartjnl-2018-314253]

Der Nutzen von Statinen in der Sekundärprophylaxe ist gut belegt. Die vorliegende Metaanalyse bestätigte dies auch für die Gruppe der Über-75-Jährigen. In der Primärprävention hingegen ist das Bild differenzierter: Hier war der Nutzen in der aktuellen Metaanalyse für die jüngere Population nachweisbar, während die Risiko­minderung bereits ab einem Alter von 70 Jahren nicht mehr signifikant war. Unabhängig davon war die unter­suchte Patientenpopulation der Über-75-Jährigen ohne vaskuläre Vorerkrankungen (603 von 14.483 Teilnehmer) zu klein, um zu einer verlässlichen Aussage zu kommen. Dennoch sind die Studienautoren der Ansicht, dass die Einnahme eines Statins bei Über-75-jährigen empfehlenswert ist, wenn ein ausreichend hohes Risiko für koronare Ereignisse vorliegt. |

Quelle

Cholesterol Treatment Trialists’ Collaboration. Efficacy and safety of statin therapy in older people: a meta-analysis of individual participant data from 28 randomised controlled trials. Lancet 2019;393(10170):407-415

Apothekerin Christine Hahnenkamp

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