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Arzneimittel und Therapie
Auch späte Lysetherapie kann helfen
Bildgebung erweitert Zeitfenster bei ischämischem Schlaganfall
Gemäß der aktuellen Leitlinien wird bei ischämischem Schlaganfall nur dann eine medikamentöse Thrombolyse empfohlen, wenn das Auftreten der Symptome nicht länger als 4,5 Stunden zurückliegt. Nun liefert eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie starke Hinweise darauf, dass auch eine spätere Thrombolyse die neurologischen Beeinträchtigungen minimiert [1]. In EXTEND (Extending the Time for Thrombolysis in Emergency Neurological Deficits) wurden die Probanden innerhalb von 4,5 bis 9 Stunden nach einem ischämischen Schlaganfall mit Alteplase oder Placebo behandelt bzw. dann, wenn sie mit Symptomen eines Schlaganfalls erwachten. Betrachtet wurden Patienten, die ganz bestimmten Kriterien entsprachen: Mittels bildgebender Verfahren wurde festgestellt, wie viel des betroffenen Hirnareals bereits nekrotisiert und wie viel möglicherweise noch zu retten war. War das Verhältnis günstig, konnten die Patienten in die Studie eingeschlossen werden.
Der primäre Endpunkt wurde an Tag 90 nach dem Schlaganfall bewertet. Dieser war definiert als das Erreichen vollkommener Symptomfreiheit bzw. der Verbleib nicht relevanter Beeinträchtigungen. In der Alteplase-Gruppe erreichten 40 von 113 Patienten (35,4%) den primären Endpunkt, während dies in der Placebo-Gruppe nur bei 33 von 112 Patienten (29,5%) der Fall war. Der Unterschied war statistisch signifikant. Intrazerebrale Blutungen traten unter Alteplase jedoch häufiger auf als unter Placebo (6,2% vs. 0,9%). Allerdings wurden nur 73% der geplanten Patienten in die Studie eingeschlossen, was die statistische Aussagekraft der erhobenen Daten limitiert. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, weil Daten einer anderen Studie veröffentlicht wurden, die scheinbar das Ergebnis vorwegnahmen. In der sogenannten WAKE-UP-Studie profitierten Patienten von einer Alteplase-Behandlung, die mit Schlaganfall-Symptomen erwachten – allerdings lag der Schlaganfall hier vermutlich weniger als 4,5 Stunden zurück [2].
Nutzen überwiegt Risiken
Auch eine in der Fachzeitschrift „Lancet“ veröffentlichte Metaanalyse befasste sich mit dieser Fragestellung [3]. Berücksichtigt wurden drei Studien (darunter auch EXTEND) und insgesamt 414 Patienten, die mit Schlaganfall-Symptomen erwachten – dies waren rund 50% der Patienten – oder bei denen der Beginn des Hirninfarkts mehr als 4,5 Stunden zurücklag. Auch hier war mittels bildgebender Diagnostik zunächst die Durchblutungssituation bewertet worden. In der Alteplase-Gruppe erreichten 36% den primären Endpunkt „Beschwerdefreiheit“, in der Placebo-Gruppe nur 22%. Die Zahl intrazerebraler Blutungen war in der Alteplase-Gruppe zwar höher als unter Placebo, die Häufigkeit aber nicht größer als im üblichen Zeitfenster von bis zu 4,5 Stunden. Somit überwiegt aus Sicht der Studienautoren der Nutzen der Behandlung.
Präklinische Befunde zur Alteplase-Aktivität und klinische Erfahrungen hatten zum Schlachtruf „Time is brain“ geführt. Dies ist sicherlich nicht falsch, aber die guten Erfahrungen, die man zwischenzeitlich mit der mechanischen Thrombektomie zu einem späteren Zeitpunkt gemacht hat, und die nun vorliegenden Ergebnisse aus der bildgestützten späten Thrombolyse lassen den Rahmen des starren Zeitfensters zersplittern [4]. |
Quelle
[1] Ma H et al. Thrombolysis Guided by Perfusion Imaging up to 9 Hours after Onset of Stroke. N Engl J Med 2019;380(19):1795-1803
[2] Thomalla G et al. MRI-guided thrombolysis for stroke with unkown time of onset. N Engl J Med 2018;379(7):611-622
[3] Campbell BCV et al. Extending thrombolysis to 4.5 – 9h and wake-up stroke using perfusion imaging: a systematic review and meta-analysis of individual patient data. Lancet 2019; doi:10.1016/S0140-6736(19)31053-0
[4] Marshall RS. Image-Guided Intravenous Alteplase for Stroke – Shattering a Time Window. N Eng J Med 2019;380(19):1865-1866
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