- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 22/2019
- Glucosamin überrascht
Arzneimittel und Therapie
Glucosamin überrascht
Einnahme ist mit Herz-Kreislauf-Schutz assoziiert
Im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie wertete ein internationales Forscherteam Daten der UK-Biobank von 466.039 Personen aus, die zu Studienbeginn keine Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufwiesen. Die Teilnehmer wurden durchschnittlich über sieben Jahre beobachtet. Dabei wurde unter anderem erfasst, welche Nahrungsergänzungsmittel eingenommen wurden. Als Endpunkte werteten die Forscher aus, wie viele Teilnehmer im Studienverlauf eine koronare Herzkrankheit entwickelten, einen Schlaganfall erlitten oder aufgrund von kardiovaskulären Ursachen verstarben.
19,3% der Teilnehmer hatten Glucosamin-Präparate eingenommen. Genauere Angaben zur Dosierung und Dauer der Einnahme fehlen. Die Glucosamin-Konsumenten waren zu 64% weiblich und zeichneten sich im Vergleich zur Gesamtpopulation durch einen höheren Anteil an Nichtrauchern und einen geringeren Anteil an Diabetespatienten aus. Außerdem wiesen die Teilnehmer der Glucosamin-Gruppe höhere Blutdruck- und Cholesterol-Werte auf und nahmen tendenziell mehr Vitaminpräparate und nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) ein. Die beiden Gruppen wiesen jeweils ähnliche genetische Risikoscores für koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfall auf.
Bei Personen, die Glucosamin-Präparate eingenommen hatten, war das adjustierte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Nichtanwendern um 15% vermindert (Hazard-Ratio [HR] 0,85; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,80 bis 0,90).
Im Einzelnen war in der Glucosamin-Gruppe das Risiko
- für Schlaganfälle um 9% (HR 0,91; 0,83 bis 1,00),
- für koronare Herzkrankheit um 18% (HR 0,82; 0,76 bis 0,88) und
- für kardiovaskulären Tod um 22% (HR 0,78; 95%-KI 0,70 bis 0,87)
verringert.
Die Effekte für den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt aus Schlaganfall, KHK und kardiovaskulärem Tod waren über verschiedene Subgruppen konsistent – wie etwa bei Personen über und unter 55 Jahren, Rauchern oder Nichtrauchern. Unterschiede gab es bei den Diabetikern oder denjenigen, die NSAR einnahmen: Bei diesen Personengruppen verlor sich die Signifikanz für den Vorteil unter Glucosamin.
Antiinflammatorische oder „Low-carb“-Effekte?
Weshalb sich das Gelenkpräparat positiv auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken soll, dafür gibt es aus Sicht der Studienautoren verschiedene Hypothesen. Einerseits würden Tierversuche darauf hindeuten, dass Glucosamin durch Hemmung der Glykolyse die Effekte einer kohlenhydratarmen Ernährung simulieren würde. Und „low-carb“ werden beim Menschen präventive Effekte für Herz und Gefäße zugeschrieben.
Die zweite Theorie zielt auf mögliche antientzündliche Effekte des Glykosaminglykans ab: Dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) zufolge ist die Glucosamin-Einnahme mit niedrigeren Werten von C-reaktivem Protein (CRP), einem Marker für systemische Entzündungen, verbunden. Chronische Entzündungsprozesse scheinen bei der Pathophysiologie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenfalls eine Rolle zu spielen.
Allerdings räumen die Studienautoren ein, dass die Ergebnisse dadurch verzerrt sein könnten, dass die Glucosamin-Konsumenten insgesamt einen gesünderen Lebensstil führten.
Über einen kausalen Zusammenhang lässt sich derzeit nur spekulieren. Um zu beurteilen, ob sich Glucosamin-Präparate zur Kardioprävention eignen, dafür wären weitere Studien erforderlich. |
Quelle
Ma H et al. Association of habitual glucosamine use with risk of cardiovascular disease: prospective study in UK Biobank. BMJ 2019;365:l1628; doi: 10.1136/bmj.l1628
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.