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Die Seite 3
Frischer Wind
Die Europawahl am vergangenen Sonntag hat für einige Überraschungen gesorgt. Während in der gesamten EU rund jeder zweite Wahlberechtigte seine Stimme abgab, waren es in Deutschland sogar mehr als 60 Prozent. Seit 40 Jahren hatte man einen deutlichen Abwärtstrend beobachtet. Das zeigt, dass sich die Menschen wieder für die Belange ihrer EU und die Politik auf europäischer Ebene interessieren. Die hohe Wahlbeteiligung stärkt zudem die Bedeutung des Europäischen Parlaments. In einem basisdemokratisch geprägten Europa werden sich supranationale Organe wie die EU-Kommission, aber auch einzelne Staats- und Regierungschef hoffentlich keine Schnellschüsse und Alleingänge mehr erlauben können.
Mit dem großen Interesse an der Wahl sind die kritischen Stimmen der EU-Gegner aber natürlich nicht kleiner geworden. Doch zumindest hierzulande konnten Parteien mit einem deutlich antieuropäischen und rechtspopulistischen Kurs nicht in dem Maß zulegen, wie vorhergesagt und von manchen erwartet. In Frankreich und Italien dagegen triumphieren die Nationalisten und haben nun mächtige Verbündete in Polen und Ungarn sitzen.
Dann ist das Ergebnis der Europawahl in Deutschland natürlich auch ein Stimmungsbarometer für die aktuelle Große Koalition. Es ist das eingetreten, was zuvor schon prognostiziert worden war: Die Volksparteien sind die Verlierer. Weder SPD noch CDU können bei den Wählern derzeit punkten, vor allem die jüngere Generation fühlt sich von den beiden großen Altparteien nicht angesprochen. Vielleicht hat sich die hohe Wahlbeteiligung auch aus der Absicht ergeben, der politischen Führung in diesem Land einen ordentlichen Denkzettel zu verpassen.
Die Menschen wünschen sich eine Alternative und die scheint jetzt in der Farbe Grün zu liegen. Dabei geht es weniger um Personen und Positionen, als um eine andere Stimmung und ein neues Lebensgefühl. Das Thema Klimaschutz ist, neben der Flüchtlingspolitik, auf europäischer Ebene gerade dominierend. Wer weiß, ob das auch für die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen gilt oder für die Bundestagswahl – spätestens 2021.
Wie es nach dem großen Wahlwochenende tatsächlich weitergeht, steht aber nicht nur in den (europäischen) Sternen geschrieben. Es bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Jahren auch immer wieder darüber diskutiert wird, was die EU tatsächlich bewirken kann und welche Politikfelder dagegen Angelegenheiten ihrer Mitgliedstaaten sind und am besten bleiben sollten. Der allgemeine Kurs der EU wird sich nicht ändern. Man wird die Mitgliedstaaten immer weiter harmonisieren und zusammenwachsen lassen. Große Themen, wie der Klimaschutz, bedürfen eben gemeinsamer Strategien und Lösungen auf großer Bühne. Das erwarten die Menschen, so haben sie gewählt – auch im Vertrauen darauf, dass mit dem neuen Europaparlament ein frischer politischer Wind weht in ein Land, das zunehmend müde geworden ist von seiner Großen Koalition.
Armin Edalat
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