Arzneimittel und Therapie

Dritter IL-23-Antikörper gegen Psoriasis

Risankizumab (Skyrizi®) drängt auf den heiß umkämpften Markt

bj/cst | Die Liste der gegen Inter­leukin 23 (IL-23) gerichteten Antikörper zur Behandlung der Psoriasis wird immer länger: Nach Guselkumab (Tremfya®) und Tildrakizumab (Ilumetri®) kommt nun Risan­kizumab (Skyrizi®) in den Handel. Studienergebnisse legen nahe, dass mit diesem Wirkmechanimus auch eine Art „Gedächtnis­effekt“ verbunden sein könnte.

„Nichts ist alles“ – ein ungewöhnliches Motto für eine Arzneimittellaunch-Pressekonferenz. In der Dermatologie ergibt dieser Claim allerdings Sinn. Am 30. April 2019 stellte Abbvie seinen neuen Psoriasis-Antikörper Risankizumab (Skyrizi®) vor, der beim Zielkriterium „erscheinungsfreie Haut“ in der Vergleichsstudie Immvent bessere Ergebnisse als der hauseigene Blockbuster Adalimumab (Humira®) zeigte.

Foto: Abbvie
Der IL-23-Antikörper ist im Kühlschrank zu lagern. Jede Packung enthält zwei Fertigspritzen mit je 75 mg Risankizumab.

Ab 1. Juni in der Apotheke

Am selben Tag erhielt Risankizumab die europaweite Zulassung zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Ab dem 1. Juni soll der IL-23-Hemmer in Apotheken zur Verfügung stehen. Der monoklonale Immunglobulin-G1(IgG1)-Antikörper wird subcutan in einer Dosierung von 150 mg appliziert (zwei 75-mg-Injektionen): als Induktionsdosis jeweils in Woche null und Woche vier, gefolgt von einer Erhaltungsdosis alle zwölf Wochen.

Neu ist das Therapieprinzip nicht: Risankizumab ist der dritte Antikörper, der selektiv das Zytokin IL-23 hemmt, und bereits das elfte Biologikum zur Behandlung der Psoriasis (s. Tabelle). IL-23 soll beim Entzündungsgeschehen der Schuppenflechte jedoch eine Schlüsselrolle spielen. Das Zytokin aktiviert eine bestimmte Subpopulation von T-Zellen, TH1 und TH17, welche über den Tumornekrosefaktor α (TNF-α) die Inflammation bei Psoriasis triggern.

Tab.: Biologika zur Behandlung der mittelschweren bis schweren Psoriasis
Wirkstoff (Handelsname)
Target
Zulassung bei Psoriasis
Etanercept (Enbrel®, Biosimilars)
TNF-α
2004
Infliximab (Remicade®, Biosimilars)
TNF-α
2005
Adalimumab (Humira®, Biosimilars)
TNF-α
2007
Certolizumab pegol (Cimzia®)
TNF-α
2018
Ustekinumab (Stelara®)
IL-12/IL-23
2009
Secukinumab (Cosentyx®)
IL-17A
2015
Ixekizumab (Taltz®)
IL-17A
2017
Brodalumab (Kyntheum®)
IL-17
2017
Guselkumab (Tremfya®)
IL-23
2017
Tildrakizumab (Ilumetri®)
IL-23
2018
Risankizumab (Skyrizi®)
Il-23
2019

Ist IL-23 das bessere Target?

Welches Interleukin das wichtigste Target in der Behandlung der Schuppenflechte ist, darüber streiten sich die Pharmafirmen. So ist Novartis, Hersteller des IL-17A-Antikörpers Secu­kinumab (Cosentyx®), von „seinem Signalweg“ überzeugt. Laut Abbvie soll die IL-17A-Hemmung jedoch mit vermehrten Candida-Hautinfektionen verbunden sein. Außerdem ist der Pharmakonzern der Ansicht, dass es auf die selektive Hemmung ankommt. So zeigte sich Risankizumab in den beiden Vergleichsstudien Ultimma-1 und Ultimma-2 überlegen gegenüber Ustekinumab (Stelara®), das gleich­zeitig IL-23 und IL-12 hemmt.

„Erscheinungsfreiheit“ als Ziel

Gemessen wird die Wirksamkeit von Antipsoriatika anhand des PASI-Scores (s. Kasten). Eine PASI-90-­Reduktion entspricht einer Symptomverbesserung der Haut um 90% vom Ausgangswert. Ein PASI-100-Ansprechen entspricht einer vollständigen klinischen Remission, das heißt einer Erscheinungsfreiheit.

PASI-Score

Der PASI, Psoriasis Area Severity Index, bestimmt den Schweregrad der Schuppenflechte: leicht, mittelschwer, schwer. Rötung, Verdickung, Schuppung und die Ausdehnung der von Psoriasis betroffenen Hautfläche fließen als Bewertungsparameter mit ein. Dabei wird der Körper in vier Regionen unterteilt und die jeweiligen Hautläsionen bewertet.

Der PASI kann Werte zwischen 0 und 72 annehmen, wobei man bei Werten

  • ≤ 10 von leichter,
  • 10 bis 50 von mittelschwerer,
  • > 50 schwerer

Psoriasis spricht. Vor allem für mittelschwere und schwere Formen der Psoriasis erlaubt der PASI eine zuverlässige Einschätzung. Liegen leichte Formen der Schuppenflechte vor, gewährleistet der PASI keine sichere Einschätzung des Schweregrades mehr.

Neben den Vergleichsstudien mit Adalimumab und Ustekinumab wurde für Risankizumab auch eine placebokontrollierte Zulassungsstudie durch­geführt: Bei der sogenannten Immhance-Studie erhielten Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis entweder Risankizumab 150 mg oder Placebo in Woche null und Woche vier. Nach 16 Wochen erreichten unter Risankizumab 73% der Patienten ein PASI-90-Ansprechen, 47% eine komplett erscheinungsfreie Haut (PASI-100). Die mit Placebo thera­pierten Patienten hatten ein PASI­‑90-Ansprechen von 2%, eine komplett erscheinungsfreie Haut wurde mit Placebo bei 1% erreicht.

87% der Patienten, die unter Risankizumab in Woche 28 ein Ansprechen von erscheinungsfreier oder nahezu erscheinungsfreier Haut erreichten, konnten von der Wirkung auch noch nach einem Jahr (Woche 52) profitieren. Dabei könnte das sogenannte Entzündungsgedächtnis eine Rolle spielen, erläuterte Professor Kristian Reich, Facharzt für Dermatologie, auf der Pressekonferenz. IL-23 sei ein Überlebensfaktor für Entzündungs­zellen. Können die Patienten das Präparat also einfach absetzen, sobald sich das Hautbild normalisiert hat?

Noch wisse man nicht, welche Patientengruppen von diesem „Gedächtniseffekt“ besonders profitieren, heißt es aus dem Konzern. Abbvie beabsichtigt allerdings, dieses Phänomen durch weitere Forschung zu bestätigen. Exper­ten gehen davon aus, dass vor allem ein früher Behandlungsbeginn zu einer anhaltenden Symptomfreiheit beitragen könne. |

Quelle

Launch-Pressekonferenz von Abbvie zu Risankizumab (Skyrizi®) am 30. April 2019 in Berlin

Biologika zur Therapie der Psoriasis. arznei-telegramm 2019;50(4):33-36

Fachinformationen der genannten Präparate; Abruf am 20. Mai 2019

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