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Aus den Ländern
Aufbruchstimmung für die Digitalisierung
15. Zwischenahner Dialog: Klare Ziele für die „Zeitenwende“ formulieren / Sicht des Kunden beachten
Der Zwischenahner Dialog ist ein Diskussionsforum mit Gesprächspartnern aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Gastgeber Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, erklärte, die Apotheker seien so digital aufgestellt wie kaum ein anderer Beruf, aber „den digitalen Patienten wird es nicht geben“. Die Würde des Kranken und die sozialen Grundwerte müssten geachtet werden.
Vorbereiten auf die Zeitenwende
Karsten Glied, Geschäftsführer der Techniklotsen GmbH, Bielefeld, erklärte, „Schutzzäune“ hätten keinen Erfolg. Denn er erwartet einen „Zeitenwandel“ mit neuen Prozessen und einem komplett veränderten Nutzerverhalten. Glied zeigte sich erstaunt, dass sich die Politik sogar auf das Geschäftsmodell des Taxi-Dienstleisters Uber einlasse, obwohl dies auf Sozialdumping angelegt sei. Die Apotheken müssten sich daher für den Wettbewerb mit Amazon rüsten. Außerdem werde das E-Rezept zu grundsätzlichen Veränderungen führen. Glied mahnte, klare Ziele für die Digitalisierung zu formulieren und neue Angebote aus der Perspektive des Kunden zu sehen.
Neuer Schwung für die Telemedizin
Rechtsanwalt Dr. Joachim Kasper, Kassel, zeigte sich erfreut über den wenige Tage zuvor veröffentlichten Referentenentwurf für das „Digitale Versorgungs-Gesetz“ (DVG). Damit würden die rechtlichen Hindernisse für viele telemedizinische Angebote ausgeräumt, die auch nach der Änderung der ärztlichen Berufsordnungen zur Fernbehandlung noch bestehen. Die hohe Priorität der Politik für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zeigt sich auch in der Einrichtung eines neuen Referats im niedersächsischen Sozialministerium. Der Leiter dieses Referats, Dr. Christoph Seidel, betonte die großen Chancen, besonders für die sektorübergreifende Versorgung. Dr. Franz Joseph Bartmann, Sprecher des Landesverbandes Nord der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin, sieht im Engagement von Gesundheitsminister Jens Spahn gute Aussichten, den Zeitplan für die Telematik-Infrastruktur einzuhalten. Durch das neue DVG kämen „Apps auf Rezept“ mit extrabudgetärer Vergütung hinzu. Bartmann und Brigitte Käser, AOK Niedersachsen, empfahlen, besser kleine Maßnahmen nacheinander umzusetzen, als alles auf einmal anzugehen.
Vitabook: Bonus bei Rezeptbestellung
Viele Leistungen der geplanten elektronischen Patientenakte bietet die vitabook GmbH bereits mit ihrem „Gesundheitskonto“, das im Auftrag der Patienten angelegt wird. Markus Bönig, Gründer von „ordermed“ und Geschäftsführer der vitabook GmbH, bezeichnete die Sichtweise der Apothekerorganisationen insbesondere zum E-Rezept als „Riesendenkfehler“. Es gehe nicht darum, dass das Rezept in der gewünschten Apotheke lande. Die Aufgabe müsse früher ansetzen. Denn aus der Sicht des Patienten gehe es darum, „dass die leere Packung wieder voll wird“. Darum biete vitabook den Patienten seit Jahren an, rechtzeitig Wiederholungsrezepte beim Arzt zu bestellen. Hinzu komme ein finanzieller Bonus für den Patienten, der offenbar von der liefernden Apotheke und von der Pharmaindustrie finanziert wird. Die Arzneimittelhersteller würden profitieren, weil die bessere Adhärenz der Patienten die Umsätze erhöhe. Der Vermittlungsvorgang finde bereits statt, bevor ein Rezept existiere, erklärte Bönig. Darum falle dies nicht unter ein künftiges Verbot des Makelns von Rezepten, nicht unter die Arzneimittelpreisverordnung und nicht unter ein mögliches Boni-Verbot. Zudem handle vitabook im Auftrag des Patienten und sei im Gegensatz zu Arzt, Apotheker und Krankenkasse kein Beteiligter des Systems. Bönig betonte, dass Pflegeheimpatienten die Hauptzielgruppe sind, weil die Arbeit der Pflegeheime erleichtert werde.
Zeitersparnis für Heilberufler?
Dr. Uwe Lankenfeld, Landesverband Niedersachsen des Deutschen Hausärzteverbandes, stellte Möglichkeiten der Telemedizin für Hausärzte vor. Besonders gut sei die Verknüpfung der Telemedizin mit der „Versorgungsassistentin in Hausarztpraxen“ („Verah“), die in seiner Verantwortung tätig sei und die er gut einschätzen könne. Bei Bedarf könne sich der Arzt telemedizinisch zuschalten. Dennoch würden die meisten Ärzte die Telemedizin eher negativ bewerten, zumal die Krankenkassen auch das Projekt mit „Verah“ nicht abrechnen. Den Ärzten würden die Anreize fehlen. Zusätzliche Videosprechstunden würden hingegen mit anderen Aufgaben um die knappe Zeit des Arztes konkurrieren.
Dr. Daniel Overheu, Uniklinik Oldenburg, berichtete über die Notfallversorgung für Schiffe und die Offshore-Industrie. Dort könnten Rettungssanitäter mit telemedizinischer Unterstützung viele Situationen bearbeiten. Daraus würden auch Konsequenzen für die Notfallversorgung an Land gezogen. Das Projekt mit Gemeinde-Notfallsanitätern im Raum Oldenburg zeige, dass eine Instanz unterhalb des Notarzteinsatzes hilfreich sei. Viele Menschen könnten ihre Situation nicht selbst einschätzen und würden die Notfallambulanzen überfüllen. Es sei besser, wenn sich „jemand kümmert“ und den Fall einschätzt.
So war beim Zwischenahner Dialog viel über positive Beispiele und wenig über unerwünschte Effekte der Digitalisierung zu hören. Als Fazit sprach ABDA-Pressesprecher Dr. Reiner Kern, der die Veranstaltung moderierte, von einer starken Aufbruchstimmung mit einer schnelleren Gesetzgebung als sonst. Allerdings mahnte Groeneveld, die Digitalisierung könne nur ein Mittel zum Zweck sein, und fragte: „Welches Problem wollen wir eigentlich lösen?“ Vieles sei nur „Convenience für die Patienten“. Das Ziel müsse sein, die Zeitressourcen der Heilberufler besser zu nutzen. |
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