Aus den Ländern

Viele Ansätze gegen ein großes Problem

Eppendorfer Dialog widmete sich dem Thema Antibiotikaresistenzen

HAMBURG (tmb) | Beim 23. Eppen­dorfer Dialog am 26. März 2019 in Hamburg ging es um Antibiotikaresistenzen. Politisch gibt es dazu kaum Kontroversen und doch bleibt die Umsetzung wirksamer Gegenmaßnahmen schwierig. Fünf Referenten mit unterschiedlichem Hintergrund zeigten verschiedene Ansätze zur Problemlösung. Apotheker waren dabei nicht vertreten.

Derzeit werden in Deutschland etwa 1000 bis 4000 Todesfälle pro Jahr den Antibiotikaresistenzen zugeschrieben. Das Thema sei in der Politik längst angekommen, versicherte Gitta Connemann, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Es gebe dazu fast keinen Streit, vielmehr bestehe Konsens über die Deutsche Antibiotikaresistenz­strategie (DART), aber das Problem liege in der Umsetzung. Beispiels­weise würden Maßnahmen zur Unterbrechung von Infektionsketten in den Niederlanden mit Quarantänebetten und Transparenz über Infektionen konsequenter umgesetzt. Letztlich gehe es darum, ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen, erklärte Connemann.

Foto: tmb/DAZ
Antibiotikaresistenzen vermeiden, aber wie? Das diskutierten (v. l.) Dr. Rainer Höhl, Ute Leonhardt, Prof. Dr. Karin Kraft, Prof. Dr. Alena Buyx, Gitta Connemann, Prof. Dr. Achim Jockwig (Moderator).

Problem Verordnung

Als Beispiel für einen Ansatz zur Vermeidung überflüssiger ambulanter Antibiotikaverordnungen stellte Ute Leonhardt vom Verband der Ersatzkassen das Projekt Resist der Ersatzkassen und einiger Kassenärztlicher Vereinigungen vor. Es konzentriert sich auf den Umgang mit Atemwegsinfekten. Dabei erhalten 2460 Ärzte Online-Schulungen, insbesondere zur Kommunikation mit Patienten, und Informationsmaterial für ihre Patienten. Ergebnisse werden Ende März 2020 erwartet, erste Zwischenergebnisse seien er­mutigend.

Dr. Rainer Höhl, Oberarzt am Institut für Klinikhygiene des Klinikums Nürnberg, setzt primär auf den richtigen Umgang mit Antibiotika als Teil einer „Antimicrobial Stewardship“. Dazu gehörten Hygienemaßnahmen sowie die richtige Anwendungsdauer und Dosierung. Denn Resistenzen entstünden bei höheren Konzentrationen, als sie für die erwünschte Wirkung nötig seien. Erfreu­licherweise habe auch bei der Anwendungsdauer ein Umdenken stattgefunden. Es sei nicht generell zu empfehlen, Antibiotika­packungen aufzubrauchen. Wenn es den Patienten besser gehe, sei es in vielen Fällen angebracht, den Arzt zu kontaktieren und eine mögliche frühere Beendigung der Einnahme zu besprechen. Höhl betonte, dass die Patienten über­wiegend resistente Erreger ins Krankenhaus mitbringen und nicht dort erwerben.

Als Beispiel für eine aussichtsreiche Maßnahme berichtete Höhl über Blutspiegeluntersuchungen an über 1000 Krankenhauspatienten. Fast die Hälfte der Dosierungen seien daraufhin geändert – allerdings etwas öfter erhöht als gesenkt – worden. Der Moderator des Eppendorfer Dialogs, Prof. Dr. Achim Jockwig, beklagte, dass deutsche Krankenhäuser weder für Blutspiegelbestimmungen noch für das Vorhalten von Quarantäne­betten honoriert würden.

Option Phytopharmaka

Als Alternative zum Antibiotikaeinsatz in manchen Fällen beschrieb Prof. Dr. Karin Kraft, Stiftungsprofessorin für Naturheilkunde an der Universität Rostock, die Phytotherapie. Viele Pflanzeninhaltsstoffe seien durch ihren unspezifischen Wirkungsmechanismus breit wirksam. Sie verwies auf altbekannte Arzneipflanzen, die auch in modernen Leitlinien empfohlen würden. Als zukunftsweisende Idee präsentierte sie den Ansatz, ätherische Öle zusammen mit Antibiotika einzusetzen, um eine synergistische Wirkung zu erzielen.

Antibiotika rationieren?

Prof. Dr. Alena Buyx, Medizinethikerin an der Universität München und Mitglied im Deutschen Ethikrat, konstatierte, dass alle Rationalisierungsmaßnahmen ausgeschöpft werden müssten. Doch angesichts der schwierigen Umsetzung müsse rechtzeitig diskutiert werden, ob und wie Antibiotika auch rationiert werden müssten. Einige Länder wie Norwegen seien da bereits „gnadenlos“. Es gehe darum, Antibiotika gemäß Leitlinien mit Verzögerung oder nur in schweren Fällen zu verordnen. Damit würden höhere Komplikationsraten und sogar eine Erhöhung des relativen Mortalitätsrisikos um ein Prozent in Kauf genommen. Dem stehe das kollektive Interesse gegenüber, die Wirksamkeit von Antibiotika langfristig zu erhalten. Die ethisch entscheidende Frage sei, wann der kollektive Nutzen den individuellen Vorteil überwiegt. Höhl entgegnete jedoch, dass ein geringerer Antibiotikaverbrauch nicht immer zu weniger Resistenzen führt. |

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