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„Es muss an der Substanz gelegen haben“
Heilpraktiker Klaus R. wegen Todesfällen durch 3-Brompyruvat vor Gericht
Im August 2016 wurde der Tod von drei Krebspatienten bekannt, die bei dem Heilpraktiker Klaus R. in Behandlung waren. Die Patienten waren kurz nachdem sie eine Infusion mit dem Mittel 3-Brompyruvat (3BP) erhalten hatten, verstorben. R. hatte die Infusionen selbst hergestellt. Am vergangenen Freitag begann nun die Hauptverhandlung gegen den Heilpraktiker.
R. soll bei seinen Patienten im Regelfall mehrwöchige Infusionen mit 3-Brompyruvat vorgenommen haben. Auf seiner Homepage bewarb er die Substanz als das „aktuell beste Präparat zur Tumorbehandlung“. 3-Brompyruvat greift in den Glucosestoffwechsel ein, was einige Forscher mit der Hoffnung verbinden, dass es zur Behandlung von Krebszellen geeignet sein könnte, die vermehrt Glucose verstoffwechseln. Allerdings besitzt die Substanz keine Zulassung als Arzneimittel und ist bislang auch nicht am Menschen erforscht. Die Staatsanwältin Rahel Plass bezeichnete 3-Brompyruvat als „wissenschaftlich und medizinisch unbekannte Substanz“. Bekannt ist aus Tierversuchen jedoch – und das wusste auch Klaus R. – dass 3-Brompyruvat in höherer Dosierung toxisch ist.
Herstellung entsprach nicht pharmazeutischen Regeln
Am ersten Verhandlungstag ging es vor allem um den Herstellungsprozess der Infusionslösung. R. beschrieb, dass er das von einer Firma aus den USA bezogene Pulver mit einem Dosierlöffel auf einer Feinwaage abgewogen, in Kochsalz aufgelöst, nanofiltriert und über eine Spritze in Infusionsflaschen gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete diese Vorgehensweise als ungeeignet. Mit ihr sei das Zuwiegen von Kleinstmengen nicht möglich, die Waage habe daher keine zuverlässigen Werte angezeigt. Daher entspreche die Herstellung nicht den anerkannten pharmazeutischen Regeln. Nach Ansicht der Anklage führte dies dazu, dass in sichergestellten Behältern das drei- bis siebenfache der eigentlich geplanten Dosis gefunden wurde.
Eine Patientin reagierte laut Anklage am Morgen nach der Infusion auf Ansprache durch ihre Tochter unverständig. Am Nachmittag hatte sie einen Krampfanfall, Ärzte diagnostizierten ein ausgeprägtes Hirnödem. Bei anderen Patienten kam es teils zu ähnlichen Komplikationen. Der Angeklagte hätte die Überdosierungen erkennen und verhindern müssen, erklärt die Staatsanwältin. Er habe vorhersehen können, dass Überdosierungen „erhebliche Schäden“ mit sich bringen: Er habe eine besondere Sorgfaltspflicht gehabt, da 3-Brompyruvat nicht zugelassen ist.
Angeklagter kann sich Überdosierung nicht erklären
Es täte ihm sehr leid, was passiert ist, betonte der Heilpraktiker – er könne sich nicht erklären, wie es zu den Zwischenfällen kam. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. „Es muss an der Substanz gelegen haben“, erklärte R. Insgesamt habe er aus den USA zehn Lieferungen 3-Brompyruvat erhalten. Der amerikanische Lieferant sei sehr vertrauenswürdig gewesen. Jedoch waren die letzten vier Flaschen, die er einen Tag vor den tragischen Zwischenfällen erhielt, anders gewesen. Bis auf diese Änderung des Produkts sei alles andere gleich gewesen. Die Überdosierungen seien „das, was ich nicht verstehe“, so R. Er sei froh, wenn er im Zuge des Prozesses eine klare Ansage bekäme, was passiert ist.
Strengere Regeln für Heilpraktiker
Derzeit sind in dem Verfahren neun weitere Verhandlungstermine geplant. Als Reaktionen auf den Fall haben Patientenschützer strengere Regeln für den Berufsstand der Heilpraktiker gefordert. So sollen Heilpraktiker zur Herstellung von rezeptpflichtigen Arzneimitteln künftig eine Genehmigung einholen – bislang mussten sie dies nur der zuständigen Behörde anzeigen. |
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