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Arzneimittel und Therapie
ASS in der Primärprävention vor dem Aus?
Auch in der Gesamtschau zeigt sich kein Nutzen
Die Gabe von ASS zur Primärprävention bei Personen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen ist umstritten. Einige Leitlinien sprechen sich dagegen aus, andere befürworten die ASS-Gabe bei Hochrisikopatienten, beispielsweise bei Diabetes oder wenn Herz-Kreislauf-Erkrankungen drohen. Trotz der divergierenden Empfehlungen wird ASS im klinischen Alltag häufig auch dann eingesetzt, wenn keine kardiovaskulären Grunderkrankungen vorliegen – in der Hoffnung, dadurch Myokardinfarkte und Todesfälle zu verhindern. Da die Grundlagen hierfür teilweise auf Studien mit heterogenen Populationen basieren, wurde der Nutzen von ASS in der Primärprävention kürzlich in mehreren großen Studien gezielt untersucht (s. Kasten). Nun erfolgte eine ergänzende Neueinschätzung zur Wirksamkeit und Sicherheit von ASS bei Menschen ohne kardiovaskuläre Vorerkrankungen.
Der aktuellen Auswertung lagen elf Studien zugrunde, deren 157.248 Probanden keine kardiovaskulären Erkrankungen aufwiesen. Ein Teil von ihnen hatte ASS zur Primärprophylaxe erhalten, der andere Teil ein Placebo bzw. keine Medikation. Die mittlere Beobachtungsdauer lag bei 6,6 Jahren. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt war die Gesamtmortalität, der primäre Sicherheitsendpunkt das Auftreten schwerwiegender Blutungen. Die Auswertung erbrachte unter anderem folgende Ergebnisse: Die Gesamtmortalität unterschied sich nicht signifikant, sie lag in der ASS-Gruppe bei 4,6% und in der Kontrollgruppe bei 4,7% (Risikoverhältnis [RR] 0,98; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,93 bis 1,02). Betrachtete man bestimmte Parameter gesondert, so ergab sich auch für die Sterblichkeit aufgrund einer kardiovaskulären Erkrankung oder eines ischämischen Schlaganfalls kein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Myokardinfarkte traten in der ASS-Gruppe hingegen weniger häufig auf als in der Vergleichsgruppe (1,9% vs. 2,2%; RR 0,82; 95%-KI 0,71 bis 0,94; p = 0,006,); allerdings lag bei diesem Parameter eine große Heterogenität innerhalb der ausgewerteten Studien vor.
Jüngste Studien zur Primärprävention mit ASS
In der ARRIVE-Studie war niedrig dosierte ASS bei Probanden mit einem moderaten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse in der Prävention ischämischer, kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse nicht besser wirksam als Placebo und mit einem erhöhten Risiko gastrointestinaler Blutungen verbunden (s. DAZ 37/2018).
In der ASCEND-Studie reduzierte eine Primärprophylaxe mit 100 mg ASS zwar signifikant das Risiko kardio- und zerebrovaskulärer Ereignisse bei Patienten mit Diabetes mellitus, führte aber ebenfalls zu einer signifikanten Erhöhung schwerwiegender gastrointestinaler Blutungen (s. DAZ 37/2018).
In der ASPREE-Studie wurde gezeigt, dass auch ältere gesunde Menschen nicht von einer ASS-Prophylaxe profitieren – weder im Hinblick auf vaskuläre Endpunkte noch in Bezug auf die Gesamtsterblichkeit, die Entwicklung einer Demenz oder funktionelle Einschränkungen im Alltag. Auch hier war das Risiko für schwere Blutungen erhöht (s. DAZ 39/2018).
Cave: schwere Blutungen
Unter der Einnahme von ASS kam es jedoch häufiger zu schweren Blutungen (1,8% vs. 1,2%; RR 1,47; 95%-KI 1,31 bis 1,65; p < 0,0001). Auch die Inzidenz intrakranieller Blutungen war höher als in der Vergleichsgruppe (0,4% vs. 0,3%; RR = 1,33; 95%-KI 1,13 bis 1,58; p = 0,001).
Somit wurde einmal mehr bestätigt, dass der Nutzen einer kardiovaskulären Primärprävention mit ASS äußerst zweifelhaft ist. Einem moderaten Vorteil in kardiovaskulärer Hinsicht standen in allen jüngeren Studien erhöhte Blutungskomplikationen gegenüber. Den Studienautoren zufolge sollte daher der routinemäßige Einsatz von ASS zur Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen überdacht werden. |
Quelle
Mahmoud AN et al. Efficacy and safety of aspirin for primary prevention of cardiovascular events: a meta-analysis and trial sequential analysis of randomized controlled trials. Eur Heart J 2019;40(7):607-617
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