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Recht
Urlaub ist nicht gleich Urlaub
Darf ein Arbeitgeber Urlaubsansprüche aus der Elternzeit kürzen?
Aus rechtlicher Sicht ist zunächst anzumerken, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit lediglich ein zeitlich befristetes Ruhen des Arbeitsverhältnisses bedeutet. Auch wenn das Arbeitsverhältnis an sich also fortbesteht, führt das Ruhen zur Aussetzung der wechselseitigen Pflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das betrifft insbesondere die Vergütung des Mitarbeiters und im Gegenzug hierzu seine Pflicht zur Arbeitsleistung.
Eine der häufigsten Anfragen im Beratungsalltag ist die urlaubsrechtliche Bewertung der Elternzeit. Denn viele Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer sind sich nicht der Tatsache bewusst, dass die Entstehung von Urlaubsansprüchen zunächst nur an die Bedingung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses geknüpft ist. Folglich stehen Arbeitnehmern grundsätzlich auch für die Zeiten einer beantragten Elternzeit Urlaubsansprüche zu. Der deutsche Gesetzgeber stellt jedoch den Arbeitgebern mit der Vorschrift des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG ein Instrument zur Verfügung, mit dem diese entstandenen Urlaubsansprüche durch formlose Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer wieder gekürzt werden können. Konkret erlaubt § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG die Kürzung des Jahresurlaubs um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat Elternzeit. Ausgeschlossen ist die Kürzungsmöglichkeit allerdings nach § 17 Abs. 1 S. 2 BEEG, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber Teilzeit während der Elternzeit leistet.
Einfluss durch Europa
Der Urlaubsanspruch an sich beschäftigt nicht nur regelmäßig die deutschen Gerichte, sondern erfährt auch einen starken Einfluss durch die europäische Rechtsprechung. Denn es gelten nicht nur die allgemeinen Grundsätze des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), sondern auch die Vorgaben auf europäischer Ebene durch Berücksichtigung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie). Eines der wohl bekanntesten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Urlaubsrecht ist die sogenannte Schultz-Hoff-Entscheidung aus dem Jahr 2009 (Urt. v. 20. Januar 2009, Az. C-350/06) zum Verfall von Urlaubsansprüchen bei langfristiger Erkrankung. Die sehr weitreichenden Auswirkungen dieser Entscheidung führten dann nach berechtigter Kritik dazu, dass der EuGH in der sogenannten KHS-Entscheidung seine vorher getroffenen Aussagen relativierte (Urt. v. 22. November 2011, Az. C-214/10) und die grenzenlose Übertragung von Urlaubsansprüchen beschränkte.
Angesichts der tendenziell eher arbeitnehmerfreundlichen Gerichtsentscheidungen ist es daher nicht ganz verwunderlich, dass sich die Gerichte auch mit der Kürzungsmöglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG und der Vereinbarkeit der Vorschrift mit europäischem Recht beschäftigen mussten.
Aktuelle Entscheidung
In einem kürzlich höchstrichterlich entschiedenen Fall klagte eine ehemalige Assistentin der Geschäftsleitung gegen ihren früheren Arbeitgeber und verlangte die Abgeltung von Urlaubsansprüchen, die u. a. während der Elternzeit entstanden waren. Die Klägerin hatte mehrere Monate nach Beendigung der Elternzeit selbst die Kündigung gegenüber ihrem Arbeitgeber erklärt und vertrat die Auffassung, dass aufgrund des Umfangs des Urlaubsanspruchs bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keine Arbeitsleistung mehr von ihr zu erbringen sei. Der frühere Arbeitgeber stellte sich auf den Standpunkt, dass Urlaubsansprüche für Zeiten der beantragten Elternzeit aufgrund einer Kürzungserklärung im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG nicht mehr bestünden, und lehnte entsprechend die Gewährung bzw. die Abgeltung dieses Anspruchs ab. Die Klägerin argumentierte im Gegenzug mit der Europarechtswidrigkeit der deutschen Vorschrift.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun in einem aktuellen Urteil (Urt. v. 19. März 2019, Az. 9 AZR 362/18) die Auffassung des beklagten Arbeitgebers und damit auch die Entscheidung aus der Vorinstanz bestätigt (Landesarbeitsgericht Hamm, Urt. v. 31. Januar 2018, Az. 5 Sa 626/17). Der Senat machte deutlich, dass er keine Anhaltspunkte für die Europarechtswidrigkeit von § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG sehe. Aus Sicht des BAG verstößt die Kürzung des Urlaubsanspruchs weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Das Unionsrecht verlange gerade nicht, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.
Schützenhilfe durch den Europäischen Gerichtshof
Die deutschen Richter konnten sich auch auf eine Entscheidung des EuGH aus jüngerer Zeit berufen, die sich mit dem Urlaubsanspruch einer rumänischen Richterin während der Elternzeit befasst (Urt. v. 4. Oktober 2018, Az. C-12/17). In dieser Entscheidung betonte der EuGH, dass während des Mutterschutzes oder einer Krankheit entstandene Urlaubsansprüche nicht zwangsweise mit Urlaubsansprüchen, die während der Elternzeit entstünden, gleichzusetzen seien. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sei nämlich – im Gegensatz zur Elternzeit – grundsätzlich nicht vorhersehbar. Auch der Mutterschutz sei nicht mit der Inanspruchnahme von Elternzeit vergleichbar, da diese Zeit hauptsächlich dem Schutz der körperlichen Verfassung der Frau während und nach ihrer Schwangerschaft diene.
Last but not least – ein Praxistipp
Auch wenn das Gesetz keine konkrete Form für die Kürzungserklärung vorschreibt, hat sich eine schriftliche Mitteilung an den Arbeitnehmer, zeitnah nach Einreichung des schriftlichen Elternzeitantrags, in der Praxis bewährt. Es sollte vor allem darauf geachtet werden, dass der beantragte Zeitraum der Elternzeit und der Name des Kindes, für das Elternzeit in Anspruch genommen wird, konkret benannt werden. Das Schreiben sollte dann im Nachgang beweisbar dem Mitarbeiter zugehen und zwar zeitlich vor einer etwaigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine nach diesem Zeitpunkt abgegebene Erklärung führt im schlimmsten Fall dazu, dass die Urlaubsansprüche nicht mehr rechtswirksam gekürzt werden können.
Trotz dieser aktuellen Entscheidung des BAG ist festzuhalten, dass die tägliche Beratungspraxis weiterhin erkennen lässt, wie wenig bekannt die rechtlichen Aspekte der Elternzeit und insbesondere die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG in der Arbeitswelt der Apotheken noch sind.
Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass das BAG am Tag der hier besprochenen Entscheidung über den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub entschied, wenn in einem Kalenderjahr durchgehend unbezahlter Sonderurlaub gewährt wurde (Urt. v. 19. März 2019, Az. 9 AZR 315/17). Der Senat gibt in dieser Entscheidung explizit seine frühere Rechtsprechung auf und möchte wohl einen grundlegenden Wandel des bisher bestehenden Verständnisses von Urlaub vollziehen, indem er hier einen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, mangels einer Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, verneint.
Man darf sicherlich gespannt sein auf die weitere zukünftige nationale bzw. europäische Rechtsprechung zum Thema Urlaub. |
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