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Beratung
Wenn’s nicht rutscht …
Hilfsmittel für Patienten mit Dysphagie
Schluckstörungen sind häufig bei älteren pflegebedürftigen Menschen ein Thema. Doch sie können auch bei Jüngeren auftreten, etwa nach einem Schlaganfall oder im Rahmen einer Grunderkrankung wie Morbus Parkinson oder multipler Sklerose. Viele Dysphagien sind arzneimittelinduziert. So treten beispielsweise bei Langzeiteinnahme von Neuroleptika wie beispielsweise Risperidon, Haloperidol oder Olanzapin Bewegungsstörungen (Spätdyskinesien) auf, von denen auch die Mund- und Zungenmuskeln betroffen sein können. Auch die unter Anticholinergika beobachtete Mundtrockenheit ruft häufig Probleme beim Schlucken hervor, da die Nahrung nicht optimal eingespeichelt werden kann. Myopathien, die als Nebenwirkung unter anderem bei Corticosteroiden, Fibraten und Statinen auftreten, können ebenfalls zu Schluckstörungen führen. Darüber hinaus kann es im Zusammenhang mit der Anwendung von Botulinumtoxin (z. B. Botox®) zur Faltenglättung zu Beeinträchtigungen des Schluckvorgangs kommen, da bei diesen Medikamenten Mundtrockenheit und Muskelschwäche in der Gesichtsmuskulatur als Nebenwirkung beschrieben sind. Außerdem können Dysphagien als Folge einer Operation oder Bestrahlung in der Kopf-Hals-Region auftreten.
Folgen von Dysphagien
Dysphagien können verschiedene, teils akut lebensbedrohliche, Folgen haben. Gelangen beispielsweise bei einem gestörten Schluckvorgang Speisen oder Getränke in die Luftröhre, kann eine Lungenentzündung (Aspirationspneumonie) die Folge sein. Außerdem droht eine Mangelernährung. Denn wenn das Schlucken Schwierigkeiten bereitet, mit einem unangenehmen Kloßgefühl im Hals oder sogar mit Schmerzen verbunden ist, nehmen Betroffene häufig nur unzureichend Nahrung auf.
Informationen im Internet
Unter www.geriasan.de finden sich zahlreiche Informationen zum Thema Dysphagie, unter anderem
- zu empfehlenswerten Lebensmitteln
- zur Medikamenteneinnahme
- zu empfehlenswerten Haltungs- und Schluckpositionen
- ein Lehrfilm über Dysphagie
- eine Patientenbroschüre
- ein Verzeichnis der Schluckambulanzen in Deutschland
- Links zu Selbsthilfegruppen
www.geriasan.de ist eine Internetpräsenz der InfectoPharm Arzneimittel und Consilium GmbH für Patienten, Pflegepersonal und Fachkreise zum Thema Schluckstörungen.
Unterstützung durch die Apotheke
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie listet in ihrer Leitlinie „Neurogene Dysphagien“ als wichtigste Therapieoptionen chirurgische Eingriffe (z. B. Einsetzen einer geblockten Trachealkanüle), schlucktherapeutische Übungen (durch speziell ausgebildete Sprachtherapeuten) und verschiedene pharmakotherapeutische Interventionen auf. So kann beispielsweise bei Schlaganfall-Patienten mit Dysphagie im Einzelfall Amantadin verabreicht werden, um einer Aspirationspneumonie vorzubeugen. Zur Prophylaxe dieser schwerwiegenden Komplikation wird außerdem auf die Bedeutung einer optimalen Mundhygiene der Betroffenen sowie einer Händedesinfektion der Kontaktpersonen verwiesen.
Einige Dysphagie-Patienten leiden außerdem unter Schluckauf. Bei schweren Symptomen empfiehlt die Leitlinie die Kombination aus Domperidon, Baclofen und einem Protonenpumpenhemmer. Letztgenannte Wirkstoffe sind außerdem hilfreich gegen Refluxsymptome, die die Dysphagie verstärken können. Auch Gabapentin oder Antipsychotika haben sich in Studien als wirksam gegen Dysphagie erwiesen. Gegen ausgeprägte Mundtrockenheit kann Pilocarpinhydrochlorid in Tablettenform wirksam sein, sofern noch eine Restspeichelproduktion erfolgt. Neben pharmakologischen Interventionen empfiehlt die Leitlinie adaptive Verfahren. Diese umfassen diätetische Anpassungen sowie spezielle Ess-, Trink- und Einnahmehilfen. In diesem Bereich kann auch die Apotheke durch Beratung und gezielte Produktempfehlung Unterstützung bieten.
Hilfsmittel zur leichteren Tabletteneinnahme
Bei Tabletten bzw. Kapseln sollte geprüft werden, ob sie sich zerkleinern bzw. öffnen lassen, ohne dass sich die Wirkung verändert. Das Pulver kann beispielsweise mit Apfelmus verrührt eingenommen werden. Doch auch die Einnahme gemörserter Tabletten birgt das Risiko für eine Aspirationspneumonie. Manchmal steht alternativ eine flüssige Darreichungsform zur Verfügung.
Eine weitere Möglichkeit ist, große und/oder schwer schluckbare Tabletten direkt vor der Einnahme mit einer glatten Hülle zu überziehen. Diese Option bietet Medcoat® Schluckhilfe (Hennig Arzneimittel). Der Überzug macht die Tablette bzw. Kapsel nicht nur gleitfähiger, er schmeckt auch nach Zitrone und überdeckt dadurch einen bitteren Eigengeschmack der Arzneiform. Gegebenenfalls kann die Apotheke durch geeignetes Bildmaterial (siehe Kasten „Informationen im Internet“) Patienten zu Haltungs- und Schluckpositionen beraten, da auf diesem Gebiet noch zahlreiche Irrtümer bestehen. Beispielsweise ist die Annahme verbreitet, dass ein Zurücklehnen des Kopfes das Schlucken erleichtert. Das Gegenteil ist der Fall, denn durch diese Haltung wird die Speiseröhre verengt. Tipps zur leichteren Einnahme von Arzneimitteln zeigen Abb. 1 und Abb. 2.
Trinknahrung
Von Schluckstörungen Betroffene nehmen häufig nicht genügend Nahrung zu sich. Hier kann die Empfehlung von teilbilanzierten Trinknahrungen (z. B. von Hipp®) als Ergänzung zur normalen Kost hilfreich sein. Einige Produkte wurden speziell für Dysphagie-Patienten entwickelt, sie besitzen eine cremeartige Konsistenz (z. B. Fresubin® Dessert Fruit, Forticreme®). Ist den Betroffenen der Geschmack zu „künstlich“, können die Produkte problemlos mit vielen Lebensmitteln gemischt werden.
Andicken und Pürieren
Personen mit Schluckstörungen haben Angst, sich beim Trinken zu verschlucken. Für diese Fälle sind Andickmittel hilfreich (z. B. Thick & Easy®, Multi Thick®). Wenn auch der Kauvorgang beeinträchtigt ist, greifen Menschen mit Schluckstörungen oft zum Pürierstab. Doch wenn dann anstelle eines leckeren Würstchens oder Hähnchenschenkels nur Brei auf dem Teller liegt, stellt sich schnell Frustration ein. Eine Alternative sind spezielle Silikonformen (z. B. Pürform, www.puerform.de), die dem Püree sein ursprüngliches Aussehen näherungsweise zurückgeben und damit die Freude am Essen wieder erhöhen können (Abb. 3). Dabei wird die pürierte Nahrung mit einem Gelbildner gemischt, in eine Silikonform gefüllt, einige Stunden eingefroren und zum Essen wieder erwärmt. Neben der diätetischen Anpassung der Nahrung durch Andicken oder Pürieren kann schon die richtige Kopf- und Körperhaltung beim Essen helfen. Möglichst aufrecht den Kopf leicht nach vorne beugen und das Kinn nach unten senken.
Trinkhilfen
Es gibt zahlreiche Anbieter von speziellen Tassen und Bechern für Dysphagie-Patienten. Dazu zählt eine Dysphagie-Tasse (Abb. 4). Sie ist so geformt, dass die Flüssigkeit in die Mitte des Mundes geleitet wird. Dank der Aussparung für die Nase muss der Kopf beim Trinken nicht zurückgelegt werden. Es gibt auch spezielle Sicherheitstrinkbecher, die jedes Mal, wenn sie in aufrechter Position stehen, eine definierte kleine Flüssigkeitsmenge automatisch abmessen. So wird ein Verschlucken auch im Falle von Schluckstörungen wirksam unterbunden (z. B. RiJe® Dysphagie Sicherheitstrinkbecher, www.alltagshilfen24.com).
Esshilfen
Für Dysphagie-Patienten sind auch verschiedene Löffel im Angebot, die das Schlucken positiv beeinflussen, wie beispielsweise der Senso® Dysphagie-Löffel. Er ist an der Unterseite mit einer Gitterstruktur ausgestattet, die die Mundnerven stimulieren sollt. Der Dysphagielöffel Logo-Spoon®(Abb. 5) soll die physiologischen und anatomischen Gegebenheiten fördern und so das Anreichen der Nahrung erleichtern. Der Flexy-Löffel (Abb. 6) kann beim Schlucken im Mund behalten werden. Der Löffel passt sich dem Gaumen an – die Nahrung wird seitlich in die Mundhöhle geführt, wodurch der Schluckreflex ausgelöst wird. Zudem muss bei ihm die Nahrung nicht mit geschlossenen Lippen vom Löffel gestreift werden wie bei einem herkömmlichen Löffel. Er kann mit der Zunge umgestülpt werden. |
Quelle
Neurogene Dysphagien. S1-Leitlinie, Hrsg. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Stand Januar 2015, www.dgn.org
Zerres M. Wenn der Bissen im Hals stecken bleibt. Dtsch Apoth Ztg 2016;12:1098-1102
Hanke F et al. Konsensuspapier – Bedarfsgerechte Medikation bei neurologischen und geriatrischen Dysphagie-Patienten MMW-Fortschritte der Medizin 2014; Originalien Nr. II (156):64–71
Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden, 4. Aufl. 2016, Deutscher Apotheker Verlag
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