Kongresse

Vor einem Umbruch …

Bericht vom 10. Kooperationsgipfel des BVDAK

MÜNCHEN (diz) | Die Digitalisierung, die Big Player wie Amazon, Google & Co., die großen Versender – was kommt da auf die Apotheken zu und wie kann sie sich in diesem Markt behaupten? Fragen, mit denen sich der Kooperationsgipfel des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) am 7. und 8. Februar befasste. Dr. Stefan Hartmann, Vorsitzender des BVDAK, zeigte sich überzeugt: Der Apothekenmarkt müsse sich dringend überdenken. Telemedizin und ­Telepharmazie stehen in den Startlöchern, sie werden kommen.
Foto: DAZ/diz
Dr. Stefan Hartmann (li.), Vorsitzender des BVDAK, und Klaus Hölzel (Redaktionsbüro Apotheke und Kommunikation) führten durch den 10. Kooperationsgipfel.

Rund 460 Teilnehmer – Vertreter von Apothekenkooperationen, pharmazeutischer Industrie, pharmazeutischem Großhandel und Warenwirtschaftshäusern – nutzten den Kooperationsgipfel, der zum zehnten Mal stattfand, um sich den Zukunftsfragen zu stellen, und als Plattform zum Networking. Hartmann rief dazu auf, die Apotheken sollten sich für die Herausforderungen der Zukunft wappnen: „Wir müssen zur Speerspitze der Entwicklung gehören, sonst werden wir weiterentwickelt.“ Mit Sorge schaut er auf die Aktivitäten des Versenders Amazon, der auch im Arzneimittelbereich Fuß fassen will. Die Chancen der stationären Apotheken lägen darin, was Amazon nicht leisten könne, nämlich in der persönlichen Kundenberatung, in der Herstellung von Rezepturen und auch in neuen Feldern wie beispielsweise dem Impfen in Apotheken. Außerdem sollten sich alle Vor-Ort-Apotheken Deutschlands so rasch wie möglich untereinander vernetzen. Es mache wenig Sinn, wenn jede Kooperation ihre eigene App entwickele. Hartmanns Zukunftsvision: „Wir brauchen eine umfassende App für alle Apotheken, die der Kunde für jede Apotheke seiner Wahl verwenden kann, die den Medikationsplan enthält, eine Kundenkarte für alle sta­tionären Apotheken, einen ‚Umzugsservice‘ für Medikationsdaten und eine apothekenübergreifende tele­pharmazeutische Anbindung mit Verweis auf die nächstgelegene stationäre Apotheke.“ Dabei sollte die Vernetzung der Apotheken über die Warenwirtschaftsanbieter laufen. Leider, so Hartmann, komme hierzu von der ABDA nichts. Sein Credo: Die Vernetzung der stationären Apotheken muss deutlich schneller vorangetrieben werden. Treiber des wirtschaftlichen Erfolgs sind die Apothekenkooperationen. Der Apothekenmarkt wird sich immer schneller und weiter differenzieren. Betriebsgröße und Betriebswirtschaft bekommen einen anderen Stellenwert.

Amazon und Google sind Treiber

Marc Aufzug von Global Marketplace Group, einem Unternehmen, das Hersteller berät, wie sie sich auf Amazon optimal vermarkten, gab Einblicke in Amazons DNA. Der Versender ist heute bereits die Produktsuchmaschine Nr. 1. Aufzug geht davon aus, dass Amazon auch im Arzneimittelbereich Gas geben wird, es geht dabei nicht in erster Linie um Gewinn, sondern um Wachstum. Amazon wird vermutlich noch stärker mit Versandapotheken zusammenarbeiten.

Warum es für eine Vor-Ort-Apotheke immer wichtiger wird, auch über Google gefunden zu werden, machte Dr. Karl Pall, Direktor von Google Germany, deutlich. Eine von 20 Suchan­fragen ist bereits gesundheitsbezogen, über die Hälfte dieser Anfragen kommt von mobilen Endgeräten. Zwei Drittel der Deutschen gehen am Tag mehrmals ins Netz, „sie gehen nicht online, sie leben online“, so Pall. Die Online-Suche nach Apotheken hat stark zugenommen, für Apotheken ist es wichtig, mit Websites, die schnell laden, gefunden zu werden: „Es zählt, präsent zu sein, relevant zu sein und vor allem schnell zu sein“, so Pall. Als Vorbild nannte er den Essen-Lieferdienst Lieferando, bei dem der Kunde nur seine Adresse eingibt, die Menükarten sieht, Preise und Lieferfähigkeit vergleichen kann. Der Berufsstand sollte sich mit Experten zusammentun.

Zum Thema Digitalisierung hatte der BVDAK auch Thomas Bellartz eingeladen, Herausgeber des Branchendienstes Apotheke adhoc und ehemaliger ABDA-Sprecher. Die Apotheken befänden sich in einer Poleposition, sie sollten vor dem Fortschritt keine Angst haben, denn er lasse sich eh nicht aufhalten. Bellartz empfahl, die Kundenkontakte auszubauen und zu digitalisieren.

Fabian Kaske von der Marketing-Agentur Dr. Kaske geht davon aus, dass der Versandhandel, auch mit Arzneimitteln, weiter zunehmen wird. 85% der Online-Shopper sind bereits bei Amazon, 33% nutzen das Prime-Angebot von Amazon, das eine kostenlose und schnellere Lieferung bietet. Online-Händler halten die Kunden mit ver­lockenden Angeboten wie versandkostenfreie Lieferung ohne Mindestbestellwert und Programmen, die motivieren, bald wieder online zu bestellen, bei der Stange. Im Vergleich zu den Angebotsseiten von Versandapotheken ist Amazon bei der Darstellung und dem Informationsangebot auf seinen Seiten diesen Apotheken um Längen voraus. Die angebotenen Produkte stellt Amazon mit mehreren Bildern vor, z. T. auch mit kleinen Videos, liefert eine Fülle von Informationen, zeigt die Sterne-Bewertung der anderen Kunden. Jede potenzielle Frage wird auf den Seiten beantwortet – „da könnten sich Versandapotheken etwas abschauen“, meint Kaske. Und bald wird das Shoppen noch einfacher gehen mit dem Sprachassistenten Amazon Echo und Alexa.

Shift happens, also die industrielle Revolution hin zur Digitalisierung, zum Leben mit dem Internet – davon ist auch Professor Gunter Dueck, Philosoph und Zukunftsdenker, überzeugt. Apotheken sollten aufpassen, den Anschluss nicht zu verpassen, so wie damals Kodak nicht wahrhaben wollte, dass Digitalkameras und digitale Bilder ein Massenphänomen werden. ­„Telemedizin und Telepharmazie kommen“, so Dueck; „wenn es die Apotheken nicht machen, kommt Google und macht es“.

Juristischer Kampf gegen das Rx-Versandverbot

Der Chef von Zur Rose und DocMorris, Walter Oberhänsli, war über die Ankündigung der Großen Koalition, sich fürs Versandverbot verschreibungspflichtiger Arzneimittel einzusetzen, überhaupt nicht erfreut. Oberhänsli, der als „Überraschungsgast“ beim Kooperationsgipfel eingeladen war, kündigte an, mit allen juristischen Mitteln gegen das Rx-Versandverbot vorgehen zu wollen. Ein Versandverbot, so seine Überzeugung, sei europarechtlich nicht zu halten. Außerdem würden es die Bürger nicht verstehen, wenn es verboten würde, verschreibungspflichtige Arzneimittel bei einer Versandapotheke einzulösen. Der Fortschritt lasse sich nicht aufhalten. Gerade beim elektronischen Rezept sehe er großen Handlungsbedarf, so Oberhänsli. Der Verbraucher möchte sein E-Rezept von Zuhause aus an eine ­Versandapotheke schicken können.

Wenig auskunftsfreudig zeigte sich Oberhänsli bei der Frage von Karl-Rudolf Mattenklotz, dem früheren Präsidenten der Apothekerkammer Nordrhein, ob und wie viel Mehrwertsteuer DocMorris beim Versand von OTC-Arzneimitteln nach Deutschland zahle. „Ich weiß nicht“, so der Zur Rose-Manager, „wie hoch und wie viel, aber wir zahlen Mehrwertsteuer“, war seine Antwort. Mattenklotz legte nach und warf ihm vor, keine oder nur die niedrigere niederländische Mehrwertsteuer zu zahlen. Das sei falsch, so Oberhänsli, das Unternehmen zahle die „reguläre Mehrwertsteuer“.

Zum Thema Rx-Versandverbot hat auch Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas eine klare Meinung: „Es wird nicht kommen“, ist er überzeugt. Und eine mögliche Inländerdiskriminierung sei erst dann bedenklich, wenn ein höherer Marktanteil der Versender zu einer Existenzbedrohung der inländischen Präsenzapotheken führen würde.

Kopf- oder Bauch-Entscheidungen?

Wie entscheiden Manager besser? ­Aufgrund rationaler Daten oder darf’s auch aus dem Bauch heraus sein, mit Intuition? Dr. Niklas Keller, Simply ­Rational GmbH, zeigte anhand von ­Untersuchungen, dass mehr Daten, die für eine Entscheidung herangezogen werden, nicht gleichbedeutend sind mit besseren Entscheidungen. Oft seien einfachere Strategien erfolgreicher als komplexe Algorithmen. 50 Prozent der Manager verlassen sich auf Bauch-Entscheidungen. Allerdings könne man durch Intuition auch in die Irre geführt werden. Wichtig sei, so Keller, bei Intuitions-Entscheidungen ein zeitnahes Feedback einzuholen, sonst könne sich eine verzerrte Situation verfestigen.

Kopf und Bauch setzt die Apotheker­familie von Oliver Dienst ein, der mit Vater Reinhard und Schwester Daniela die Maxmo-Apotheken in Mönchengladbach und Umgebung aufgebaut hat und ihr Apothekenkonzept als Franchise-Lizenz weit über Mönchengladbach hinaus vermarktet. Die Maxmo-Geschichte begann 1988 mit der Max und Moritz-Apotheke in Rheydt. Die Apothekerfamilie geht aktiv auch auf Mitarbeiter zu, die sich selbstständig machen wollen. Mit ihrer Expansionsabteilung erstellt sie schlüsselfertige Apotheken und übergibt sie an die Lizenznehmer, die eine einheitliche Marketing-Unterstützung erhalten. 2017 gab es insgesamt 25 Maxmo-Apotheken, davon elf „Dienst“-Apotheken und 14 Lizenz-Apotheken. Im Mittelpunkt des Erfolgsrezepts steht die besondere Zuwendung zu Kunden, die persönliche Ansprache. „Wir nehmen unsere Kunden in den Arm“, so Oliver Dienst, Kunden sollen zu Fans werden, hochzufriedene Kunden, die die Apotheke weiterempfehlen. Vor der Digitalisierung ist dem Apotheker nicht bange, die Maxmo-Apotheken sind aktiv in den sozialen Medien wie Facebook und anderen unterwegs. Wichtig ist, so Dienst, mit einem digitalen Auftritt auch digital zu reagieren, d. h. zügig und schnell. |

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