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Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag
Erleichterung bei der ABDA, Unverständnis bei Versendern und Krankenkassen
Vom 20. Februar bis zum 2. März sind die 463.723 SPD-Mitglieder, die zum Stichtag am 6. Februar in die Partei aufgenommen waren, zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag aufgerufen. Am 4. März soll das Ergebnis bekannt gegeben werden – wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder ihre Stimme abgeben, ist es verbindlich. Wie die Genossen entscheiden werden, ist offen. Vor allem die Jusos um ihren Vorsitzenden Kevin Kühnert werben seit geraumer Zeit massiv für ein „Nein“ zur Großen Koalition. Gibt die Basis dennoch grünes Licht für die Regierungszusammenarbeit von CDU, CSU und SPD, könnte der von Hermann Gröhe in der vergangenen Legislaturperiode angestoßene Gesetzentwurf für ein Rx-Versandverbot wieder aufgegriffen werden. Jedoch dürfte auch eine neue Bundesgesundheitsministerin – Annette Widmann-Mauz (CDU) werden gute Chancen auf diesen Posten eingeräumt – auf Widerstand treffen. Kritiker des Rx-Versandverbots halten dieses bekanntlich für verfassungs- und europarechtswidrig. Letztere Frage wird nicht zuletzt im EU-Notifizierungsverfahren beantwortet werden müssen.
Maag: EuGH-Urteil hat vernünftiges Nebeneinander gekippt
Und so zeigte sich auch die neue gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion Karin Maag mit der Ankündigung zum Rx-Versandverbot zufrieden, hält sich aber mit großen Versprechen zurück. Sie erklärte auf Nachfrage von DAZ.online: „Wir hatten vor dem EuGH-Urteil ein sehr vernünftiges Nebeneinander zwischen Vor-Ort-Apotheken und dem Versandhandel – das Urteil hat diesen Zustand aber gekippt und für die Versandhändler Kräfte freigesetzt. Ich denke schon, dass wir das Verbot in dieser Legislaturperiode erfolgreich beschließen können – schließlich sind die Ministerien für Gesundheit und Wirtschaft in dieser Legislaturperiode in CDU-Hand. Was die Abstimmung auf EU-Ebene betrifft, kann ich nichts versprechen.“
Sabine Dittmar, neue gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und bislang stets Gegnerin des Rx-Versandverbots erklärte, es sei ein „langes und zähes Ringen“ um die Regelungen zur Gesundheit und Pflege im Koalitionsvertrag gewesen – „aber letztendlich konnten wir für die Patientinnen und Patienten viele gute Punkte hineinverhandeln“. Was den Rx-Versandhandel betrifft, liege „der Ball nun bei der Union, einen verfassungs- und europarechtskonformen Entwurf vorzulegen, der auch die Versorgung von Patientengruppen mit speziellen Bedarfen sicherstellt sowie einen praktikablen Botendienst ermöglicht.“
Sylvia Gabelmann, die neue Apothekenexpertin bei der Linksfraktion im Bundestag erklärte: „Wir werden sehr aufmerksam verfolgen, wie ernsthaft und schnell der im Koalitionsvertrag vereinbarte ‚Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln‘ aussehen wird.“ Die Regierung würde „selbstverständlich“ die Unterstützung der Linksfraktion erhalten, wenn sie tatsächlich für ein Verbot sorgt. Noch sehe sie das Vorhaben aber nicht in trockenen Tüchern – wenngleich sie die juristischen Bedenken, die von Befürwortern des Versandhandels ins Feld geführt werden, nicht teile.
Kritik von FDP und Grünen
Kritik kam dagegen vom FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann: Das Rx-Versandhandelsverbot sei „keine Lösung, um eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen“. Wenn das vom BMWi in Auftrag gegebene Honorargutachten eines zeige, „dann dass es um die Finanzierung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung schlecht bestellt ist, weswegen viele Vor-Ort-Apotheken in ihrer Existenz bedroht sind“. Die FDP setze daher darauf, die Arzneimittelpreisverordnung zeitnah zu reformieren und dabei die heilberuflichen Tätigkeiten in der Apotheke stärker in den Blick zu nehmen.
Auch Kordula Schulz-Asche, Arzneimittelexpertin der Grünen-Fraktion, erklärte, dass die Patientenversorgung durch ein Verbot des Rx-Versandhandels nicht verbessert werde. „Im Gegenteil: Für immobile, alte, chronische Patientinnen und Patienten wird die Versorgung verschlechtert“. Zudem sei die Hoffnung, dass durch das Verbot des Rx-Versandhandels, der nach 13 Jahren nach wie vor nur etwa 1% des Gesamtmarktes ausmache, die Apotheke vor Ort gestärkt würde, „naiv“. Schulz-Asche: „Wir, und vermutlich auch die Koalitionäre selbst, gehen davon aus, dass dieses Verbot vor Gerichten landen wird.“
ABDA: Vernünftige Entscheidung
Zufrieden und erleichtert war dagegen die Reaktion der ABDA. Präsident Friedemann Schmidt erklärte: „Es ist eine vernünftige Entscheidung, die Apotheken vor Ort zu stärken. Auch und gerade im Kontext der strukturpolitischen Ziele der zukünftigen Bundesregierung müssen die Apotheken in der Fläche gehalten werden. Gemäß Koalitionsvertrag sollen schließlich alle Menschen in Deutschland einen gleichberechtigten Zugang zur öffentlichen Daseinsvorsorge haben. Gesundheitspolitik ist Strukturpolitik. Und die Arzneimittelversorgung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitspolitik.“ Schmidt zufolge wird es nun darauf ankommen, dass baldmöglichst eine neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen kann, um die Zusage im Koalitionsvertrag möglichst zügig in gesetzgeberische Maßnahmen einfließen zu lassen.
Erfreut zeigte sich auch die Apothekengewerkschaft Adexa. Auch wenn die Umsetzung des Rx-Versandverbots „nicht ohne Hürden sein dürfte“, werde dieses Thema nicht in Vergessenheit geraten. „Für rund 137.000 Apothekenangestellte ist das eine gute Botschaft. Denn die Spieße der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland sind dann wieder gleich lang wie die der ausländischen Versender. Und dem Apothekensterben könnte ein Riegel vorgesetzt werden.“ Adexa freut sich zudem über eine weitere Ankündigung im Koalitionsvertrag: Das Schulgeld für die Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen wie PTA soll abgeschafft werden. Dies sei „ein wichtiges Signal für den Berufsnachwuchs und gegen den Fachkräftemangel“.
Versender rüsten sich
Enttäuscht reagierte dagegen der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA). Hier meint man aber, dass die gewählte Formulierung „nicht absolut“ sei und „etwas Spielraum“ lasse. Der Verband bleibt bei seiner Meinung: „Eine seit über 14 Jahren geltende und funktionierende Regulierung einfach rückgängig zu machen, ist aus BVDVA-Sicht verfassungs- und europarechtlich sehr problematisch“. Der Verband hatte auch ein europarechtliches Gutachten beauftragt, das vor einer Staatshaftung warnte.
Die Schweizer Zur Rose-Gruppe, die Muttergesellschaft von DocMorris, zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass das nun in den Koalitionsvertrag gegossene Vorhaben „verfassungswidrig und europarechtlich inkompatibel ist“. Dass sie das nicht hinnehmen werden, stellen die Schweizer klar: „Die Zur Rose-Gruppe wird daher im Interesse der Patientinnen und Patienten sowohl in Deutschland als auch auf europäischer Ebene alle notwendigen juristischen und operativen Schritte unternehmen.“
Kritik kam auch vom GKV-Spitzenverband: „Digitalisierung fördern zu wollen und zugleich den Versandhandel zu verbieten – wie soll das gehen? Diese gegensätzlichen Pläne im Koalitionsvertrag passen nicht zusammen.“ Seit Jahren ergänzten Online-Apotheken die traditionellen Apotheken, so der Verband. Gerade der Versandhandel könne dazu beitragen, dass die Versorgung von Patienten, die bereits heute im ländlichen Raum längere Anfahrtswege zu Apotheken haben, verbessert werde. Ähnliche Töne kamen vom AOK-Bundesverband: Gerade den Menschen im ländlichen Raum und chronisch Kranken nehme man mit dem Verbot eine zusätzliche Möglichkeit der Arzneimittelbeschaffung.
Klar ist jetzt zumindest eines: Das Rx-Verbot bleibt 2018 ein Top-Thema. |
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