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Die Seite 3
Eine schwere Geburt
Ist das Ende einer langen und schweren Geburt wirklich immer ein „Happy End“? Oder fängt damit nicht erst die eigentliche Arbeit an?
Der 19. Deutsche Bundestag wurde bereits vor fünf Monaten gewählt, doch die Regierungsbildung – egal, in welcher Konstellation – stellt sich seitdem als zäh und verworren dar. Mögliche Koalitionspartner haben miteinander gerungen und in schier endlosen Sondierungsgesprächen zwar Gemeinsamkeiten und Kompromisse, am Ende jedoch zu viele Differenzen gefunden. Mehrheiten nach dem Schema „Kenia“ oder „Jamaika“ scheiterten, noch bevor über konkrete Themen gesprochen werden konnte. Allen Beteiligten war dabei stets bewusst, dass Deutschland mit einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen womöglich einen großen Teil seiner politischen Stabilität verloren hätte.
Was am Wahlabend im September nicht für möglich gehalten wurde, hat sich nun doch ergeben: Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD steht und könnte zu einer Erneuerung der Großen Koalition führen. Ist damit nun die Bundesregierung geboren und ein Ende der turbulenten Zeiten in Sicht? Nein, leider nicht.
Vielleicht bilden die Apotheker momentan eine der wenigen Berufsgruppen, deren zukünftige Stellung im Gesundheitssystem stark von den Farben der nächsten Regierungskoalition abhängt. Immerhin waren es nur die Union und die Linke, die sich das Rx-Versandverbot ins Wahlprogramm schrieben. Alle anderen Parteien erkennen offenbar nicht, welche ordnungspolitische Gefahr durch das EuGH-Urteil und die gekippte Rx-Preisbindung im Hinblick auf die Arzneimittelversorgung entstanden ist. Ganz zu schweigen von der FDP, die aus Protest oder Ignoranz sogar die Abschaffung des Fremdbesitzverbots fordert.
Die nun besiegelte Neuauflage der Großen Koalition ist nach dem wilden Farbenspiel der letzten Monate tatsächlich ein Silberstreif am Horizont. Immerhin hat man die Absicht in Worte gefasst und will die Grundprinzipien der Gesundheitsversorgung wie die Rx-Preisbindung gegen ausländische Kapitalinteressen verteidigen. Doch bis dahin ist es noch ein langer und gefährlicher Weg – vielleicht sogar eine Gratwanderung nah am Abgrund. In den Nachwehen der Koalitionsgespräche müssen Ministerposten und Verantwortlichkeiten verteilt werden, und der SPD-Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag könnte am Ende alles zunichtemachen. Eine Tatsache, die das Bundesverfassungsgericht zwar akzeptiert, die aber das Vertrauen der Wähler in die parlamentarische Demokratie auf die Probe stellt. Befeuert wird das Ganze durch Personaldebatten und Profilierungsversuche erfahrener und junger Politiker.
Die Bundestagswahl 2017 wird man rückblickend vor allem mit einem Mann in Verbindung bringen, der die Kanzlerschaft anstrebte und am Ende komplett leer ausging. Martin Schulz erklärte schriftlich: „Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurückstehen müssen.“
Es bleibt zu hoffen, dass sich mit dieser Einstellung auch die übrigen SPD-Parteimitglieder aufraffen und die richtige Entscheidung treffen. Nach dieser schweren Geburt gilt es dann gesundheitspolitisch endlich, Gefahren abzuwehren und einen wichtigen Teil staatlicher Souveränität zurückzuerlangen.
Armin Edalat
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