Arzneimittel und Therapie

Was nutzen Medikationsanalysen?

Einzelne klinische Endpunkte verbessert, aber nicht weniger Krankenhauseinweisungen

Im Perspektivpapier „Apotheke 2030“ der ABDA sind Medikationsanalyse und Medikationsmanagement zentrale Punkte der Leistungen und Angebote von Apotheken. Damit sollen Apotheken mehr als bisher zu einer sicheren, wirksamen und wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie beitragen [1]. Eine Auswertung systematischer Reviews zum Thema Mediaktions­analyse belebt die Diskussion darüber, ob ein Nutzen dieser Leistung tatsächlich nur mit einer Reduktion von Mortalität und Krankenhauseinweisungen zu belegen ist [2].

Dazu wurden systematische Reviews zum Thema Medikationsanalyse durch Pharmazeuten im ambulanten Bereich betrachtet. Veröffentlichungen aus dem Zeitraum zwischen 1995 und 2015 wurden in verschiedenen Datenbanken ermittelt und mithilfe des AMSTAR-Tools (siehe Kasten) auf ihre Qualität geprüft [3]. Es wurden nur Arbeiten moderater bis hoher Qualität eingeschlossen (AMSTAR ≥ 4): insgesamt 31 relevante systematische Reviews, darunter zwölf Metaanalysen.

Das AMSTAR-Tool

AMSTAR (A MeaSurement Tool to Assess systematic Reviews) ist ein validiertes Bewertungssystem, das sich dafür eignet, die Qualität von systematischen Reviews oder Metaanalysen auf der Basis von randomisierten kontrollierten Studien einzuschätzen. Mithilfe von elf Fragen wird versucht herauszustellen, ob bei dem Review zum Beispiel systematisch vorgegangen wurde, wie die Datenextraktion erfolgte, wie die eingeschlossenen Studien qualitativ bewertet und wie die Ergebnisse dargestellt wurden. So soll die methodische Qualität, die Art und Weise der Durchführung einer systematischen Übersichtsarbeit, beurteilt werden.

Unklare Definition

Die meisten in den Reviews betrachteten Studien zeigten bei den primären Endpunkten in Bezug auf Diabetes- und Blutdruckkontrolle, Cholesterol-Spiegel, Adhärenz der Patienten sowie arzneimittelbezogene Endpunkte positive Ergebnisse, was auch durch die Metaanalysen bestätigt werden konnte. Unstimmig sind allerdings die Ergebnisse hinsichtlich der Hospitalisierung von Patienten. Dies führen die Autoren darauf zurück, dass es keine einheitliche Definition der Medikationsanalyse in den Untersuchungen gab und sowohl klinische Medikationsanalysen als auch „adherence reviews“ berücksichtigt wurden. Letztere sind vergleichbar mit der erweiterten Medikationsanalyse des Typs 2a im Grundsatzpapier der ABDA [4], in der ein Patientengespräch stattfindet und zusätzlich entweder Medikationsdatei oder Brown Bag zur Verfügung stehen, aber kein Zugriff auf klinische Daten besteht. Des Weiteren kann der Einschluss von nichtrandomisierten kontrollierten Studien und retrospektiven Kohortenstudien das Bild verzerren. So war keine Signifikanz zu erkennen, wenn ausschließlich randomisierte kontrollierte Studien berücksichtigt wurden.

In keiner der Metaanalysen konnte eine Reduktion der Mortalität gezeigt werden, was auf mangelnde Power der Studien zurückzuführen sei, so die Autoren. Harte Endpunkte wie Hospitalisierung und Mortalität seien selten primärer Fokus von Studien zu Medikationsanalysen. Eine zusätzliche Schwierigkeit bei der Beurteilung liege darin, dass die Medikationsanalyse nur ein Aspekt der Patientenversorgung ist und sich der Einfluss selbst bei einer erfolgreichen Intervention nicht eindeutig auf die Medikationsanalyse zurückführen lässt.

Klinische Endpunkte erreicht

Die Vorzüge einer pharmazeutischen Medikationsanalyse hinsichtlich verschiedener klinischer Endpunkte werden durch die systematischen Reviews gestützt. Jokanovic et al. folgern, dass weitere Forschung betrieben werden muss, um den Nutzen von Medikationsanalysen für die Patienten und die ökonomischen Folgen besser beurteilen zu können. Zu diskutieren ist, ob eine Verbesserung klinischer Endpunkte nicht Argument genug wäre, die Medikationsanalyse durch einen Pharmazeuten zu nutzen. Von diesem Instrument könnten die Versorgung und Betreuung meist älterer, multimorbider Patienten profitieren, denn es kann davon ausgegangen werden, dass sich durch die Verbesserung klinischer Endpunkte in der Regel auch langfristig der Allgemeinzustand des Patienten verbessert. |

Literatur

[1] Apotheke 2030. Perspektiven zur pharmazeutischen Versorgung in Deutschland. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), 2014, www.abda.de/fileadmin/assets/Apotheke_2030/perspektivpapier_150112_ansicht.pdf, Abruf 15. Januar 2018

[2] Jokanovic N, Tan ECK, Sudhakaran S et al. Pharmacist-led medication review in community settings: An overview of systematic reviews. Research in Social and Administrative Pharmacy 2017;13:661-685

[3] Beverly JS, Grimshaw JM, Wells GA et al. Development of AMSTAR: a measurement tool to assess the methodological quality of systematic reviews. BMC Medical Research Methodology 2007;7, Abruf 15. Januar 2018

[4] Grundsatzpapier zur Medikationsanalyse und zum Medikationsmanagement. Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), 2014, www.abda.de, Abruf 15. Januar 2018

Kim Linda Poppenberg

Das könnte Sie auch interessieren

Elektronisches Entscheidungstool hilft, inadäquate Polypharmazie zu reduzieren

Was geht, was bleibt

Studien zu Nebenwirkungen häufig nur schwach evident

PPI doch unbedenklicher als gedacht?

Übersichtsarbeit stellt Nutzen bei der Primärprävention infrage

ASS für alle?

Lungenkrebsrisiko vermutlich um 20% erhöht

ACE-Hemmer erneut unter Verdacht

Nutzen von Brown-bag-Review und Medikationsanalyse wird untersucht

Erste Auswertungen des ATHINA-Projekts

Proteinzufuhr und Nieren-Erkrankungen

Schadet eiweißreiche Kost der Nieren-Gesundheit?

Cochrane Review liefert umfassende Analyse der Datenlage

Omega-3-Fettsäuren weiter auf dem Prüfstand

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.