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Praxis
Harmloser Hanf?
Aufgepasst bei Cannabidiol-Produkten in der Apotheke
Es fängt schon mit dem Ausgangsstoff an, denn Hanf ist nicht gleich Hanf. Bei der legalen Herstellung von Hanfprodukten muss unterschieden werden zwischen Hanfsorten, die zur Gewinnung von Produkten für medizinische Zwecke angebaut werden und denjenigen, die für andere Zwecke gedacht sind (Nutzhanf, Industriehanf).
Nutzhanf
Die Fasern des Nutzhanfs werden beispielsweise in der Textilindustrie weiterverarbeitet. Die Blätter, Blüten und Samen finden in diversen Branchen wie der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie Verwendung. In der EU war der Anbau von Hanf lange Zeit komplett verboten. Nach der teilweisen Legalisierung wurde das pauschale Hanfanbauverbot im Jahr 1996 auch in Deutschland durch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes für den Nutzhanf aufgehoben. Heute dürfen nach dem BtMG aber nur Faserhanf-Sorten mit einem Wirkstoffgehalt unter 0,2% Tetrahydrocannabinol angebaut werden, die hierfür nach EU-Vorschriften eigens zugelassen und zertifiziert sind (Eintragung in Sortenkatalog), oder „wenn ihr Gehalt an THC 0,2% nicht übersteigt und der Verkehr mit ihnen (ausgenommen der Anbau) ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen“. Der Anbau, der nur bestimmten landwirtschaftlichen Unternehmen mit strengen Auflagen erlaubt ist, muss bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angezeigt werden. Da die Ausnahmebestimmung das Marktpotenzial von Hanf für den industriellen Einsatz (inklusive Weiterverabeitung) erschließen soll, muss der „gewerbliche oder wissenschaftliche Verwendungszweck“ nicht nur beim Verkäufer, sondern auch beim Endnutzer vorliegen. Die Abgabe von reinen Nutzhanfprodukten zu Konsumzwecken sei hiervon nicht abgedeckt, befand das OLG Hamm (OLG Hamm, Urteil vom 21.06.2016 - 4 RVs 51/16). Pflanzenteile der Gattung Cannabis fielen unabhängig vom THC-Gehalt unter das BtMG und der Vertrieb dieser Waren an Endkunden, obwohl legal produziert, gelte als Handel mit Suchtstoffen. Um die Hersteller und Händler entsprechender Produkte vor Strafverfolgung zu schützen, wird in einer Petition an den Deutschen Bundestag gefordert, eine klare Unterscheidung zwischen gesetzlich zugelassenen Nutzhanfsorten nach EU-Liste und Betäubungsmitteln zu treffen, indem Nutzhanf aus dem BtMG ausgeschlossen wird.
Medizinalhanf
Für Medizinalcannabis werden Cannabissorten mit einem höheren THC-Gehalt verwendet. Derzeit wird Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland noch komplett aus den Niederlanden und aus Kanada importiert. Nach dem Betäubungsmittelgesetz müssen die Zubereitungen aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle erfolgt (Art. 23 und 28 Abs. 1 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (Single Convention on Narcotic Drugs von 1961). Seit Längerem laufen die Bemühungen, den Anbau hierzulande in Gang zu setzen. Ein Ausschreibungsverfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hierzu wurde wegen eines Formfehlers gestoppt und musste deshalb neu gestartet werden. Das BfArM plant die Zuschlagserteilung in diesem neuen Verfahren für die erste Jahreshälfte 2019. Bei einem erfolgreichen Ablauf könnte ab 2020 Medizinalcannabis aus deutschem Anbau zur Verfügung stehen.
Cannabis und CBD als Arzneimittel
Mit dem am 10. März 2017 in Kraft getretenen Cannabis-Gesetz wurden die Möglichkeiten zur Verschreibung von Cannabisarzneimitteln in Deutschland erweitert. Die Einzelheiten dazu sind im Betäubungsmittelgesetz (§ 13 Abs. 1) bzw. in der Anlage III (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) geregelt. Es sind verschiedene Varietäten von Cannabisblüten verfügbar, die unterschiedliche Konzentrationen der Vorstufen der Hauptinhaltsstoffe Delta 9-THC und CBD enthalten. Einzelheiten zu den DAC/NRF-Monographien und -Rezepturvorschriften für Cannabis sind in einem speziellen Faktenblatt der ABDA enthalten. Im Mai 2017 wurde im Bundesanzeiger die neue DAB-Monographie „Cannabisblüten“ bekannt gemacht, in der das offizinelle Ausgangsmaterial und sein Inhaltsstoffspektrum näher spezifiziert werden.
CBD wird in Apotheken als Ausgangsstoff zur Zubereitung nicht zulassungspflichtiger Rezeptur- und Defekturarzneimittel verwendet. Seit Dezember 2015 gibt es die DAC/NRF-Monographien DAC C-052 „Cannabidiol“ und NRF 22.10. „Ölige Cannabidiol-Lösung 50 mg/ml“. CBD interagiert mit verschiedenen Rezeptoren und vermindert offenbar auch die psychotrope Wirkung von THC. Als mögliche therapeutische Wirkungen kommen antioxidative, antiinflammatorische, antikonvulsive, antiemetische, anxiolytische, hypnotische oder antipsychotische Effekte in Betracht.
Abgesehen von dem Kombinationspräparat Sativa® ist CBD bislang nicht als Fertigarzneimittel zugelassen, aber die therapeutische Anwendung wird in klinischen Studien untersucht. Einsatzmöglichkeiten sind die Behandlung von Angstzuständen, Epilepsie (z.B. Dravet Syndrom, Lennox-Gastaut Syndrom), Schizophrenie und anderer psychiatrischer Erkrankungen. Vorläufige Erfahrungen deuten auch auf einen Nutzen in der Drogen-Entzugsbehandlung (z. B. Nicotin-, Alkohol-, Cannabis-Abusus), bei Bewegungsstörungen und bei neurodegenerativen Erkrankungen inklusive Schlaganfall hin.
Diverse Entwicklungsprojekte befinden sich in den Phasen I bis III der klinischen Erprobung (z. B. Epidiolex®, Arvisol®, ZYN002). In den USA wurde im Juni 2018 eine Zulassung für ein Cannabidiol-Präparat für Kinder mit speziellen Epilepsie-Formen erteilt. In der EU hat die Europäische Kommission für CBD in den Jahren 2014 bis 2017 sieben Bezeichnungen (Orphan Drug designations) zur Behandlung verschiedener seltener Erkrankungen erteilt.
THC, CBD und Rauschhanf
Die wichtigsten Cannabinoide aus der Hanfpflanze sind das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC) und das am zweithäufigsten vorkommende, nicht berauschende CBD. In Nutzhanf ist CBD mengenmäßig das weit überwiegende Cannabinoid. Die Cannabinoide werden von den Drüsenhaaren produziert, die sich mit Ausnahme von Samen und Wurzel auf der gesamten Hanfpflanze befinden. Sie liegen in der Pflanze überwiegend als Carbonsäuren vor (THC-A bzw. CBD-A). In den Samen kommen Cannabinoide aufgrund der dort fehlenden Drüsenhaare nicht vor, aber sie können bei der Ernte oder der Verarbeitung mit THC kontaminiert werden.
Beim Rauschhanf werden i. W. zwei Erscheinungsformen unterschieden: Unter Marihuana (Cannabis) werden die getrockneten Blüten der weiblichen Hanfpflanze verstanden. Sie enthalten zwischen 3 und 15% THC. Bei einzelnen Züchtungen wurden auch THC-Werte um die 20% gemessen. Haschisch ist das gesammelte und meist gepresste Harz der Hanfpflanze (Cannabisharz). Sein THC-Gehalt schwankt zwischen 5 und über 50%. Durch spezielle Veredelungsverfahren kann aus Marihuanna sogenanntes „Haschöl“ gewonnen werden, das THC-Konzentrationen von bis zu 90% aufweisen kann.
Warum ist CBD kein Betäubungsmittel?
Im Gegensatz zu Cannabis und Cannabisharz sowie Extrakten und Tinkturen von Cannabis fällt das nicht rauscherzeugende CBD namentlich nicht unter das UN-Einheitsübereinkommen von 1961 über Suchtstoffe. Dies schlägt sich entsprechend im deutschen Betäubungsmittelgesetz nieder. Hiernach gehören lediglich Cannabis und Cannabisharz sowie eine Reihe von Tetrahydrocannabinolen zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln (Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG), mit bestimmten Ausnahmen, zum Bespiel für den Anbau und die Verwendung von Nutzhanf sowie für medizinische Zwecke.
Für die Einstufung von Drogen in die vier Tabellen (Schedules) des UN-Einheitsübereinkommens sind die Suchtstoffkommission der UNO und die Weltgesundheitsorganisation zuständig. Im letzten Jahr hat sich die WHO erstmals eingehend mit dem medizinischen und dem Gefährdungspotenzial von Cannabis und „related substances“ befasst. Nach seinen Sitzungen im November 2017 und im Juni 2018 kommt das WHO Expert Committee on Drug Dependence (ECDD) zu dem Schluss, dass ein internationales Verbot von reinem CBD als Suchtstoff nicht gerechtfertigt sei. Bis heute gebe es keine Beweise für die Freizeitnutzung von CBD oder irgendwelche damit verbundenen Probleme im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit. Jedoch sei CBD, das als Extrakt aus Cannabis hergestellt werde, in Schedule I einzugruppieren, der höchsten Stufe der internationalen Kontrolle, in der auch Cannabis und Cannabisharz zu finden sei.
In einer Stellungnahme verwehrt sich der Europäische Verband für Industriehanf (EIHA) entschieden gegen diese pauschale Zuordnung, mit der Begründung, dass die Herstellung der Substanz keine Rolle für die Einordnung spielen dürfe. CBD für nicht-medizinische Zwecke dürfe auch in Zukunft nicht als Betäubungsmittel eingestuft werden, unabhängig davon, ob es natürlichen oder synthetischen Ursprungs ist, so die Forderung des Verbandes. Wie die Entscheidungsfindung zu einem etwaigen Betäubungsmittelstatus von CBD-haltigen Zubereitungen auf internationaler Ebene weitergeht, bleibt abzuwarten.
Hanfhaltige Produkte als Lebensmittel
Hanfhaltige Lebensmittel liegen im Trend und finden sich allenthalben in Super- und Getränkemärkten, Bio-Läden und Internet-Shops. Das Spektrum reicht von Hanfölen, Hanfproteinpulver, Hanfblättertee, Hanfbier und Hanflimonade, Süßwaren, Wursterzeugnissen, Teig- und Backwaren bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln. Eine Recherche des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu hanfhaltigen Produkten in der MINTEL-Datenbank (MINTEL 2016) hat ergeben, dass in den Jahren 2012 bis 2017 insgesamt 202 hanfhaltige Lebensmittel auf den deutschen Markt gebracht wurden, davon 50 Nahrungsergänzungsmittel.
Für Lebensmittel existieren in der EU zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine einheitlichen Höchstgehalte an Delta-9-THC. Das damalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) hat bereits im Jahr 2000 THC-Richtwerte für verzehrsfertige Lebensmittel abgeleitet, die zur Orientierung für die Hersteller und die Lebensmittelüberwachung gedacht sind. Diese belaufen sich auf 5 µg/kg für nicht alkoholische und alkoholische Getränke, 5000 µg/kg für Speiseöle und 150 µg/kg für alle anderen Lebensmittel. Die Richtwerte wurden auf der Basis von 1 bis 2 µ/kg Körpergewicht pro Tag ermittelt. Sie werden derzeit als sicher eingeschätzt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat für THC 2015 eine akute Referenzdosis (ARfD) von 1 µ/kg Körpergewicht festgelegt.
THC-Gehalte in Lebensmitteln oft zu hoch
Das BfR hat kürzlich die Ergebnisse einer neuen Erhebung zum Delta-9-THC-Gehalt von Lebensmitteln, insbesondere hanfhaltiger teeähnlicher Erzeugnisse bekannt gemacht. Auf der Basis von 210 Proben aus den Jahren 2007 bis 2016 kommt das Bundesinstitut zu dem Schluss, dass der Verzehr hanfhaltiger Lebensmittel zu einer Überschreitung der von der EFSA vorgeschlagenen akuten Referenzdosis führen kann. Der Gesamt-Delta-9-THC-Richtwert von 5 µg/kg wurde bei allen Getränkearten außer den Bieren von 22% bis zu 100% der Proben überschritten. Bei den hanfhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln überschritten nahezu alle Proben den Richtwert von 150 µg/kg. Auch sei es möglich, dass beim Verzehr hanfhaltiger Lebensmittel Mengen im Bereich der arzneilich eingesetzten Delta-9-THC-Dosen (≥2,5 mg/Person/Tag) aufgenommen werden. Das BfR empfiehlt daher, die Delta-9-THC-Gehalte in Hanf- Lebensmitteln weiter zu minimieren.
Funktion und Präsentation
Lebensmittel, vor allem Nahrungsergänzungen, sowie Kosmetika mit dem rauschfreien Inhaltsstoff CBD sind derzeit schwer im Kommen. Bei der Abgrenzung zum Arzneimittel kommen zwei wesentliche Kriterien zum Tragen, nämlich die Funktion, das heißt die tatsächlich möglichen Wirkungen des Produktes, und die Präsentation, das heißt, die Aufmachung bzw. die Zweckbestimmung, die der Anbieter ihm beimisst. Wie in dem Kasten „Cannabis und CBD als Arzneimittel“ dargelegt, werden Cannabidiol verschiedene pharmakologische Wirkungen zugeschrieben, die es schon alleine dadurch wegen der „Funktion“ zu einem Arzneimittel machen könnten. Im Hinblick auf die Präsentation kommt es neben der Aufmachung im Wesentlichen darauf an, mit welchen Aussagen und Anwendungsempfehlungen die Produkte vermarktet werden. Beziehen sich diese auf die Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten, so kommt eine Einstufung als Lebensmittel oder Kosmetikum nicht infrage.
CBD-haltige Produkte in der Apotheke – was ist zu beachten?
- Zubereitungen mit Medizinalcannabis sind in Deutschland unter bestimmten Bedingungen verschreibungsfähig und unterliegen der Betäubungsmittelgesetzgebung.
- CBD-haltige Produkte mit einer Zweckbestimmung als Arzneimittel unterliegen in Deutschland der Rezeptpflicht und damit auch der Apothekenpflicht.
- Bei entsprechender Zusammensetzung und Zweckbestimmung können Hanf- und CBD-haltige Produkte (theoretisch) auch Lebensmittel (Nahrungsergänzungsmittel) oder Kosmetika sein. Sie dürfen dann ohne Rezept (weil sie keine Arzneimittel sind) und auch außerhalb der Apotheke, das heißt auch im Online-Handel abgegeben werden.
- Produkte mit „Novel Food“-Status müssten dann allerdings vorher zugelassen werden.
- Die Einstufung von Erzeugnissen und die Bewertung der Verkehrsfähigkeit im Einzelfall ist Aufgabe der zuständigen Landesbehörden.
Lebensmittel inklusive Nahrungsergänzungsmittel dürfen nur mit gesundheitsbezogenen Aussagen (Health Claims) vermarktet werden, wenn diese vorher von der EU-Kommission genehmigt wurden. Für Lebensmittel/Nahrungsergänzungen mit Hanf, Hanfextrakten oder CBD gibt es bislang keinen einzigen genehmigten Health Claim. Allerdings steht die Beurteilung der sogenannten „Botanicals“ seit Langem aus, weshalb sie nach den Übergangsvorschriften bis dahin weiter vermarktet werden dürfen. Mit welchem Nutzenversprechen diese abgegeben würden, bleibt also dem Apotheker überlassen. Wer in der Apotheke mit solchen Produkten in Berührung kommt, tut gut daran, sie sorgfältig unter die Lupe zu nehmen und die Abgabe nicht mit irgendwelchen Heilversprechen zu verbinden.
CBD als Novel Food
Abgesehen von der schwierigen Abgrenzung zum Arzneimittel kommt hier noch ein anderer Aspekt zum Tragen, nämlich die Einordnung als neuartiges Arzneimittel (Novel Food). Entsprechende Produkte dürfen in der EU nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie gesundheitlich bewertet und eigens zugelassen sind. Die Pflanze Cannabis sativa L. selbst ist in dem öffentlichen „Novel Food Katalog“ der EU-Kommission für die Verwendung in Lebensmitteln als „nicht neuartig“ gelistet. Eine Einschränkung der Zulässigkeit auf bestimmte Pflanzenteile wird hier nicht vorgenommen. Bei Pflanzenextrakten muss im Allgemeinen immer geprüft werden, ob die angewandte Extraktionsmethode eine gezielte Anreicherung (oder Abreicherung) von bestimmten Stoffen zur Folge hat und ob der hieraus entstehende spezifische Extrakt in der EU bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang als Lebensmittel verzehrt wurde (Kriterium für den Ausschluss der Neuartigkeit). Extrakte von Cannabis sativa L., in denen die CBD-Gehalte höher sind als in der Ausgangspflanze, und damit auch reines CBD, werden hiernach als Novel Food eingestuft und bedürfen damit einer Zulassung. Derzeit ist ein Antrag auf Zulassung von CBD aus einem Cannabis-Extrakt als Novel Food anhängig, aber noch nicht von der Europäischen Kommission beschieden.
Status eigentlich klar?
Bereits im Mai 2016 hatte der Abgeordnete Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) im Deutschen Bundestag eine Frage zum rechtlichen Status von CBD gestellt. Dabei werden verschiedene CBD-haltige Produkte (Extrakte, Nutzhanfblütentee, Hanfsamenöl) mit unterschiedlichen Gehalten beispielhaft angeführt. Die Bundesregierung stellt in ihrer Antwort vom 30. Mai 2016 fest, dass es für hanfhaltige Lebensmittel, die CBD enthalten, keine speziellen lebensmittelrechtlichen Vorschriften gebe und verweist auf die allgemeinen Regelungen im Lebensmittelrecht. Anders als für Tetrahydrocannabinol seien für CBD keine gesundheitsbasierten Richtwerte (Health-based Guidance Values, HBGV) verfügbar. Insofern fehle die Basis für die Ableitung von Grenzwerten für CBD in hanfhaltigen Lebensmitteln. Auch hier wird im Übrigen auf den Status als „Novel Food“ verwiesen. Im Falle von hanfhaltigen Kosmetika sei vor der erstmaligen Bereitstellung auf dem Markt eine Sicherheitsbewertung durchzuführen. Für eine Einstufung als kosmetisches Mittel sei jeweils im Einzelfall anhand eines konkreten Produkts zu prüfen, ob die überwiegende kosmetische Zweckbestimmung gegeben sei.
Bleibt die Frage der Verschreibungspflicht. CBD-haltige Präparate unterliegen in Deutschland seit Oktober 2016 der Verschreibungspflicht, und zwar ohne jede Eingrenzung von Dosis oder Verabreichungsweg. Hintergrund war ein Antrag der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK). Das Nebenwirkungsprofil und das Interaktionspotenzial von CBD seien derzeit noch nicht abschließend beurteilbar, befand der Ausschuss. Die Verschreibungspflichtverordnung regelt aber nur den Abgabe- und nicht den Produktstatus, und zwar lediglich für Arzneimittel. Auch die Bundesregierung betonte in ihrer Antwort auf eine o. g. parlamentarische Anfrage, dass Empfehlungen des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht lediglich Aspekte der Verschreibungspflicht von Arzneimitteln beträfen.
Dies bedeutet, dass selbst nach der Unterstellung von CBD-haltigen Produkten mit Arzneimittelstatus unter die Rezeptpflicht theoretisch weiterhin andere CBD-haltige Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika ohne Rezept verkauft werden dürfen, sofern sie die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Möglichkeiten dafür dürften allerdings sehr eng begrenzt sein.
Vielfach arzneimitteltypische Diktion
Bei vielen CBD-haltigen Produkten, die als Lebensmittel/Nahrungsergänzungsmittel oder Kosmetika in den Verkehr gebracht werden, drängt sich der Eindruck auf, dass die Hersteller sich nicht einmal die Mühe machen, die Nähe zum Arzneimittel zu „vertuschen“. CBD soll nicht nur eine Fülle von gesundheitsförderlichen Eigenschaften besitzen. CBD-Öl wirke beruhigend auf Schmerzen und Entzündungen und je größer der Schmerz ist, desto höher sollte der CBD-Wert ihres Öls sein, heißt es in Ratgebern (siehe „Die Welt der CBD-Öle“). Es werden verschiedene Anwendungen, u. a. bei Fibromyalgie, Arthritis, Migräne, Depressionen und Parkinson kommentiert. Außerdem ist meist von „Dosierungsempfehlungen“ die Rede. Überhaupt herrscht vielfach eine arzneimitteltypische Diktion vor. Oft kommt dann zum Schluss als „Hintertürchen“ ein Disclaimer (siehe Kasten).
Beispiele für Disclaimer zu CBD-Produkten
„Wir empfehlen die Einnahme von CBD-Produkten mit Ihrem Arzt zu besprechen, denn wir dürfen aus rechtlichen Gründen, bezüglich der Wirkungsweise und Anwendungsgebiete, keine medizinischen Aussagen treffen.“
„Laut EU-Recht ist es uns nicht gestattet, im Zusammenhang mit der Diagnose, Prävention und Behandlung von Krankheiten spezifische Fragen über das CBD-Öl zu beantworten. Wir […] sind keine ausgebildeten Ärzte oder Heilpraktiker und die CBD-Produkte in unserem Shop sind nicht als Arzneimittel zugelassen. Wenn Sie bezüglich Krankheit X, Y oder Z einen Rat brauchen, dann müssen Sie, sofern dieser Artikel Ihnen nicht weiterhilft, selber im Netz nach einer Antwort suchen. [...] Für die Anwendung unserer CBD-Produkte sind Sie selber verantwortlich. Wir übernehmen keine Haftung für eventuelle Probleme, die bei der Verwendung von CBD-Öl (Auswirkungen), auftreten. Das Risiko liegt allein bei Ihnen, dem Verbraucher.“
Online-Händler rudern schon zurück
Die Branche ist alarmiert, gibt sich aber auch kämpferisch. Der Markt wachse weiter, schreibt das Portal „cbd360.de“ auf seinem „CBD-Ticker“, auch in Deutschland. Ein Shop und Hersteller nach dem anderen erscheine auf dem Markt. Es könnte allerdings in Zukunft schwerer werden, die Produkte, die vielfach über das Internet vermarktet werden, an den Mann zu bringen. Nach einer aktuellen Meldung von Leafly.de hat der Online-Marktplatz Amazon zum 1. März 2018 „über Nacht“ fast alle CBD-Öle aus dem Sortiment genommen. Die Produkte seien den Verkäufern gesperrt worden. In einer E-Mail an die Händler soll es geheißen haben, dass verbotene Produkte entfernt würden. Ob demnächst weitere CBD-haltige Produkte folgen, sei noch unklar. Andere Online-Riesen wie die Social Media Plattform Facebook oder Google verböten sämtliche Werbung, die sich rund um Cannabis drehen. Man entdecke zwar immer wieder den einen oder anderen gesponserten Post oder eine Anzeige, das sei jedoch die Ausnahme.
Abgrenzung über Dosierungen möglich?
Wie könnte das regulatorische „Wirrwarr“ um CBD gelöst werden? Der Europäische Verband für Industriehanf (European Industrial Hemp Association, EIHA) spricht sich in einem Positionspapier für eine einheitliche EU-Regulierung von CBD in Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln bzw. Kosmetika aus. Der EIHA schlägt anstelle des derzeit bestehenden „dürftigen Flickwerks“ eine dreistufige Regulierung für unterschiedliche Dosen (auf Erwachsene bezogen) und Anwendungen von CBD vor:
- hochdosierte und reine CBD-Produkte (mehr als 200 mg oral/Tag): Arzneimittel, wobei der Grenzwert aus den Ergebnissen klinischer Studien abgeleitet wurde,
- mittlere Dosen (20 – 160 mg oral /Tag), von denen physiologische Effekte erwartet würden: Nahrungsergänzungsmittel. Extrakte und Tinkturen sollten vorzugsweise auf einen bestimmten CBD-Gehalt eingestellt sein.
- niedrige Dosen (<20 mg/Tag): zulässig für Lebensmittel ohne weitere Beschränkungen.
Das Positionspapier ist relativ neu und so bleibt abzuwarten, ob eine solche Regelung tatsächlich rechtlich möglich ist und, falls ja, ob sie konsensfähig wäre. |
Literatur
ABDA-Faktenblatt. Rezepturarzneimittel mit Cannabis. Stand: 21. Juni 2018. https://www.abda.de/fileadmin/assets/Faktenblaetter/Faktenblatt_Rezepturarzneimittel_Cannabis_2018-06-21.pdf
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Niema Movassat, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/2386 – Versorgungslage von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Deutscher Bundestag Drucksache 19/2753 19. Wahlperiode 14.06.2018
BgVV (Bundesinstitut für Gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin) (2000). Richtwerte für THC in hanfhaltigen Lebensmitteln empfohlen. BgVVPressedienst 07/2000, 16.03.2000
Bundesinstitut für Risikobewertung. Tetrahydrocannabinolgehalte sind in vielen hanfhaltigen Lebensmitteln zu hoch – gesundheitliche Beeinträchtigungen sind möglich. Stellungnahme Nr. 034/2018 des BfR vom 8. November 2018 DOI 10.17590/20181108-075209-0 https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/tetrahydrocannabinolgehalte-sind-in-vielen-hanfhaltigen-lebensmitteln-zu-hoch-gesundheitliche-beeintraechtigungen-sind-moeglich.pdf
Deutscher Bundestag Drucksache 18/8659; 18. Wahlperiode 03.06.2016; Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 30. Mai 2016 eingegangenen Antworten der Bundesregierung. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/086/1808659.pdf
EFSA (European Food Safety Authority: Scientific Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM)) (2015). Scientific Opinion on the risks for public health related to the presence of tetrahydrocannabinol (THC) in milk and other food of animal origin. EFSA Journal 13: 4141
Jenett-Siems K. Cannabidiol ohne Rezept. DAZ 2018;158(34):3390-3392
Klare Unterscheidung zwischen gesetzlich zugelassenen Nutzhanfsorten nach EU-Liste und Betäubungsmitteln. Petition von Stefan Nölker-Wunderwald an den Deutschen Bundestag vom 8. November 2018. https://www.hanf-zeit.com/media/wysiwyg/Petition181108.pdf
Koemm-Benson S. Amazon.de verbannt CBD-Öle – Update, veröffentlicht am: 26. Oktober 2018, Geändert am: 3. Dezember 2018. https://www.leafly.de/amazon-de-verbannt-cbd-oele/
Latour A. Der große Leafly.de CBD-Öl (Cannabidiol) Ratgeber. Vom 11. Mai 2018, geändert am: 16. November 2018. https://www.leafly.de/cbd-cannabidiol-ratgeber/
Positionspapier des europäischen Nutzhanfverbandes (EIHA), „Reasonable regulation of cannabidiol (CBD) in food, cosmetics, as herbal natural medicine an das medicinal product“. Update October 2018. http://eiha.org/media/2016/10/18-10-EIHA-CBD-position-paper.pdf
Q&A: WHO Expert Committee on Drug Dependence. Review of cannabis. August 2018. http://www.who.int/medicines/access/controlled-substances/Cannabis_Review_QA_26July2018.pdf?ua=1
WHO Expert Committee on Drug Dependence. CANNABIDIOL (CBD). Critical Review Report. Fortieth Meeting Geneva, 4-7 June 2018. http://www.who.int/medicines/access/controlled-substances/WHOCBDReportMay2018-2.pdf?ua=1
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