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Aus den Ländern
Was erwarten wir von der Selbstverwaltung?
Diskussion beim Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern
Dr. Dr. Georg Engel, Präsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, beschrieb das EuGH-Urteil von 2016 als Zäsur, die das Apothekenwesen nachhaltig verändere. Die Risiken für den Bestand der Apotheken seien groß. Dies treffe besonders die Schwächsten in der Gesellschaft, die auf wohnortnahe Apotheken angewiesen seien. Zum Rx-Versandverbot erklärte Engel: „Wir haben leichte Zweifel, ob Herr Spahn willens ist, es zeitnah oder überhaupt umzusetzen.“ Doch nach einem Regierungswechsel werde es jede andere Koalition noch weniger vertreten. Zugleich betonte Engel die Entschlossenheit der Apotheker: „Wenn das Rx-Versandverbot scheitert, liegt das nicht an den Apothekern, sondern allein an der Politik.“
Kammer: Instanz und nicht Lobbyverein
Jörg Hähnlein, Präsident des Landesverbandes der freien Berufe Mecklenburg-Vorpommern, erläuterte die Prinzipien der Freiberuflichkeit. Es sei das Interesse von Bürgern und Politik, qualitativ hochwertige Leistungen von Experten für alle zugänglich und erschwinglich zu machen. Kammern würden daher keine Lobbyinteressen verfolgen, sondern das Interesse der Allgemeinheit. Dabei müssten sie die unüberbrückbare Wissensasymmetrie zwischen Experten und Empfängern berücksichtigen. Patienten und Klienten müssten auf das Personal, die Organisation und das System vertrauen können. Dabei sei Marktregulierung „kein Artenschutz, sondern Funktionsvoraussetzung“, erklärte Hähnlein und wandte sich kritisch gegen das Engagement von Finanzinvestoren in den Gesundheitsberufen. Statt Rendite durch Absenkung des Qualitätsniveaus sei eine Mischkalkulation nötig, um die Leistungen jederzeit zugänglich zu machen. Anders als in der Marktwirtschaft würden bei den freien Berufen paradoxerweise mehr Regeln zu besseren Ergebnissen führen. So sei das Gesundheitswesen in den USA teuer, aber die Lebenserwartung steige dort nicht mehr. Dennoch werde das in Deutschland etablierte freiberufliche Konzept auf der EU-Ebene immer wieder angegriffen. Diesen Herausforderungen und den neuen disruptiv wirkenden Technologien könnten Freiberufler nicht allein mit Basisdemokratie begegnen, sondern sie müssten Expertenrat nutzen, mehr Analysen betreiben und dafür ihre Selbstverwaltung ausbauen. Doch dabei betonte Hähnlein: „Selbstverwaltung sind nicht die da, sondern wir selbst.“ Zugleich sei es mit der Berufsauffassung nicht vereinbar, Beamten folgen zu müssen, die keine Experten sind. Dazu sollten Freiberufler argumentieren: „Wir sind kein Lobbyverein, sondern eine Instanz mit mittelbarer Staatsaufgabe“, erklärte Hähnlein.
ABDA: Verband der Verbände
Anschließend ging es in vier Impulsvorträgen um die speziellen Belange der Selbstverwaltung der Apotheker. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt erklärte die Struktur und die Entscheidungswege der ABDA. Die ABDA ziele auf die Wahrnehmung und Förderung der gemeinsamen Interessen, aber nicht auf die Kommunikation mit den einzelnen Berufsträgern. Denn die ABDA sei ein „Verband der Verbände“. Sie müsse divergierende Interessen verschiedener Positionen zu politikfähigen Positionen verbinden, um „mit einer Stimme sprechen zu können“. Dies berge die Gefahr, Entscheidungen zu verlangsamen oder zu verhindern, erklärte Schmidt. Hinsichtlich der inhaltlichen Ziele betonte Schmidt, dass Planungssicherheit, Versorgungssicherheit und Honorar zusammengehören. Schmidt räumte ein, dass die ABDA spät auf die aktuellen Herausforderungen eingegangen sei. Denn die ABDA habe erwartet, dass die Gesellschaft aus der Finanzkrise lerne und stärker auf präventiv ausgerichtete Organisationen setze. Doch stattdessen werde unverändert ein neoliberales Modell verfolgt.
Vorschläge für Veränderungen
DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn konstatierte, dass die Zurückhaltung vieler Apotheker in der Berufspolitik nicht bedeuten müsse, dass alle mit allem einverstanden sind. Beim Verhältnis zwischen Bundes- und Länderorganisationen sei die Verteilung der Finanzmittel entscheidend für den jeweiligen Handlungsspielraum. Müller-Bohn regte an, spezielle Interessen, beispielsweise für Landapotheker, auch innerhalb der ABDA organisatorisch abzubilden. Außerdem sollten bei Bedarf auch Experten eingebunden werden, die nicht zur Struktur der ABDA gehören.
Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, berichtete, dass die Handelskammer in Hamburg einen zeitweiligen Kurs der Verschlankung wieder aufgegeben habe. „Selbstverwaltung muss gelebte Demokratie sein“, erklärte Siemsen. Dabei wünscht er sich – anders als derzeit vorgesehen – mehr Informationen direkt von der ABDA an die Berufsangehörigen. Außerdem seien effiziente und effektive Strukturen nötig, um schnell reagieren zu können. Siemsen kritisierte zudem, dass auf die Apotheker in verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedliche Beiträge entfallen.
Nicola Norda, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, schwenkte von den Strukturen zu den Inhalten der Berufspolitik. Die Apotheker müssten sowohl das Rx-Versandverbot als auch eine bessere Honorierung fordern. Die Politik müsse die Leistungen der Apotheker anerkennen. Von der ABDA forderte Norda eine „wahrnehmbare Öffentlichkeitsarbeit“. Stattdessen entferne sich die ABDA durch das Schweigen zum 2HM-Gutachten und zu Gesprächen mit Politikern von den Apothekern. Daraus folgerte Norda: „Es darf kein ‚Weiter wie bisher‘ geben.“
Vielschichtige Diskussion
Nach den Kurzvorträgen stellten sich alle Referenten einer Diskussion, die von Dr. Christoph Schümann, Vizepräsident der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern, moderiert wurde. Dabei ging es um die Erwartungen, die angesichts aktueller berufspolitischer Ereignisse an die Selbstverwaltung der Apotheker gerichtet sind. Im Mittelpunkt stand dabei die Berufspolitik auf der Bundesebene (siehe Seite 9), aber auch zu speziellen Themen in Mecklenburg-Vorpommern bestand Diskussionsbedarf. Insbesondere wurde aus dem Auditorium kritisiert, dass die kürzlich eingeführte Verpflichtung zum Nachweis von Fortbildungspunkten nicht angemessen kommuniziert worden sei. Engel entgegnete, dass die Kammerversammlung auf drei Sitzungen darüber diskutiert habe, bevor der Beschluss gefasst worden sei. |
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