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Nicht nur „Unzufriedene“ beteiligt
Adexa-Tarifumfrage: Interview mit der Zweiten Vorsitzenden Tanja Kratt
DAZ: Frau Kratt, wie erklären Sie die unterschiedlichen Befunde zwischen der Treuhand Hannover und Ihnen?
Kratt: Es ist immer schwierig, wenn man ganz unterschiedlich erhobene Zahlen vergleicht. Auch die Tarifumfrage 2018 zeigt ja, dass in den meisten Kammerbezirken im Schnitt übertariflich verdient wird. Aber während es von 2014 nach 2016 in dreizehn Kammerbezirken prozentual bergauf ging, war das von 2016 bis 2018 nur noch in sechs Kammerbezirken der Fall. In sieben ging es sogar wieder um 1 bis 2 Prozentpunkte herunter.
DAZ: Was könnte dann die Erklärung dafür sein, dass die Treuhand Hannover herausgefunden hat, dass die Gehaltsansprüche tendenziell steigen?
Kratt: Die Treuhand Hannover hat in den von Ihnen genannten Präsentationen Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern und für das Bundesgebiet vorgestellt. In Mecklenburg-Vorpommern sehen wir in der Tarifumfrage für 2016 und 2018 einen Gehaltsdurchschnitt von einem Prozent über Tarif. Also eine auf sehr niedrigem Niveau stagnierende Vergütung. Die Treuhand hat dort sogar von 2016 bis 2018 einen prozentualen Rückgang der Personalkosten von 0,6 Prozent errechnet – im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt, wo es vom 1. Halbjahr 2017 zum 1. Halbjahr 2018 einen Anstieg um 2,1 Prozent gab.
DAZ: Bedeutet denn ein Arbeitsplatzwechsel immer auch gleichzeitig eine Gehaltsverbesserung für den jeweiligen Mitarbeiter?
Kratt: Dass Mitarbeiter aufgrund des Fachkräftemangels eine bessere Verhandlungsposition haben und steigende Gehaltsansprüche geltend machen, ist gut nachvollziehbar. Denn der Tarif ist ja wirklich ein Mindeststandard und im Branchenvergleich sind die Apothekenberufe wirklich nicht optimal bezahlt. Dass jeder Personalwechsel eine Steigerung bedeutet, können wir allerdings nicht nachvollziehen. Wenn ältere Mitarbeiter ausscheiden, werden sie ja in der Regel durch jüngere ersetzt, die in niedrigeren Berufsjahresgruppen eingestuft sind und daher die Personalkosten senken müssten.
DAZ: Ist Ihre Umfrage repräsentativ?
Kratt: An unseren Umfragen, die wir alle zwei Jahre wiederholen – auch mit einem weitgehend identischen Set an Fragen, von Sonderthemen einmal abgesehen – beteiligen sich sowohl Adexa-Mitglieder als auch Nichtmitglieder. 2014 und 2016 waren es über 2000 Teilnehmer, 2018 sogar über 3000 Angestellte. Wenn man die Ergebnisse der letzten drei Umfragen vergleicht, ergeben sich sehr konsistente Werte für die 17 Kammerbezirke. Wir erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität, aber aussagekräftige Tendenzen können wir damit meines Erachtens schon erkennen.
DAZ: Kann es dann sein, dass an der Tarifumfrage bevorzugt „Unzufriedene“ teilnehmen und die Ergebnisse daher verzerrt sind?
Kratt: Wenn das durchschnittliche Gehalt in Baden-Württemberg, Hamburg und Nordrhein bei 108 Prozent über Tarif liegt, würde ich nicht davon ausgehen, dass sich hier nur „Unzufriedene“ beteiligen. Beim Blick auf die unterdurchschnittlichen Gehälter von Minijobbern im Apothekenbereich, die sich aus der Umfrage ergeben, hoffe ich allerdings schon, dass sich die Betroffenen damit nicht abfinden – und dass sie sich für ihr Recht auf Gleichbehandlung einsetzen. Gewerkschaftsmitglieder unterstützt unsere Rechtsberatung dabei gerne.
DAZ: Zurück zur Gehaltsstruktur: Wenn der übertarifliche Anteil der Gehälter in Apotheken tatsächlich zurückgeht und zudem allgemeiner Konsens über Personalknappheit herrscht, erscheint dies als Warnsignal. Denn es hieße, dass Apotheken nicht mehr das Personal finanzieren können, das sie benötigen. Was möchte die Adexa daraufhin unternehmen?
Kratt: Mein Vorstandskollege Andreas May hat sich bereits seit der Amtsübernahme von Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister um ein Gespräch mit ihm bemüht – und wir werden uns im Januar auch mit ihm in Berlin treffen können. Dabei wird selbstverständlich auch das Thema der Apothekenhonorierung auf den Tisch kommen. Wir wollen ihm dabei deutlich machen, welchen Einfluss die Vergütung der Apothekenleistungen und das EuGH-Urteil zum Versandhandel auf die Tarifverhandlungen haben.
DAZ: Welche Konsequenzen halten Sie angesichts der angekündigten Gespräche zwischen Gesundheitsministerium und der Standesvertretung der Apotheker für angebracht?
Kratt: Sicher muss immer wieder thematisiert werden, welche Leistungen die Präsenzapotheken für das Gesundheitswesen erbringen und wie sich dieser Wert beziffern lässt. Für gute Leistungen ist qualifiziertes Personal notwendig und das hat seinen Preis. Ich glaube, die Standesvertretung sollte ganz offensiv in diese Gespräche gehen mit Zahlen, welche Personalkosten nötig sind, um gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bekommen und zu halten. Und auch mit Belegen, dass sich tariflich etwas bewegt und bewegen muss. Bei den Pflegekräften diskutiert man gerade einen Vorschlag des Pflegebevollmächtigten, Teilzeitkräfte zum Aufstocken zu bewegen, indem man ihnen bei 80 Prozent der Arbeitszeit ein volles Gehalt bezahlt. Noch ist die Situation im Apothekenbereich nicht so dramatisch. Aber Arbeitgeber wie Politik müssen rechtzeitig die Weichen stellen, dass es dazu auch nicht kommt, sondern dass die Arbeitsbedingungen attraktiver werden.
DAZ: Frau Kratt, vielen Dank für das Gespräch. |
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