Die Seite 3

Made in Germany

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Ich erinnere mich noch sehr gut an den 5. Juli. Am Tag zuvor hatte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen chargenbezogenen, EU-weiten Rückruf bekannt gegeben. Betroffen waren Valsartan-haltige Arzneimittel, deren Wirkstoff von Zhejiang Huahai Pharmaceutical in China produziert wurde. Produktionsbedingt war es zu einer Verunreinigung der Präparate mit N-Nitrosodimethylamin gekommen, einem Stoff, der von der WHO und EU als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wird. Bis zur Klärung des Sachverhaltes sollten die betroffenen Chargen zurückgerufen werden – auf Ebene der Apotheken, nicht bei den Patienten. Doch die Informationen waren längst zu ihnen durchgedrungen.

Am Morgen nach der ominösen Nachricht des BfArM begann sich nämlich der Zusammenhang „alltäglicher Blutdrucksenker, billig produziert in China und mit krebserregendem Stoff verseucht“ schon ins kollektive Gedächtnis einzubrennen. Die halbstündigen Meldungen im Radio verdeutlichten: Hier läuft etwas gehörig schief. Erstens: Weshalb werden die Fachkreise, insbesondere die Apotheken, nicht vor der Öffentlichkeit über Ereignisse mit solcher Tragweite informiert? Zweitens: Wie konnte es zu der Verunreinigung kommen? Und drittens: Welche Konsequenzen wird dieser Vorfall für unser Arzneimittelwesen haben?

An diesem 5. Juli riefen Apotheker, Ärzte und Patienten bei uns in der Redaktion an und erkundigten sich nach den betroffenen Chargen und den möglichen Folgen einer jahrelangen Exposition. Ausnahmslos verwiesen wir an die Arzneimittel­kommissionen, zuständigen Behörden und die behandelnden Ärzte sowie Apotheker. Per E-Mail und in unzähligen Kommentaren auf DAZ.online tauschten sich die Patienten aus, schrieben über ihre Situation, den Ärger und die Ängste. So mancher versuchte eine Erklärung für die eigene Krebserkrankung oder die der – zum Teil schon verstorbenen – Angehörigen zu finden. Immer wieder die verzweifelte Frage: „Ist mein Präparat auch betroffen?“

Während wir in der DAZ die Ursachen für das „Valsartan-Desaster“ systematisch aufarbeiteten und verschiedene Experten zu Wort kommen ließen, blieben die großen standes- und gesundheitspolitischen Folgen bisher aus. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Rückrufe war beispielsweise die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker wegen Überlastung nicht zu erreichen. In den Apotheken beschwerten sich die Patienten und forderten den Umtausch bzw. die Erstattung ihrer vermeintlich mangelhaften Arzneimittel. Über mögliche Konsequenzen im Hinblick auf die Generikaherstellung oder die ­Rabattverträge hat man sich bisher auch nicht auseinandergesetzt.

Immerhin nutzte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn den Apothekertag, um den Berufsstand für die Professionalität in der Krise zu loben. Ein Lippenbekenntnis? Gute Miene zum bösen Spiel?

Den Wunsch einiger Patienten (und auch Fachleute), generische Arzneimittel sollten wieder „Made in Germany“ sein, ­beleuchten wir ab S. 57. Warum werden heute rund 80 Prozent unserer Wirkstoffe in China und Indien produziert? Ist der Pharmastandort Deutschland überhaupt noch attraktiv und lukrativ genug? Würde eine Verlagerung der Wirkstoffproduk­tion in heimische Gefilde tatsächlich einen Arzneimittelskandal verhindern?

Es grenzt an Nostalgie und Wehmut, sich aus heutiger Sicht wieder als „Apotheke der Welt“ fühlen zu wollen. Viel eher muss es zu einem Umdenken in der Politik kommen. Solange im Gesundheitswesen Kostendruck und Spar­zwang herrschen, wird immer ein Risiko für Qualitätsmängel und Versorgungsprobleme bestehen - un­abhängig davon, ob hier oder in Fernost produziert wird.

Dr. Armin Edalat


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