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Beratung
Jeden Monat dieselbe Qual
Der Einsatz von Schmerzmitteln bei primärer Dysmenorrhö
Viele Mädchen und Frauen schauen ihren Tagen Monat für Monat mit Graus entgegen, denn sie wissen: Kurz vor oder mit Beginn des Menstruationsflusses stellen sich starke Schmerzen im Bauch- und Beckenbereich ein, die auch in den Rücken oder die Beine ausstrahlen können. Sie dauern typischerweise acht bis 72 Stunden an und damit nicht genug – begleitet werden können sie von Kopfschmerzen, Durchfall, Müdigkeit, Übelkeit oder Erbrechen. Einige Mädchen und Frauen beeinträchtigen die Symptome so sehr, dass sie der Schule oder Arbeit fernbleiben und ihre sozialen und sportlichen Aktivitäten stark einschränken müssen. Häufig werden Betroffene mit ihren Regelbeschwerden jedoch nicht ernst genommen. Dabei leiden 50 bis 75% der Mädchen und jungen Frauen unter Dysmenorrhö. Ein Lichtblick: Bei vielen Frauen nehmen die primären Regelschmerzen mit zunehmendem Alter ab. Sekundäre Regelschmerzen treten hingegen vor allem bei Frauen im Alter von 30 bis 40 Jahren auf.
Schmerzen ohne organische Ursache
Von einer primären Dysmenorrhö spricht man, wenn die krampfartigen Unterbauchschmerzen während der Mens-truation keine fassbare organische Ursache haben. Sie beginnt typischerweise sechs Monate bis drei Jahre nach der Menarche, der ersten Menstruationsblutung eines Mädchens, zur vollen Ausprägung kommt sie allerdings erst, wenn sich vollständige und regelmäßige ovulatorische Zyklen entwickelt haben. Ausgelöst werden die Schmerzen unter anderem durch Prostaglandine, die am Zyklusende, wenn es zum steilen Abfall des Estrogen- und Progesteron-Spiegels kommt, vermehrt in der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) und in der Muskelzellschicht des Uterus (Myometrium) gebildet werden. Vor allem Prostaglandin E2 (PGE2) erhöht die Kontraktilität des Myometriums und bewirkt eine Vasokonstriktion, die eine Minderdurchblutung der Funktionalis, der oberen Schicht der Gebärmutterschleimhaut, und dadurch bedingt eine schlechtere Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff zur Folge hat. Diese Prozesse ermöglichen die Abstoßung der Schleimhaut, allerdings bewirken sie auch eine ischämische Schädigung des Gewebes, die sehr schmerzhaft sein kann. Üblicherweise sind die Schmerzen bei starken Blutungen intensiver, weil die Gebärmutter sich dabei stärker zusammenzieht, um das Endometrium auszustoßen. Über die Blutbahn erreichen die gebildeten Prostaglandine auch andere Organe und Gewebe, wo sie weitere menstruationstypische Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auslösen können. Zudem können Prostaglandine Schmerzrezeptoren sensibilisieren und die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Aufgrund ihrer recht kurzen Halbwertszeit lassen die Prostaglandin-vermittelten Beschwerden innerhalb weniger Tage nach.
Später auftretende Regelschmerzen
Bei einer sekundären Dysmenorrhö liegen organische Ursachen für die Unterbauchschmerzen vor, z. B. entzündliche oder tumoröse Erkrankungen der Geschlechtsorgane wie eine Gebärmutterentzündung, ein Myom, Ovarialzysten oder eine Endometriose. Auch genitale Fehlbildungen und mechanische Verhütungsmittel wie eine Spirale oder ein Diaphragma können starke Regelschmerzen hervorrufen. Meist treten die sekundären Regelschmerzen erst später im Leben auf, etwa zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr. Die Symptome einer sekundären Dysmenorrhö unterscheiden sich kaum von denen einer primären. Je nach Grunderkrankung können die Begleitsymptome jedoch variieren. Bei Myomen oder Endometriose beispielsweise berichten betroffene Frauen häufig zusätzlich über sehr starke und lang anhaltende Regelblutungen.
Primäre Dysmenorrhö in der Selbstmedikation
Bei der Beratung in der Apotheke ist es wichtig, die primäre von der sekundären Dysmenorrhö zu unterscheiden. Eine Selbstmedikation ist nur möglich, wenn sich die Menstruationsbeschwerden nicht von den gewohnten Symptomen unterscheiden. Sind sie ungewöhnlich stark oder treten sie ganz plötzlich nach mehreren beschwerdefreien Menstruationsjahren auf, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine sekundäre Dysmenorrhö vor. Dann sollte die Patientin umgehend zu einem Gynäkologen geschickt werden. An eine sekundäre Dysmenorrhö ist auch zu denken, wenn die Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika und hormonalen Kontrazeptiva zu keinem zufriedenstellenden Erfolg führt (siehe Kasten „Regelschmerzen – wann zum Arzt?“).
Regelschmerzen – wann zum Arzt?
- erstmaliges Auftreten von Regelschmerzen, nachdem die Menstruation lange Zeit schmerzfrei verlaufen ist
- Regelschmerzen mit zunehmender Intensität oder Dauer
- extrem starke Regelblutung
- Regelschmerzen, die außerhalb der ersten 72 Stunden der Regelblutung auftreten
- Regelschmerzen bei sehr jungen Mädchen (unter 15 Jahren)
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Regelschmerzen, die mit OTC-Präparaten nicht ausreichend behandelt werden können
Nichtsteroidale Antirheumatika als Mittel der ersten Wahl
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen, Naproxen oder Diclofenac hemmen die vermehrte Prostaglandin-Synthese und können so die krampfhaften Schmerzen spürbar lindern. Die Einnahme sollte dabei so früh wie möglich, also gleich zu Beschwerdebeginn oder maximal ein bis zwei Tage vor der erwarteten Blutung beginnen. Zudem sollte die Initialdosis ausreichend hoch gewählt werden (siehe Tabelle 1). Zu welchem Schmerzmittel Frauen greifen, die unter Dysmenorrhö leiden, hängt meist von ihrer persönlichen Erfahrung ab. Nicht jeder Wirkstoff wirkt bei jeder Frau gleichermaßen. In einem Cochrane Review wurde die Evidenz zur Sicherheit und Alltagswirksamkeit von NSAR bei Menstruationsschmerzen untersucht. Demnach scheinen NSAR im Vergleich zu Placebo zur Linderung von Menstruationsschmerzen sehr wirksam zu sein. Es konnte jedoch nicht belegt werden, dass bestimmte NSAR sicherer oder wirksamer sind als andere. Auch ein direkter Vergleich von COX-2-Hemmern mit nicht selektiven Cyclooxygenase(COX)-Hemmern ließ keine Schlüsse auf eine höhere Effektivität oder ein geringeres Nebenwirkungsprofil zu. Demnach können Sie in der Apotheke, unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen, die verschiedenen Wirkstoffe gleichermaßen empfehlen. Lediglich Acetylsalicylsäure ist keine geeignete Option, da der Thrombozytenaggregationshemmer die Blutung möglicherweise verstärkt. Auch Paracetamol gilt aufgrund der Hepatotoxizität und der im Vergleich zu NSAR schlechteren Wirksamkeit (keine Hemmung der Prostaglandin-Synthese) bei Dysmenorrhö nicht als Mittel der ersten Wahl, stellt aber eine Alternative für Frauen dar, bei denen die Einnahme von NSAR kontraindiziert ist.
Wirkstoff |
Präparatebeispiele |
empfohlene Dosierung bei Regelschmerzen |
Einnahmeempfehlung/Besonderheiten |
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Naproxen |
Dolormin® für Frauen
Naproxen – 1A Pharma® 250 mg bei Regelschmerzen
Naproxen-ratiopharm® Schmerztabletten
Naproxen Schwörer® Filmtabletten
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Ibuprofen |
Mensoton® gegen Regelschmerzen
Dismenol® Ibuprofen 200 mg
Dismenol® forte Ibuprofen 400 mg
Urem® forte
Dolormin®, Dolormin® extra
Ibu 400 akut – 1A Pharma®
Ibubeta® 400 akut
IbuHexal® akut
Ibu-Lysin-ratiopharm®
Neuralgin®extra
Nurofen® Immedia
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Diclofenac |
Diclac® Dolo
Diclofenac dura®
Diclofenac-Kalium AL®
Diclofenac-Kalium Stada®
Voltaren® Dolo
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Paracetamol (empfohlen, wenn NSAR kontraindiziert sind) |
ben-u-ron® 500 mg Tabletten
Paracetamol Stada® 500 mg Tabletten
Paracetamol 500 mg Hexal® Tabletten
Paracetamol 500 mg - 1A-Pharma®
Paracetamol-ratiopharm® 500 mg
Paracetamol AL 500
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Kontraindikationen beachten
NSAR sind bei Magen-Darm-Ulzerationen, Blutungen oder Perforationen (auch in der Anamnese), Asthma bronchiale, hämorrhagischer Diathese, schweren Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie Herzinsuffizienz kontraindiziert. Glucocorticoide erhöhen die Gefahr gastrointestinaler Komplikationen zum Teil dramatisch und dürfen deswegen nicht zusammen mit NSAR verabreicht werden. Auch während einer Behandlung mit Antikoagulanzien besteht eine Kontraindikation, denn NSAR können die gerinnungshemmende Wirkung von Cumarin-Derivaten (z. B. Phenprocoumon) oder anderen Antikoagulanzien (z. B. Heparin) verstärken.
Beratungshinweise: NSAR bei Regelschmerzen
- „Beginnen Sie mit der Einnahme des Schmerzmittels sofort beim ersten Einsetzen der Beschwerden. Die rechtzeitige Einnahme ist entscheidend für eine effektive Wirkung.“
- „Nehmen Sie gleich zu Beginn eine ausreichend hohe Dosis des Schmerzmittels ein.“
- „Für eine schnelle Wirkung nehmen Sie das Arzneimittel unzerkaut und am besten vor einer Mahlzeit ein. Wenn Sie Probleme mit dem Magen haben, können Sie vor der Einnahme aber auch etwas essen.“
- „Sollte sich das Beschwerdebild Ihrer Regelschmerzen plötzlich ändern, suchen Sie bitte umgehend einen Arzt auf. Dann sollten Sie die Symptome nicht selbst behandeln.“
Schmerzmittel speziell für Regelschmerzen
Da die Ansprechrate auf bestimmte NSAR von Frau zu Frau sehr unterschiedlich sein kann, lohnt es sich, verschiedene Wirkstoffe auszuprobieren. Einige Arzneimittel werden explizit für Frauen mit Regelschmerzen ausgelobt. Beim Blick in die Fachinformation Ibuprofen-haltiger Arzneimittel speziell gegen Regelschmerzen stellt man fest, dass sich bei ihnen allein der Aufdruck auf der Verpackung, der auf die Anwendung bei Frauen hinweist, sowie der Namenszusatz, z. B. „gegen Regelschmerzen“, von anderen Ibuprofen-Präparaten unterscheidet. Sowohl die Wirkstoffmenge als auch die Formulierung, die Anwendungsgebiete (leichte bis mäßig starke Schmerzen und Fieber) als auch die Einnahmeempfehlungen sind bei allen Produkten gleich. Anders bei Naproxen-haltigen Arzneimitteln: Hier deutet nicht nur der Name, z. B. Dolormin® für Frauen oder Naproxen – 1A Pharma® 250 mg bei Regelschmerzen auf das spezielle Anwendungsgebiet hin, auch die Packungsbeilage beschränkt die Indikation ausschließlich auf „leichte bis mäßig starke Regelschmerzen“. Bei anderen Naproxen-haltige Präparate werden hingegen generell leichte bis mäßig starke Schmerzen, wie Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, Regelschmerzen und auch Fieber als Anwendungsgebiete angegeben. Außerdem findet man in Dolormin® für Frauen und Naproxen – 1A Pharma® 250 mg bei Regelschmerzen im Vergleich zu den nicht speziell für Dysmenorrhö ausgelobten Präparaten, die in der Regel 220 mg Naproxen-Natrium, entsprechend 200 mg Naproxen enthalten, etwas mehr Wirkstoff, nämlich 250 mg Naproxen pro Tablette. Ein herausragender Grund, solche Arzneimittel, die speziell gegen Regelschmerzen ausgelobt werden, besonders zu empfehlen, sind diese Unterschiede sicherlich nicht – die spezifischen Arzneimittelinformationen in der Packungsbeilage (siehe Kasten „Was unterscheidet Dolormin® für Frauen von Dolormin® GS mit Naproxen?“) und der psychologische Effekt „spezieller“ Frauenpräparate könnten jedoch bei der Kaufentscheidung einer Kundin in der Apotheke ausschlaggebend sein.
Was unterscheidet Dolormin® für Frauen von Dolormin® GS mit Naproxen?
Das Unternehmen Johnson & Johnson hat mit den Produkten Dolormin® GS mit Naproxen und Dolormin® für Frauen zwei Naproxen-haltige Arzneimittel auf dem Markt. Die Formulierung der Tabletten selbst scheint gleich zu sein: Beide Arzneimittel enthalten 250 mg Naproxen, außerdem Lactose-Monohydrat, vorverkleisterte Stärke (Mais), Povidon (K 30), Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat (Ph. Eur.) und Chinolingelb (E 104). Unterschiede zeigen sich jedoch beim Blick auf die Packungsbeilagen, die jeweils speziell auf die Bedürfnisse der Ziel-Patientengruppe abgestimmt sind. So empfiehlt die Packungsbeilage von Dolormin® GS mit Naproxen beispielsweise unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten je nach Stärke und möglichen tageszeitlichen Schwankungen der arthrosebedingten Schmerzen. Auch die Anwendungsdauer, die bei Dolormin® GS mit Naproxen ohne ärztlichen Rat nicht länger als fünf bis sieben Tage betragen sollte, unterscheidet sich von den bei Dolormin® für Frauen angegebenen vier Tagen. Für den Therapieerfolg ist eine solche Selektion und Individualisierung von Informationen sicherlich hilfreich. Preislich unterscheiden sich die Arzneimittel nicht voneinander.
Neue Fixkombination aus Ibuprofen und Coffein
Voraussichtlich im Dezember wird das neue Thomapyrin® Tension Duo, eine Fixkombination aus Ibuprofen 400 mg und Coffein 100 mg, die Sichtwahl der Apotheke bereichern. Abgegeben werden darf es zur Behandlung von akuten, mäßig starken Schmerzen bei Erwachsenen – worunter auch Regelschmerzen fallen. Laut dem Hersteller Sanofi konnte in der Zulassungsstudie die Überlegenheit der Kombination von Ibuprofen mit Coffein hinsichtlich der analgetischen Wirksamkeit gegenüber der Monosubstanz deutlich gezeigt werden – und das bei vergleichbarer Verträglichkeit. Bei der Beratung ändert sich nicht viel: Die Ibuprofen-Wirkstoffmenge darf pro Einzeldosis 400 mg und in der maximalen Tagesdosis 1200 mg nicht überschreiten. Mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen entsprechen denen der Monosubstanz. Für Coffein gilt eine maximale Einzeldosis von 100 mg bzw. 300 mg als Tageshöchstdosis. Demnach dürfen maximal drei Tabletten täglich über eine Dauer von bis zu drei Tagen eingenommen werden. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist das Arzneimittel nicht geeignet. Einen kritischen Blick sollten die Patienten lediglich auf ihren zusätzlichen Kaffee-Konsum werfen: Die pro Tablette enthaltenen 100 mg Coffein entsprechen dem Coffein-Gehalt einer Tasse normalem Filterkaffee.
Alternative: Ovulationshemmer
Sprechen die Regelschmerzen auf keines der eingenommenen NSAR an oder wünscht die Frau gleichzeitig eine sichere Empfängnisverhütung, ist der Einsatz von Ovulationshemmern (hormonalen Kontrazeptiva) indiziert, wobei auch in diesen Fällen unbedingt Kontraindikationen beachtet werden müssen. Ovulationshemmer verhindern nicht nur den Eisprung, unter dem Hormoneinfluss wird auch deutlich weniger Endometrium aufgebaut. Folglich ist der Menstruationsfluss vermindert, und es werden geringere Mengen Prostaglandine synthetisiert. Darüber hinaus hemmen aber auch bestimmte Gestagene die Prostaglandin-Synthese direkt. Deshalb ist alternativ die zyklische Einnahme eines nicht ovulationshemmenden Gestagen-Präparats möglich, z. B. Dydrogesteron (20 mg/Tag) oder Chlormadinonacetat (1 mg/14. bis 25. Zyklustag), wenn keine Ovulationshemmung gewünscht wird. |
Literatur
Burnett M, Lemyre M. Primary Dysmenorrhea Consensus Guideline. Journal of Obstetrics and Gynaecology Canada 2017;39(7):585-595
Marjoribanks J, Ayeleke RO, Farquhar C, Proctor M. Nonsteroidal antiinflammatory drugs for Dysmenorrhöa, Cochrane Database of Systematic Reviews 2015;7:Art. No. CD001751
Osayande AS, Mehulic S. Diagnosis and Initial Management of Dysmenorrhea. Am Fam Physician 2014;89(5):341-346
Brühwiler H, Sieger D, Lüscher K. Primäre Dysmenorrhö. Schweiz Med Forum 2006;6:919–922
Werner S. Die Regel muss nicht schmerzhaft sein, Deutsche Apotheker Zeitung 2015;44:42-46
Homepage der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie e.V., www.kindergynaekologie.de
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