Wirtschaft

Gewachsene Stärke

Ein anderer Blick auf den Pharmastandort Deutschland

Foto: Dirk Laessig
Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller

Viele Patienten auf der Welt vertrauen täglich jemandem, den sie meist gar nicht vor Augen haben: den zuverlässigen, motivierten, gut ausgebildeten Beschäftigten in der Pharmaproduktion in Deutschland.

Die Visitenkarte dieser Menschen, seien es Pharmazeuten, Chemikanten oder Verfahrensingenieure, ist ihr spezifisches Wissen und ihre Neigung zu Sorgfalt und Präzision. Es ist deshalb auch mit ihr Verdienst, dass Deutschland zu den besten Arzneimittelproduzenten der Welt gehört. Die Produktionsexpertise in Deutschland ist nicht vom Himmel gefallen: Sie ist über viele Jahre gewachsen. Gewachsen sind nicht nur die Zahl und die Komplexität der Anlagen, sondern auch die Erfahrungen der Menschen, die sie bedienen. Das ist einer der Gründe, weshalb Deutschland insbesondere für anspruchsvolle Pharmaproduktion geschätzt wird. Gerade in der Biotech-Pharmaproduktion kann Deutschland seine Stärken ausspielen. Denn dabei geht es darum, eine Vielzahl von anspruchsvollen Prozessschritten mit gleichbleibend hoher Qualität durchzuführen und die Technologien laufend zu optimieren. Hier können Produktionsbetriebe in Deutschland punkten und haben europaweit die Spitzenposition bei der Zahl der produzierten Wirkstoffe für Biopharmazeutika wie Insuline, Rheuma- und Krebsmittel sowie solche gegen seltene Krankheiten inne: 30 der 274 in der EU zugelassenen biopharmazeutischen Arzneimittel werden auch in Deutschland produziert; damit liegt Deutschland weltweit auf Platz 2 hinter den USA mit 102 dieser Arzneimittel. Die Biotech-Pharmaproduk­tion alleine hätte es nicht geschafft: So ist die räumliche Nähe zum Maschinenbau ein echter Standortvorteil, der nicht zu unterschätzen ist. Fällt nämlich eine Maschine mal aus, ist der Techniker mit dem Ersatzteil schnell und ohne Zollformalitäten zur Stelle. Die Produktion anspruchsvoller Wirkstoffe und Arzneimittel in Deutschland ist hoch spezialisiert. Der Wert der Produktion pharmazeutischer Erzeugnisse 2017 betrug 31 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs von 4,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der hohe Spezialisierungsgrad der deutschen Pharmaproduktion zeigt sich daran, dass rund 11 Prozent des Produktionswertes auf die Herstellung von Wirkstoffen entfallen, aber rund 89 Prozent auf die Herstellung von Arzneimitteln und Impfstoffen.

Die forschenden Pharma-Unternehmen beschäftigen rund 105.000 Menschen. Davon arbeiten ca. 31.000, also rund 30 Prozent, in der Pharmaproduktion (Ergebnisse der Mitgliederbefragung 2018 des vfa). Typische Berufsbilder dieser Mitarbeiter sind Pharmazeuten, Ingenieure für Verfahrenstechnik, Chemikanten und Pharmatechniker. Auch in der Pharmaproduktion ist die Digitalisierung – Schlagwort: Industrie 4.0 – auf dem Vormarsch. Mit dieser Prozessrevolution wächst auch der Bedarf an Spezialisten, die die digitale Pharmaproduktion konzipieren, überwachen und die Daten auswerten. Denn der „Kollege Roboter“ kann immer mehr, aber noch nichts wirklich alleine!

In Deutschland werden Medikamente produziert, die zum Beispiel gegen Krebserkrankungen, Rheumatoide Arthritis, Schlaganfall, Diabetes, Hepatitis C, HIV, Grippe und Diphtherie (Impfstoffe) zum Einsatz kommen. Dass so viele anspruchsvolle Arzneimittel in Deutschland produziert werden, ist auch ein Beitrag zur Versorgungssicherheit: Denn je höher die Produktionsexpertise vor Ort und je kürzer die Wege von der Produktion zum Patienten, umso schneller und unkomplizierter ist deren Versorgung in Deutschland.

Pharmazeutische Erzeugnisse „Made in Germany“ sind aber auch weltweit gefragt: Wegen der hohen Produktionsexpertise, der damit zusammenhängenden Qualität der Produkte und der Liefertreue liegt die Exportquote bei rund 66 Prozent.

Foto: vfa/M. Joppen

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