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- DAZ 43/2018
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Arzneimittel und Therapie
Vermehrt Komplikationen unter oralen Antikoagulanzien ...
... die mit einem guten Medikationsmanagement verhindert werden können
Seit 2011 sind vier NOAK auf dem Markt:
- Dabigatran (Pradaxa®)
- Apixaban (Eliquis®)
- Edoxaban (Lixiana®)
- Rivaroxaban (Xarelto®)
Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihres Wirkmechanismus von den Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin und Phenprocoumon (Marcumar®). Während Dabigatran ein direkter Thrombin-Inhibitor ist, hemmen die Xabane Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban direkt den zur Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin benötigten Faktor Xa. Je nach Indikation und individuell erforderlichen Anpassungen (z. B. nach Alter und Nierenfunktion) werden NOAK in fixen Tagesdosierungen eingesetzt. Regelmäßige Kontrollen der antikoagulierenden Wirkung sollen laut Herstellerangaben für die NOAK nicht notwendig sein. Allerdings sind diese durch die in der Routine verfügbaren Tests auch nicht verlässlich möglich. Höhere Plasmakonzentrationen der NOAK sind jedoch mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden. Aufgrund der im Vergleich zu den VKA kurzen Halbwertszeit der NOAK ist eine regelmäßige Einnahme hier besonders wichtig.
Wie der Alltag aussieht
Dabigatran, Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban sollen mindestens so effektiv und sicher sein wie die seit sechs Jahrzehnten eingesetzten Vitamin-K-Antagonisten. Dies ist zumindest in den meisten randomisierten, kontrollierten Zulassungsstudien gezeigt worden, bei denen auf Nichtunterlegenheit der NOAK getestet wurde. Die Situation im Alltag scheint jedoch anders auszusehen. In einer vergleichenden Kohortenstudie mit Daten von drei deutschen Krankenversicherungen zu Sicherheit und Wirksamkeit von VKA und NOAK bei Patienten mit Vorhofflimmern schien die Therapie mit VKA effektiver und sicherer zu sein als die Behandlung mit NOAK. Das könnte daran liegen, dass im Gegensatz zu den kontrollierten Studien sowohl das Alter als auch die Komorbidität der in die Studie eingegangenen Patienten höher waren.
Ähnliche Ergebnisse zeigte auch eine britische Studie zum Risiko der NOAK in einem „Real-world“-Setting. Auch wenn sich Apixaban hier im Vergleich zu Warfarin als die sicherere Substanz erwies, so konnte doch insgesamt keine klare Überlegenheit der NOAK gegenüber Warfarin als Vertreter der VKA gezeigt werden. Zwar konnte Apixaban im Vergleich zu Warfarin bei Patienten mit und ohne Vorhofflimmern einerseits das Risiko für schwere Blutungen verringern. Andererseits waren Rivaroxaban und niedrigere Dosierungen von Apixaban mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden.
Das Problem Medikationsfehler
Komplikationen während einer Behandlung mit oralen Antikoagulanzien können auch als Folge von Medikationsfehlern auftreten. Dazu zählen Einnahmefehler, ungenügende Überwachung des Blutbildes und/oder der Nieren- und Leberwerte, keine Dosisanpassung bei nachlassender Nierenfunktion und mangelnde Berücksichtigung pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Interaktionen.
Untermauert wird dies durch die Ergebnisse einer belgischen Beobachtungsstudie, nach der mehr als die Hälfte der schwerwiegenden Nebenwirkungen, die durch orale Antikoagulanzien ausgelöst wurden, durch Medikationsfehler verursacht worden sind und somit vermeidbar gewesen wären. Die Ergebnisse beruhen auf der Bewertung von 46 NOAK-Fällen und 43 VKA-Fällen aus den Notaufnahmen zweier Krankenhäuser hinsichtlich ihrer Kausalität, dem Schweregrad und ihrer Vermeidbarkeit. Sie wurde von vier unabhängigen Gutachtern (zwei Pharmazeuten und zwei klinische Hämatologen) vorgenommen. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 79 Jahre. Die häufigsten Begleiterkrankungen waren Vorhofflimmern (79%), Bluthochdruck (73%) und koronare Herzkrankheit (33%). 45% der Patienten hatten eine eingeschränkte Nierenfunktion.
In der Gruppe der mit NOAK behandelten Patienten traten 38 als schwerwiegende Nebenwirkung eingestufte Ereignisse auf. Nach Einschätzung der Gutachter wären davon 20 (53%) vermeidbar gewesen. In der VKA-Gruppe konnten 41 Ereignisse schwerwiegender Natur identifiziert werden. Von diesen hätten 25 (61%) vermieden werden können. Es handelte sich dabei um 19 (21%) thromboembolische und 70 (79%) hämorrhagische Komplikationen. Gastrointestinale und intrakranielle Blutungen traten am häufigsten auf. Während das Hauptproblem bei den VKA ein mangelhaftes Monitoring war, waren bei den NOAK-Patienten die meisten Medikationsfehler im Verordnungsprozess zu suchen.
Die insgesamt am häufigsten aufgetretenen Medikationsfehler waren Arzneimittelinteraktionen (meistens Kombination mit ASS oder einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum), Auswahl des falschen bzw. für den Patienten ungeeigneten oralen Antikoagulans, mangelnde Therapie-Adhärenz der Patienten, mangelnde Therapieüberwachung durch den Arzt, nicht erfolgte Dosisanpassung und fehlerhafte Dosierung, nicht vorhandene Indikation zur oralen Antikoagulation und Fehler bei der Informationsübertragung (z. B. zwischen Hausarzt und Facharzt). Weitere Fehlerquellen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit einer Behandlung mit oralen Antikoagulanzien wurden in Interviews mit Hausärzten zum Ausdruck gebracht. Hier wurden unter anderem Schulungsdefizite und Verunsicherung der Patienten (z. B. durch Medienberichte), Interaktionen nach Selbstmedikation, Kontaktverlust der NOAK-Patienten und Zeitmangel erwähnt.
Neue Leitlinie
Die Europäische Gesellschaft für Herzrhythmus-Störungen (European Heart Rhythm Association, EHRA) hat vor diesem Hintergrund im März dieses Jahres eine aktualisierte Praxisempfehlung zur Anwendung von NOAK bei Patienten mit Vorhofflimmern herausgegeben, mit dem Ziel, Medikationsfehler zu vermeiden. Darin sind 20 Themenpunkte identifiziert worden, zu denen umfassende praktische Richtlinien erarbeitet wurden. Neben Hinweisen zu der Auswahl eines geeigneten Präparates unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Arzneimittelinteraktionen wird darin auch besonderes Augenmerk auf die Kontrolle und Nachsorge bei einer Behandlung mit NOAK gelegt. Darüber hinaus werden Dosierungsfehler, das Management bei Komplikationen und das Medikationsmanagement bei geplanten und ungeplanten operativen Eingriffen behandelt.
Widerspruch zur AkdÄ
Von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) wird dieser Leitfaden jedoch kritisch gesehen, denn er basiert auf der bevorzugten Anwendung der NOAK und folgt damit den Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie. Aus Sicht der AkdÄ sollte sich der Einsatz der NOAK auf Patienten beschränken, für die eine Indikation zur Antikoagulation besteht, VKA jedoch keine Therapieoption sind. Die AkdÄ empfiehlt den Einsatz daher nur unter bestimmten Umständen, z. B. bei einem erhöhten Risiko für bestimmte Arzneimittel- oder Nahrungsmittelinteraktionen, wenn regelmäßige Kontrollen des INR-Wertes schwierig sind oder stark schwankende INR-Werte trotz regelmäßiger Einnahme von VKA bestehen. |
Quellen
[1] Sennesael A-L et al. Preventability of serious thromboembolic and bleeding events related to the use of oral anticoagulants: a prospective study. Br J Clin Pharmacol 2018; 84:1544-1556 doi:10.1111/bcp.13580
[2] Steffel J et al. The 2018 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the use of non-vitamin K antagonist oral anticoagulants in patients with atrial fibrillation. Eur Heart J 2018; 39:1330-1393, doi:10.1093/eurheartj/ehy136
[3] Arzneimittelbrief 2018; 52:41
[4] AkdÄ-Leitfaden „Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern“ 2016; 2. überarbeitete Auflage
[5] Mueller S et al. Real-world effectiveness and safety of oral anticoagulation strategies in atrial fibrillation: a cohort study based on a German claims dataset. Pragmatic and observational research 2018; 9:1-10
[6] Vinogradova Y et al. Risks and benefits of direct oral anticoagulants versus warfarin in a real world setting: cohort study in primary care. BMJ 2018; 362:k2505 doi:10.1136/bmj.k2505
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