Deutscher Apothekertag 2018

Wer A sagt, darf auch B sagen

Ein Kommentar von Christian Rotta

Dr. Christian Rotta, Geschäftsführer des Deutschen Apotheker Verlags

Schadet es, einen Plan B zu diskutieren, wenn man mit seinem Gegenüber über einen Plan A streitet? Oder konkret: Schwächt es die Verhandlungsposition der ABDA, wenn sie bei Aufrechterhaltung ihrer Forderung nach einem Rx-Versandhandelsverbot eine Arbeitsgruppe bildet, die ihrerseits (auch) mögliche Alternativen zu einem solchen Verbot auslotet?

Während die ABDA-Spitze diese Frage mehrheitlich zu bejahen scheint und vor einer inkonsequenten „Doppelstrategie“ warnt, standen sich bei den Delegierten in München zwei fast gleich große Lager mit konträren Positionen gegenüber. Einmütigkeit bestand noch darin, weiterhin – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – vom Gesetzgeber ein Versandhandelsverbots bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln einzufordern. Ein entsprechender Leitantrag wurde einstimmig angenommen. Sehr viel knapper ging es bei einem Adhoc-Antrag zu, in dem die ABDA aufgefordert wird, „schnellstmöglich“ eine Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen, die bis zur nächsten ABDA-Mitgliederversammlung am 5. Dezember 2018 zur Stärkung der inhabergeführten Apotheke geeignete Maßnahmen erarbeiten soll, um Jens Spahn auch dann Paroli bieten zu können, wenn mit ihm ein Rx-Versandhandelsverbot nicht durchgesetzt werden kann. Der Beschluss wurde mit 159 zu 153 Stimmen angenommen.

Ein Novum: In dem Beschluss ist festgehalten, dass an der Arbeitsgruppe auch „externe Fachleute“ ­beteiligt sein sollen. Insbesondere diese Vorgabe schien am Vorstandstisch und bei den Hauptamtlichen nicht jedem zu gefallen, galt doch bisher das Credo, mit ausschließlich eigenen juristisch-ökonomischen Bordmitteln besser zu fahren und „Rat von außen“ nicht nur nicht zu benötigen, sondern für kontraproduktiv zu halten. Dass damit jetzt gebrochen wird, ist gut und überfällig, zumal es vorrangig „externe ­Experten“ waren, die – auch in der DAZ – bereits wenige Wochen nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 interessante Überlegungen angestellt haben, um die arzneimittelpreisrechtlichen Auswirkungen des Luxemburger Judikats jenseits eines Rx-Versandhandelsverbots (das damals in noch weiterer Ferne lag als heute) abzuschwächen oder sogar in Griff zu bekommen. Die Varianten reichten (und reichen) von einer „Scharfstellung“ der apotheken­gesetzlichen „Länder-Liste“ für ausländische Arzneimittelversender über sozial(versicherungs)rechtliche Modelle, die geeignet sein könnten, den Rx-Arzneimittelhandel ausländischer Versandapotheken zu marginalisieren, bis zur Übertragung der Grundsätze des deutschen Buchpreisbindungsgesetzes auf das Arzneimittelpreisrecht.

Diese Vorschläge und Ansätze gilt es jetzt zu vertiefen und auf Herz und Nieren zu prüfen, ebenso wie es zu untersuchen gilt, wie die anderen sechs EU-Staaten, in denen ein Rx-Versandhandel rechtlich möglich ist, mit dem Phänomen umgehen. Nicht überall scheinen die Konsequenzen für öffentliche Apotheken so folgenreich und gravierend zu sein wie in Deutschland. Warum ist dies so?

Richtig ist: Keine dieser Maßnahmen dürfte die ordnungspolitische und ordnungsrechtliche Klarheit, Schärfe und Unbedingtheit haben wie ein gesetzlich verankertes Rx-Versandhandelsverbot. Richtig ist aber auch, dass wir gewappnet sein müssen, falls Jens Spahn – was nicht auszuschließen, vielleicht sogar wahrscheinlich ist – unter dem Vorwand „rechtlicher Bedenken“ oder unter Hinweis auf (von ihm protegierter) Einwände anderer Ressorts aus seiner schon heute zu Markt getragenen Verbotsskepsis ein offenes Nein werden lässt. Spahn ist ein gewiefter Taktiker, der – frei nach dem Motto „Friss oder stirb“ – den Ball in der „Versandhandelsfrage“ geschickt aufs ABDA-Feld retourniert hat. Darauf müssen wir reagieren. Dies gilt umso mehr, als sich die politische Debatte rund um das Rx-Versandverbot inzwischen zu einer komplexen und unübersichtlichen Gemengelage mit ungewissem Ausgang entwickelt hat, bei der mit weiteren Unwägbarkeiten zu rechnen ist. Welche Pfeile Spahn aus seinem Köcher zieht, weiß niemand. Und deshalb gilt: Wer A sagt, muss auch B sagen dürfen. Der Auftrag, den die ABDA jetzt von der Hauptversammlung erteilt bekommen hat, muss der Startschuss für eine gleichermaßen konzentrierte wie offene Debatte auch über „hilfsweise“ Alternativen zum Rx-Versandverbot sein.

Die Zeit drängt. Hoffen wir, dass es noch nicht zu spät ist.

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