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Deutscher Apothekertag 2018
Mindestens zweifaches Dilemma
Analyse der Angebote des Bundesgesundheitsministers
Die erste Gelegenheit zur Reaktion auf Spahns Äußerungen hatte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz beim Vortrag seines Geschäftsberichts. Er wich nur kurz von seinem Manuskript ab und mahnte, darauf zu achten, dass die Gleichpreisigkeit nicht unter die Räder gerate. Gemäß seinem vorbereiteten Text ist die Gleichpreisigkeit ein zentraler Aspekt in der Agenda der ABDA. Demnach hat die ABDA eine gewisse Richtungskorrektur vorgenommen: Im Zentrum der Bemühungen steht jetzt offenbar nicht mehr das Rx-Versandverbot als Instrument, sondern die Gleichpreisigkeit als Ziel.
In der anschließenden Diskussion erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, der Minister habe Gespräche über alternative Gestaltungsmöglichkeiten angeboten. Doch keine Maßnahme habe die gleiche Wirkung wie das Rx-Versandverbot. Ein alternatives Maßnahmenpaket setze voraus, dass die Apotheker Risiken in Kauf nähmen. Was jetzt angeboten werde, sei deutlich vom Versandverbot zu unterscheiden. „Es ist nicht gleichwertig“, erklärte Schmidt.
Gleichpreisigkeit im Mittelpunkt
BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer ging noch weiter und erklärte, zur Gleichpreisigkeit gebe es keinen anderen Weg als das Rx-Versandverbot. Auch der Minister habe keinen anderen Weg aufgezeigt. „Diese Kröte werden wir schlucken müssen“, folgerte Kiefer und deutete damit an, dass die Gleichpreisigkeit mit den zu erwartenden Maßnahmen nicht zu verteidigen sei. Dagegen verwies Dr. Christian Belgardt, Präsident der Apothekerkammer Berlin, auf die frühere Aussage von Spahn, er wolle Gleichpreisigkeit und keine Boni. Darum müsse die ABDA das Rx-Versandverbot weiter verfolgen, folgerte Belgardt. Später in der Antragsdebatte betonte Belgardt, dass „die Ungleichpreisigkeit zerstört werden muss“ und schloss jeden seiner zahlreichen Redebeiträge mit dem berühmten „ceterum censeo“ von Cato dem Älteren. So wie der römische Senator Cato bei jeder Gelegenheit die Zerstörung Karthagos forderte, drückte Belgardt damit aus, die Apotheker müssten nun jede Gelegenheit zur Verteidigung der Gleichpreisigkeit nutzen. Doch offenbar verspricht nicht einmal dieser Ansatz mehr die bisher erwartete Sicherheit. Denn der Delegierte Andreas Flöter mahnte, das Rx-Versandverbot könne möglicherweise mit neuen „Kröten“ wie einer Honorarsenkung verknüpft werden. Dies zeigt, wie verfahren die Lage ist und wie sehr die Zukunft der Apotheken von den anstehenden politischen Gesprächen abhängt.
Entweder Rx-Versandverbot oder Gespräche
Einen Tag nach der Ministerrede stand mit einem Leitantrag die Gewährleistung einheitlicher Preise für Rx-Arzneimittel durch das Rx-Versandverbot auf der Tagesordnung. Schmidt erklärte dazu, die Apotheker wollten klarstellen, dass das Rx-Versandverbot für dieses Ziel geeignet sei. Unabhängig davon bestehe nun die Option, mit dem Ministerium über alternative Lösungen zu diskutieren. Es gehe also entweder um das Rx-Versandverbot oder um ein anderes Maßnahmenpaket, aber nicht um beides. Der Leitantrag diene daher zur Fixierung der Ausgangssituation. Obwohl die ABDA vom Rx-Versandverbot überzeugt sei, sei sie zu Gesprächen über Alternativen bereit.
Dazu erklärte Manfred Saar, Präsident der saarländischen Apothekerkammer, er sei „entsetzt“. Denn „alles andere wäre ein Verzicht auf die Gleichpreisigkeit“. „Nicht mit mir“ folgerte Saar. Außerdem mahnte er, die möglichen Folgen nach einem möglichen neuen Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof zu bedenken. Wenn in der Zwischenzeit möglicherweise die Gleichpreisigkeit in Deutschland aufgegeben werde, könne dies negative Auswirkungen auf die Apotheken haben. Der Delegierte Dieter Kaufmann mahnte, die deutschen Versender würden voraussichtlich die deutsche Preisbindung angreifen, wenn klar sei, dass das Versandverbot nicht komme. Nach dieser Diskussion votierten die Delegierten einstimmig für den Leitantrag.
Suche nach Alternativen
Die Apotheker stehen damit vor einem Dilemma: Sie haben mit der größtmöglichen Mehrheit eine Position beschlossen, zu der Minister Spahn eine Alternative sucht. Mit der Vorbereitung solcher Alternativen würden die Apotheker ihre Hauptforderung schwächen, aber die Gespräche erfordern eine solche Vorbereitung. So stellt sich die Frage, welche Vorschläge die Apotheker bei den anstehenden Gesprächen einbringen könnten. Dazu schlugen die Apothekerkammer Hamburg und der Hamburger Apothekerverein in einem Adhoc-Antrag vor, eine „kleine“ Kommission einzusetzen, an der auch Experten außerhalb der ABDA beteiligt sein sollten. Schmidt bezeichnete diese Idee als „nicht kompatibel“ mit dem Leitantrag, obwohl er selbst Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte. Dagegen erklärte Dr. Dorothee Dartsch, Vizepräsidentin der Apothekerkammer Hamburg, Minister Spahn erwarte von den Apothekern ein Paket mit Vorschlägen, und ergänzte: „Sonst macht er es selbst. Das finde ich beängstigend.“ Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, erklärte, der Adhoc-Antrag spreche sich nicht gegen das Rx-Versandverbot, sondern für „flankierende Maßnahmen“ aus. Dennoch beschloss die Mehrheit der Delegierten, den Antrag zu übergehen. Später brachten Annette Dunin von Przychowski und Kollegen einen neuen Adhoc-Antrag für eine Arbeitsgruppe ein. Dabei solle es um „zusätzliche Maßnahmen zum Erhalt der Gleichpreisigkeit“ gehen und die Arbeitsgruppe solle den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand unterstützen. Dieser Antrag wurde mit 159 zu 153 Stimmen angenommen.
Doch beim Apothekertag wurde nicht inhaltlich diskutiert, welche Themen überhaupt mit dem Ministerium besprochen werden könnten. Schmidt erklärte, die ABDA habe sich durchaus mit Alternativen zum Rx-Versandverbot beschäftigt, diese aber nicht veröffentlicht. Es gebe „eine Handvoll Ansätze, die jeder kennt“, sagte Schmidt und nannte Regelungen über das Sozialrecht und kompensatorische Veränderungen der Vergütung. So entstand der Eindruck, die ABDA-Spitze habe dazu bereits eine vorgefasste Meinung und daher auch kein Interesse an einer beratenden Kommission. Es ist zu hoffen, dass die ABDA bei den Gesprächen insbesondere an die oben erwähnte Bemerkung von Saar denkt. Denn die Gleichpreisigkeit im Inland beispielsweise durch eine Zulassung begrenzter Boni aufzugeben, würde auch die Chance verbauen, die frühere Situation über ein neues EuGH-Verfahren wiederherzustellen.
Mehr Arbeit statt mehr Geld
Aus den Äußerungen von Spahn ergeben sich weitere Probleme zu den Inhalten der Gespräche. Demnach möchte er über Honorarbestandteile sprechen, die sich nicht an Packungen orientieren, und zumindest nicht primär über die bisherige Vergütung. Allerdings verwies er mehrfach auf das Honorargutachten der Agentur 2HM. „Es ist nun mal da“, erklärte Spahn dazu. Doch in diesen Äußerungen lässt sich ein Widerspruch sehen, denn im Honorargutachten geht es primär um das Packungshonorar, über das Spahn eher weniger sprechen möchte. In diesem Zusammenhang ergibt sich für die Apotheker das nächste Dilemma: Um die Apotheken zu sichern, müssen sie die Honorierung der Arzneimittelabgabe, vorzugsweise mit dem Packungshonorar, thematisieren. Spahn dagegen möchte eher über neue honorierte Leistungen sprechen. Doch neue Leistungen, auch wenn sie auskömmlich bezahlt werden, können Defizite bei den Grundleistungen nicht kompensieren.
Mögliche zusätzliche Leistungen
Dennoch stellt sich die Frage, über welche honorierungsfähigen Leistungen überhaupt gesprochen werden könnte. Spahn selbst erwähnte den Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), die Begleitung der Pflege, die Prävention und den Botendienst. Weitere Vorschläge kamen erstaunlicherweise nicht aus den Apothekerorganisationen, sondern vom Vorsitzenden des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH), Jörg Wieczorek. Bei der Eröffnung der Expopharm regte er an, die Apotheker könnten Grippeimpfungen durchführen, ausgewählte Rx-Arzneimittel in Akutsituationen für eine kurzzeitige Anwendung ohne Rezept abgeben und Folgeverschreibungen für gut eingestellte Chroniker ausstellen. Diese Vorschläge hätten zuvor bereits bei der Mitgliederversammlung des BAH bei unterschiedlichen gesundheitspolitischen Instanzen Akzeptanz gefunden. In der Diskussion mit Spahn während des Apothekertages wiederholte Wieczorek diese Vorschläge und der Minister zeigte sich dafür aufgeschlossen.
Ökonomische Analyse
Damit ergibt sich folgende Situation: Der Minister bietet den Apothekern als Ersatz für das Rx-Versandverbot die Aussicht auf neue pharmazeutische Aufgaben, die auch honoriert werden könnten. Dieses Angebot auszuschlagen, würde aber nicht unbedingt heißen, dass das Rx-Versandverbot wirklich kommt und bleibt. Doch auch wenn sich attraktive neue Leistungen ergeben, bleibt als zentrales ökonomisches Problem die schleichende Aushöhlung des Festzuschlags durch steigende Kosten. Unabhängig von den ordnungspolitischen Betrachtungen über das Rx-Versandverbot kann das Angebot des Ministers wirtschaftlich nur überzeugen, wenn dabei auch zusätzliche Honorare für bereits etablierte und bisher nicht gesondert finanzierte Leistungen gewährt werden. Denn mehr Arbeit ist kein Ersatz für fehlendes Geld. Wenn solche Honorare allerdings ohne das Rx-Versandverbot eingeführt werden, drohen Fehlanreize und die Krankenkassen könnten Rezepte zu ausländischen Anbietern steuern.
Unsichere Perspektive
Dies alles erklärt, weshalb Schmidt beim Schlusswort zum Apothekertag sagte, die Apotheker stünden vor tiefgreifenden Veränderungen. Doch es erklärt zugleich, dass Schmidt sich zum Inhalt der Veränderungen nicht detailliert äußerte. Diese werden von den Gesprächen mit dem Gesundheitsministerium in den nächsten Monaten abhängen. Nach den Erfahrungen des Apothekertages muss befürchtet werden, dass sich für die Apotheker dabei weitere Dilemmata eröffnen. |
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