Arzneimittel und Therapie

Geimpft durch die kalte Jahreszeit

In dieser Saison wird mit quadrivalenter Influenzavakzine vorgesorgt

So langsam werden die Heizungen wieder aufgedreht und man ahnt: Die nächste Grippewelle kommt bestimmt. Für die Impfung gegen die saisonale Influenza 2018/2019 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) den Einsatz von Vierfachimpfstoffen. Die quadrivalenten Vakzinen werden von den gesetz­lichen Krankenkassen erstattet.

Die Grippewelle im Winter 2017/18 hatte einen außergewöhnlich schweren Verlauf. So gab es etwa neun Millionen Influenza-bedingte Arztbesuche – zwei Millionen mehr als in den starken Grippejahren 2012/13 und 2014/15. Schwere akute respiratorische Erkrankungen traten wesentlich häufiger auf als in den Vorjahren. Die Schwere der Grippesaison zeigt sich auch in der Auswertung der Übersterblichkeit im Zeitraum der Grippewelle. Allein in Berlin waren es schätzungsweise 1100 zusätzliche Todesfälle.

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Verstecken hilft wenig Am besten lässt man sich bereits in den Monaten Oktober oder November gegen Influenza impfen.

Für die Impfung gegen saisonale Influenza 2018/2019 ist ein quadrivalenter Impfstoff vorgesehen, der von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt wird. Bislang gab es für die gesetzlichen Krankenkassen keine verbindliche Regelung, ob bei der Grippeimpfung ein Drei- oder Vierfach-Impfstoff zu verwenden ist. Beide Möglichkeiten waren in Übereinstimmung mit den bisherigen STIKO-Empfehlungen zulässig. In ihren jüngsten Empfehlungen spricht sich die STIKO nur noch für eine quadrivalente Vakzine aus. Der Gemeinsame Bundesausschuss folgte dieser Empfehlung, so dass sich Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen mit einer quadrivalenten Vakzine impfen lassen können. Bei welchen Personen eine Impfung indiziert ist, ist aus Tabelle 1 ersichtlich.


Tab. 1: Wer sollte geimpft werden? Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut zur Impfung gegen Influenza [Quelle: Robert Koch-Institut, www.rki.de]
Kategorie
Indikation
Anwendungshinweise
Standardimpfung mit allgemeiner Anwendung
  • Personen ≥ 60 Jahre
  • jährliche Impfung im Herbst mit einem inaktivierten quadrivalenten Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination
Indikationsimpfung für Risikogruppen bei individuell (nicht beruflich) erhöhtem Expositions-, Erkrankungs- oder Komplikationsrisiko ­sowie zum Schutz Dritter
  • alle Schwangeren ab dem zweiten Trimenon, bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens ab dem ersten Trimenon
  • Impfung mit einem inaktivierten quadrivalenten Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination
  • Personen ab sechs Monate mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (z.B. Asthma und COPD, chronische Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Immundefizienz, HIV-Infektion)
  • Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen
  • Personen, die als mögliche Infektionsquelle im selben Haushalt lebende oder von ihnen betreute Risikopersonen (z.B. Personen mit dialysepflichtiger Niereninsuffizienz oder Immundefizienz bzw. -suppression) gefährden können
  • jährliche Impfung im Herbst mit einem quadrivalenten Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination
  • Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 17 Jahren: Impfung mit attenuiertem Influenza-Lebendimpfstoff (LAIV) möglich, sofern keine Kontraindikation besteht. Bei Hindernissen für eine Injektion (z.B. Spritzenphobie, Gerinnungsstörungen) sollte präferenziell LAIV verwendet werden
  • wenn eine schwere Epidemie aufgrund von Erfahrungen in anderen Ländern droht oder nach deutlicher Antigendrift bzw. einer Antigenshift zu erwarten ist und der Impfstoff die neue Variante enthält
  • entsprechend den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden
Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos
  • Personen mit erhöhter Gefährdung (z.B. medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr) sowie Personen, die als mögliche Infektionsquelle für von ihnen betreute Risikopersonen fungieren können
  • Personen mit erhöhter Gefährdung durch direkten Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln (zur Verhinderung von Doppelinfektionen)
  • jährliche Impfung im Herbst mit einem inaktivierten quadrivalenten Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination
Reiseimpfung
  • bei Reisenden, bei denen eine Influenza-Impfung nicht generell indiziert ist, ist eine Risikoabwägung entsprechend Exposition und Impfstoffverfügbarkeit sinnvoll
  • Impfung mit einem quadrivalenten Impfstoff mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination

Wie setzt sich der aktuelle Impfstoff zusammen?

Der für die Saison 2018/2019 empfohlene Grippeimpfstoff unterscheidet sich sowohl in einer Influenza-A- als auch in einer -B-Komponente von den Vakzinen des Vorjahres. Im Gegensatz zum Dreifachimpfstoff ist ein zusätzlicher B-Stamm enthalten. Der Vierfach-Impfstoff enthält gemäß der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Antigene aus weltweit zirkulierenden Varianten folgender Viren:

  • A/Michigan/45/2015 (H1N1) pdm09-ähnlicher Stamm
  • A/Singapore/INFIMH-16-0019/2016 (H3N2)-ähnlicher Stamm
  • B/Colorado/06/2017-ähnlicher Stamm (B/Victoria/2/87-Linie)
  • B/Phuket/3073/2013-ähnlicher Stamm (B/Yamagata/16/88-Linie)

A und B bezeichnen die Virustypen, der Ortsname bezieht sich auf den Ort der Virusisolierung. Die erste Ziffer gibt die Nummer des jeweils isolierten Stamms an, die zweite bezieht sich auf das Isolierungsjahr. Mit H und N werden die beiden wichtigsten Proteine der Virushülle Hämagglutinin und Neuraminidase abgekürzt, die Ziffer dahinter bezeichnet den aktuellen Subtyp.

Die derzeit angebotenen quadrivalenten Grippeimpfstoffe sind in Tabelle 2 dargestellt. Sie werden alle in bebrüteten Hühner­eiern hergestellt. Hühnereiweißfreie, in Zellkulturen hergestellte Influenzaimpfstoffe werden in Deutschland nicht mehr angeboten. Ein Import (nach AMG §73 Abs. 3) ist im Einzelfall möglich, allerdings ist die Verfügbarkeit in anderen EU-Ländern fraglich. Bei Menschen, die nur mit leichten Symptomen auf den Konsum von Hühnereiweiß reagieren, können alle zugelassenen Influenzaimpfstoffe eingesetzt werden.


Tab. 2: Tetravalente Grippeimpfstoffe mit Stammanpassung für die Saison 2018/2019
Handelsname
Hersteller
Art des Impfstoffs
Zulassung
Packungsgrößen
mögliche Rückstände
Fluenz Tetra®
AstraZeneca
Influenza-Impfstoff (lebend-attenuiert), Nasenspray
2 Jahre bis einschließlich 17 Jahre
1 × 0,2 ml
Eierproteine (z. B. Ovalbumin), Genta­micin
Influsplit Tetra®
Glaxo Smith Kline GmbH & Co KG
Influenza-Spaltimpfstoff (inaktiviert), Injektionssuspension
ab 6 Monate
1 × 0,5 ml ohne Kanüle
10 × 0,5 ml ohne Kanüle
Eierproteine (z. B. ­Ovalbumin, Hühnerproteine), Formaldehyd, Gentamicinsulfat, Natriumdesoxycholat
Influvac Tetra®
Mylan Healthcare GmbH
Influenza-Untereinheiten-Impfstoff aus Oberflächenantigen (inaktiviert), Injektionssuspension
ab 18 Jahre
10 × 0,5 ml ohne Kanüle
1 × 0,5 ml mit Kanüle
10 × 0,5 ml mit Kanüle
Eierproteine (z. B. ­Ovalbumin, Hühnerproteine), Formaldehyd, Cetrimoniumbromid, Polysorbat 80, Gentamicin
Vaxigrip Tetra®
Sanofi Pasteur Europe
Influenza-Spaltimpfstoff (inaktiviert), Injektionssuspension
ab 6 Monate
1 × 0,5 ml ohne Kanüle
10 × 0,5 ml ohne Kanüle
20 × 0,5 ml ohne Kanüle
10 × 0,5 ml mit Kanüle
Eierproteine (z. B. ­Ovalbumin), Neomycin, Formaldehyd und ­Octoxinol 9

Wann soll geimpft werden?

Die jährliche Influenzawelle hat – mit Ausnahme der Pandemie 2009 – in Deutschland in den vergangenen Jahren meist nach der Jahreswende begonnen. Um rechtzeitig geschützt zu sein, wird empfohlen, sich bereits in den Monaten Oktober oder November impfen zu lassen. Der Impfschutz wird innerhalb von zehn bis 14 Tagen aufgebaut. Auch zu Beginn oder im Verlauf einer Grippewelle kann es noch sinnvoll sein, eine versäumte Impfung nachzuholen.

Die Impfeffektivität für die Saison 2016/2017 wird auf der Grundlage laborbestätigter Erkrankungen mit 41% angegeben. Die Frage, ob die derzeit empfohlenen Vierfach-Impfstoffe zu besseren Ergebnissen führen als eine trivalente Vakzine, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Es ist anzunehmen, dass durch die Hinzunahme einer weiteren B-Linie ein besserer Impfschutz erzeugt wird. Auch wenn durch die Impfung weniger als die Hälfte der Geimpften vor Influenza geschützt ist, können aufgrund der hohen Grippeinzidenz durch die Impfung sehr viele Erkrankungen verhindert werden. Daher bleibt die Influenzaimpfung die beste Präventionsmaßnahme, um das Erkrankungsrisiko zu reduzieren.

Wo sind die Impfstoffe?

Zwar waren bereits Ende August rund 9,3 Millionen Impfdosen an Grippe­vakzinen vom Paul-Ehrlich-Institut freigegeben, doch scheinen einige Apotheken nach wie vor auf ihre Bestellungen zu warten. Angaben der Hersteller und Großhändler zufolge gibt es derzeit jedoch nur in einzelnen Fällen echte Lieferschwierigkeiten. So sei beispielsweise die Liefersituation bei Influvac® Tetra nicht zufriedenstellend. Generell werden zuerst die Vorbestellungen bedient. Wer nicht bereits im Frühjahr dieses Jahres bestellt hat, hat unter Umständen das Nachsehen und muss sich noch etwas gedulden. |

Quelle

Reuß A et al. Vorläufige Ergebnisse zur Wirksamkeit der saisonalen Influenza-Impfung bei ambulant behandelten Patienten in der Saison 2016/2017 in Deutschland. Epid Bull 2017;6:61–62

Vierfach-Impfstoff für die nächste Grippesaison verbindlich. Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 5. April 2018. www.g-ba.de; Abruf am 21. September 2018

Nach der schweren Grippe­welle und vor der nächsten Grippe­welle: Schutz­möglich­keiten besser nutzen! Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts vom 12. September 2018. www.rki.de; Abruf am 21. September 2018

Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung des quadrivalenten saisonalen Influenzaimpfstoffs. AG Influenza der Ständigen Impfkommission (STIKO). Epid Bull 2018;2:19–28

Saisonale Influenza 2018/2019. Paul-Ehrlich-Institut. www.pei.de; Abruf am 21. September 2018

Wo sind die Grippeimpfstoffe? DAZ.online. www.deutsche-apotheker-zeitung.de; Abruf am 2. Oktober 2018

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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