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Sollten Apotheker mehr dürfen?

BAH im Dialog: Impfungen, Folgerezepte, Notfallversorgung – Chancen und Vorbehalte

BERLIN (bro/daz) | Sollten Apotheker impfen oder in Notfällen Rx-Medikamente abgeben dürfen? Bei einer Diskussionsrunde anlässlich der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) sprachen sich Politiker und andere Experten für mehr Leistungen in der Apotheke aus. Deutlich wurde überdies: In der Union und beim BAH kämpft man weiterhin für das Rx-Versandverbot.

„Neue Bundesregierung – neue Herausforderungen“ – unter diesem Motto diskutierten unter der Moderation des stellvertretenden BAH-Hauptgeschäftsführers Dr. Hermann Kortland die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), Thomas Müller, Leiter der Arzneimittel-Abteilung im Bundesgesundheitsministerium, der Vize-Chef des GKV-Spitzenverbandes Johann Magnus von Stackelberg, die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche sowie BAH-Vorstandsmitglied Dr. Ralf Mayr-Stein (im Bild v. l.).

Foto: Svea Pietschmann
BAH im Dialog Politik, Kassen und Hersteller können sich mehr Aufgaben für Apotheker vorstellen – doch ABDA und auch Ärztevertreter sind skeptisch.

Im Mittelpunkt stand dabei die Bedeutung der Apotheke vor Ort. So stellte Kortland drei Szenarien zur Diskussion, wie Apotheken einen größeren Stellenwert in der Primärversorgung einnehmen könnten: Sie könnten impfen, Folgerezepte ausstellen oder in der Notfallversorgung Rx-Präparate auch ohne ärztliche Verordnung abgeben.

Maag: Einer hat immer etwas dagegen

Tatsächlich zeigten sich alle Diskutanten offen und begrüßten große Teile dieser Versorgungsszenarien. Maag erklärte etwa, sie hätte nichts dagegen, wenn Apotheker impfen – schließlich könne das Impfungen niedrigschwelliger verfügbar machen. Aus Haftungsgründen sollten ihrer Ansicht nach Folgerezepte aber ausschließlich vom Arzt ausgegeben werden. Bei der Notfall-Versorgung ist Maag offen für Diskussionen: Sie habe mit den Apothekern beispielsweise schon über Notfallkoffer gesprochen, die mit Notfallmedikamenten ausgestattet werden und in der Apotheke im Notfall geöffnet werden könnten. Ebenso sei aber auch über ein ärztliches Dispensierrecht in Notfallsituationen gesprochen worden, so Maag.

Dann folgte allerdings ein Seitenhieb in Richtung ABDA und Ärzte: Was das Impfen in der Apotheke betrifft, habe sie von der ABDA die Antwort erhalten: „Lieber nicht“. Und in Sachen Notfallkoffer und Dispensierrechte sei sie sowohl bei der ABDA als auch bei den Ärzten am Widerstand gescheitert. Maags Fazit: „Bei allen diesen Vorschlägen hatte immer die eine oder die andere Seite etwas dagegen.“

Selbst von Stackelberg fand die Ideen durchaus sinnvoll. „Wir haben toll ausgebildete Apotheker, die aber den Ruf haben, nur Packungen über den Tresen zu reichen. Gleichzeitig reden wir über einen Ärztemangel bei steigenden Fallzahlen in den Praxen. Es wäre durchaus richtig, darüber nachzudenken, dass man nicht alles auf den Arzt konzentriert.“ Denkbar sei z. B., dass das erste Folgerezept in der Apotheke ausgestellt werde, das zweite aber wieder in der Praxis. Grundsätzlich sieht aber auch von Stackelberg Probleme bei der Haftungsfrage. Außerdem unterstellte er den Apothekern indirekt, dass sie sich mit solchen Geschäftsmodellen bereichern könnten: „Wenn die Apotheker das vehement fördern würden, könnte man auf die Idee kommen, dass sie sich Nebengeschäfte aufbauen wollen.“

Die Grünen-Politikerin Kordula-Schulz Asche steht schon seit längerer Zeit dafür ein, dass Apotheker mehr Versorgungskompetenz bekommen. Nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung hatte sie mehrfach vorgeschlagen, neue Beratungshonorare an die Apotheker zu zahlen und die Apotheker intensiver ins Medikationsmanagement einzubinden. Bei der BAH-Diskussionsrunde erklärte Schulz-Asche, dass sie insbesondere Impfungen in der Apotheke begrüßen würde, weil die Hürde zum Impfen heutzutage viel zu groß und „kompliziert“ sei.

BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller, selbst Arzt und Apotheker, blieb bei dem Thema vage, zeigte aber, dass man im BMG über solche Versorgungsmodelle bereits nachgedacht habe. Grundsätzlich sei es sinnvoll, in die „Kooperation zwischen Arzt und Apotheker“ zu investieren. Dass der Apotheker ein „Mini-Arzt“ wird, das sehe er aber skeptisch.

Thema war auch der Versandhandelskonflikt. Hier ließ sich Müller nicht in die Karten blicken und verwies darauf, dass Minister Jens Spahn auf dem Apothekertag Lösungen präsentieren wolle. Auch Maag sagte, sie wisse noch nichts Genaues. Nach wie vor ist sie aber eine Verfechterin des laut Koalitionsvertrag geplanten Verbotes. Sie wies insbesondere auf zurückgehende Einzelhandelsstrukturen in Vorstädten hin und sagte: „Das will ich bei Apotheken nicht erleben.“ Vor dem EuGH-Urteil habe es ein „ordent­liches Miteinander“ zwischen Versandhändlern und Apothekern gegeben, der Markt habe sich in den vergangenen Monaten aber „ungut“ entwickelt. Sie sei deshalb dafür, das Verbot zu prüfen und nur wenn echte verfassungs- und europarechtliche Gründe dagegen sprechen, eine andere Lösung zu wählen.

Hier mischte sich auch der BAH-Vorsitzende Jörg Wieczorek ein: „Der Rx-Versand stört die Apothekenstruktur. Denn schon heute denken alle großen Krankenkassen darüber nach, Extra-Tarife, also beispielsweise einen DocMorris-Tarif, anzubieten. Das würde die gesamte Apothekenstruktur ins Wanken bringen“, so Wieczorek. Sein Verband wolle daher die Gleichpreisigkeit unbedingt erhalten. |

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