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Digitales für Apotheker

Qualität, Datenschutz und CE

Gesundheits-Apps, ihre Siegel und Kennzeichen – Folge 3

Gründe gibt es viele, warum sich national und weltweit nur wenige Akteure herausge­bildet haben, die die Qualität von Gesundheits- und Medizin-Apps auf Online-Plattformen sichtbar machen und das Angebot in relevantem Maße abbilden können [1]. | Von Ursula Kramer

Zum einen ist dies sicher dem dyna­mischen Markt geschuldet. Wer will die „guten“, „sicheren“ und vor allem „sinnvollen“ Apps unter tausenden von Angeboten identifizieren [2]? Zum anderen ist es die Komplexität der App-Bewertung: Es sind viele verschiedene Qualitätsdimensionen, die in einem Kriterienkatalog für Gesundheits- und Medizin-Apps abzubilden sind [3]. Wer schafft es, einen validen, reproduzierbaren und effizienten Prüfprozess zu etablieren?

Was muss geprüft werden?

Neben der Einschätzung von Bedarf und Wirksamkeit sind für die Testung Expertisen auf weiteren Feldern erforderlich: App-Programmierung, Datenschutz, Designstandards, User Experience („Fühle ich mich von der App insgesamt angesprochen, gefällt sie mir, macht mir die Nutzung Spaß?“) und Usability („Kann ich die App richtig bedienen, verstehe ich sie?“) erforderlich. Die Analyse großer Datenmengen und die verdichtete Aufarbeitung und Bereitstellung der qualitätsgesicherten Prüfergebnisse in Form von validen und aktuellen Testberichten, z. B. über eine Online-Datenbank, verursacht hohe Kosten. Schwierig dabei ist die Finanzierung aus dem Erlös von Prüfsiegeln.

Unabhängigkeit hat ihren Preis

Will eine unabhängige Prüfinstanz ihre Glaubwürdigkeit wahren, kann sie sich schlecht abhängig machen von der Finanzierung durch App-Anbieter.

Andererseits gibt es ein hohes Inte­resse bei Forschungseinrichtungen, Krankenkassen und Ärzteverbänden an einer validen Datengrundlage, um Fragen der Qualität und des Bedarfs und damit Unter-, Über- oder Fehlversorgung mit Apps einschätzen zu können. Auch für die strukturierte Konzeptentwicklung wirksamer digitaler Versorgungspfade oder für die Bereitstellung von sinnvollen Apps in der Gesundheitsversorgung wären unabhängige, aktuelle Marktanalysen, die jederzeit abrufbar sind, sehr hilfreich. Informationen zu Leuchtturm-Apps mit vielversprechenden Unterstützungsansätzen aus anderen, technisch bereits weiterentwickelten Märkten könnten wertvolle Impulse geben. Eine nationale Qualitätsplattform für Gesundheits- und Medizin-Apps wäre im Interesse aller Stake­holder, die den digitalen Umbau mitgestalten wollen.

Werfen wir nun einen Blick auf die Test-, Qualitäts- und Datenschutz­siegel, die in Deutschland derzeit auf Gesundheits- und Medizin-Apps an­gewendet werden [4, 5].

CE-Kennzeichen für regulierte Medizinprodukte
Gesetzlich regulierte Gesundheits-Apps sind erkennbar am sogenannten CE-Kennzeichen. Es wird auf der Grundlage des Medizinprodukte­gesetzes (MPG) in einem sog. EU-Konformitätsverfahren an Medizin-Apps vergeben. Anbieter sind gesetzlich dazu verpflichtet, wenn sie eine Gesundheits-App zur Therapie oder Diagnose von Krankheiten in Verkehr bringen [6]. Medizin-Apps für Verbraucher und Patienten mit CE-Kennzeichen gibt es sehr wenige, etwas mehr als 20 deutschsprachige Apps sind z. B. in Google Play, dem weltweit größten App-Store, derzeit gelistet [7], die anderen ca. 14.000 deutschsprachigen Gesundheits- und Medizin-Apps in Deutschland [8] gelangen ohne Prüfung in die App-Stores. Beispiel: Migräne-App M-sense.

BiM Siegel Qualitätsprodukt Internetmedizin – für Medizinprodukte
App-Hersteller können sich im Prozess der CE-Kennzeichnung Unterstützung beim Verband Internet­medizin holen, der 2012 gegründet wurde [9]. Dieser erstellt dann im Auftrag und auf Kosten des App-Herstellers die für eine CE-Kennzeichnung erforderlichen Dokumente. Der Service ist beschränkt auf Medizinprodukte der Risikoklasse I, die ohne sog. benannte Stelle zerti­fiziert werden können [10]. Über die Anzahl der Gesundheits-Apps, die das BiM-Siegel Qualitätsprodukt Internetmedizin tragen, informiert die Webseite des Verbandes nicht. Beispiel: Zyklus-App Femisphere (s. DAZ 2018, Nr. 21, S. 44) [11].

Datenschutzsiegel – auch für Gesundheits-Apps
Einige wenige Siegel beziehen sich nur auf die Aspekte Datenschutz und Sicherheit von Apps und werden u. a. auch auf Gesundheits-Apps angewendet. Sie werden von TÜV-assoziierten und anderen Unternehmen angeboten und als Marketinginstrument beworben, um die Akzeptanz einer App bei Nutzern zu erhöhen. Die gesundheitsbezogenen Inhalte der Apps werden nicht überprüft. Verschiedene Marktanalysen haben nur wenige Gesundheits-Apps mit Datenschutzsiegel gefunden [12, 13]. Beispiel: MyTherapy, Adhärenz-App

DiaDigital-Siegel für Diabetes-Apps
Die Deutsche Diabetes Gesellschaft hat zusammen mit Patientenverbänden und dem Zentrum für Telemedizin und Telematik (ZTG) 2017 ein Siegel für Diabetes-Apps ausgelobt. Anbieter von Diabetes-Apps können sich für das Siegel bewerben. Über die Kosten der Prüfung informiert die Website nicht. Fünf Gesundheits-Apps haben dieses Siegel bisher erhalten. Beispiel: NutriCheck, ein Ernährungsratgeber [14]

Test-Siegel der Stiftung Warentest – auch für Gesundheits-Apps
Auch die Stiftung Warentest prüft Gesundheits-Apps. Im Jahr 2013 waren dies jeweils drei Ernährungs-, Antiraucher-, Medikations- und Diabetes-Apps. Ende letzten Jahres wurden 13 Zyklus-Apps getestet. Verbraucher können diese Tests kostenpflichtig erwerben [15, 16]. Da sie Gesundheits-Apps in der Regel dauerhaft oder zeitlich beschränkt in einer Testphase kostenlos nutzen können, wird die Bereitschaft zum Kauf von Testberichten eher gering sein. Beispiel: myNFP-App zur natürlichen Familienplanung.

HealthOn Ehrenkodex – für Gesundheits- und Medizin-Apps
HealthOn hat sich auf die Qualitätsprüfung von Gesundheits- und Medizin-Apps spezialisiert. Die Qualitätsplattform für Gesundheits- und Medizin-Apps stellt mehr als 800 Testberichte deutschsprachiger Gesundheits- und Medizin-Apps online abrufbar zur Verfügung. Das Angebot an relevanten Gesundheits-Apps für deutschsprachige Verbraucher ist damit nahezu vollständig abgedeckt [17]. Da Hersteller häufig nur sehr lückenhaft über die Sachverständigkeit der Autoren und die genutzten Quellen informieren, lassen sich Qualität und Unabhängigkeit der gesundheitsbezogenen Inhalte für Verbraucher und Patienten in den meisten Fällen nicht einschätzen. Ohne Datenschutzerklärung bleibt die Sicherheit der Nutzerdaten unklar. Es wäre ein großer Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung getan, wenn alle App-Anbieter die erforderlichen Informationen offenlegen würden. App-Anbieter, die das heute tun, werden von HealthOn mit dem HealthOn-Siegel gekennzeichnet. Sie können sich damit im Markt von anderen Angeboten positiv abgrenzen (z. B. BKK VBU Hausmittel App). Im Gegensatz zu allen anderen Siegel-Anbietern überprüft HealthOn auf eigene Verlassung und nicht nach Beauftragung durch einen App-Hersteller. Die Experten untersuchen die Qualität des gesamten App-Angebotes in einer Anwendungsgruppe, z. B. alle Diabetes-, Schmerz- oder Entspannungs-Apps, die zu einem Stichtag im größten App-Store [18] für deutschsprachige Verbraucher bzw. Patienten angeboten werden. Es werden ausschließlich Apps geprüft, die eine hohe Public Health Relevanz haben, d. h. Ange­bote, die in den Bereich der Primärprävention (SGB V § 20) fallen oder die Anwendungsgebiete mit besonders hoher Krankheitslast (z. B. Schmerz, Diabetes, Bluthochdruck) adressieren. Entscheidungsträger im Gesundheitswesen (z. B. Kranken­kassen, Apotheker, Ärzte) können die unabhängige Quelle mit qualitäts­gesicherten Informationen zu Gesundheits- und Medizin-Apps als Recherche-Tool kostenpflichtig nutzen.

Bisher gibt es wenige Gesundheits-Apps mit Qualitäts- oder Datenschutzsiegel. Ein breit akzeptiertes Qualitätssiegel wäre aber wichtig, um die z. B. vom Aktionsbündnis Gesundheitskompetenz, einem Zusammenschluss von Gesundheitswissenschaft, Politik, Leistungserbringern und Kostenträgern geforderte Transparenz [19] zu verbessern und die selbstbestimmte Auswahl und Nutzung von Gesundheits- und Medizin-Apps durch Verbraucher und Patienten sowie deren Empfehlung durch Apotheker und Ärzte zu unterstützen. Entscheider im Gesundheitswesen sind gefordert, die Expertisen und Ressourcen stärker zu bündeln, um den qualitätsge­sicherten Entscheidungs- bzw. Orientierungshilfen die erforderliche Sichtbarkeit und Marktdurchdringung zu verschaffen. |

Quellen:

[1] Kramer U. Lernen von Portalen weltweit. E-HEALTH-COM, 6/2017; 11/2017 http://e-health-com.de/fileadmin/user_upload/dateien/Downloads/EHC_6_2017_Gesundheits_Apps_Lit.pdf

[2] Striegel A. Gesundheits-App Dilemma. https://www.healthon.de/infografiken/2017/01/das-%E2%80%9Egesundheits-app-dilemma%E2%80%9C

[3] Kramer U., Wie gut sind Gesundheits-Apps? Was bestimmt Qualität & Risiko? Welche Orientierungshilfen gibt es? Aktuel Ernahrungsmed 2017;42(03):193-205

[4] Albrecht UV, Hillebrand U, von Jan U. Relevance of Trust Marks and CE Labels in German-Language Store Descriptions of Health Apps: Analysis https://mhealth.jmir.org/2018/4/e10394/

[5] HealthOn Marktanalyse 5/2018. Test-, Qualitäts-, Datenschutzsiegel https://www.healthon.de/blogs/2018/05/17/siegel-f%C3%BCr-gesundheits-apps-markt%C3%BCbersicht-einordnung

[6] Orientierungshilfe Medical Apps https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Abgrenzung/MedicalApps/_node.html

[7] HealthOn Testberichtdatenbank, Expertenview. Stand: Mai 2018 https://www.healthon.de/gesundheitsapps_testberichte

[8] Gesundheits-App Dilemma. https://www.healthon.de/infografiken/2017/01/das-%E2%80%9Egesundheits-app-dilemma%E2%80%9C

[9] Bundesverband Internetmedizin. http://bundesverbandinternetmedizin.de/

[10] Bundesverband Internetmedizin. http://bundesverbandinternetmedizin.de/siegel/

[11] BiM-Siegel der App Feminsphere: https://www.de.onelife.me

[12] Albrecht UV, Hillebrand U, von Jan U. Relevance of Trust Marks and CE Labels in German-Language Store Descriptions of Health Apps: Analysis https://mhealth.jmir.org/2018/4/e10394/

[13] HealthOn Marktanalyse 5/2018. Test-, Qualitäts-, Datenschutzsiegel https://www.healthon.de/blogs/2018/05/17/siegel-f%C3%BCr-gesundheits-apps-markt%C3%BCbersicht-einordnung

[14] Apps mit DiaDigital-Siegel 2018. https://diadigital.de/apps-mit-siegel/

[15] Stiftung Warentest 11/2013: https://www.test.de/Gesundheits-Apps-Ich-weiss-wie-viel-du-wiegst-4622985-0

[16] Stiftung Warentest: Zyklus-Apps, 22.11.2017 https://www.test.de/Zyklus-Apps-im-Test-5254377-0/

[17] HealthOn Testberichtdatenbank: Statistiken https://www.healthon.de/healthon-statistiken

[18] 42matters: Statistiken Gesundheits- und Medizin-Apps. https://42matters.com/stats

[19] Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz, am 19.02.2018 vorgestellt. https://www.nap-gesundheitskompetenz.de/

Autorin

Dr. Ursula Kramer, Apothekerin. 2011 Gründung der Informations- und Bewertungsplattform für Health-Apps Healthon.de, das größte Portal für deutschsprachige Gesundheits- und Medizin-Apps. Dreimalige Gewinnerin des Präventions­preises des Wissenschaftlichen Instituts für Prävention im Gesundheitswesen und der Deutschen Apotheker Zeitung.

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