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Mit Beratung, Herz und ... eigener Marke
Wie Apotheker Christian Wolff seine Apotheke erfolgreich führt
Die Kreisstadt Weinstadt liegt rund 20 km östlich von Stuttgart im Remstal und ist – nomen est omen – umgeben von Weinbergen. Weinstadt ist eigentlich eine „künstliche“ Stadt, sie entstand 1975 bei einer Gemeindereform durch den Zusammenschluss von vier bzw. fünf kleinen Gemeinden: Beutelsbach mit Strümpfelbach, Endersbach, Großheppach und Schnait.
Apotheker Christian Wolff, Jahrgang 1960, hat vor 28 Jahren die Stifts-Apotheke in Beutelsbach übernommen. Er hatte in Marburg studiert. Als er sich selbstständig machte, schaffte er sich schon bald eine große Salbenrührmaschine an: Eines seiner Spezialgebiete ist die Galenik und die Eigenherstellung von dermopharmazeutischen Präparaten. Doch dazu später mehr.
Kommunizieren bedeutet auch Zuhören
Christian Wolff liebt es zu kommunizieren. „Wir Pharmazeuten sind nach unserem Studium voll mit Wissen. Aber die richtig aufbereitete Weitergabe dieses Wissens an einen Laien, an unsere Kunden und Patienten, das ist eine Übung, die sehr anspruchsvoll ist“, weiß der Apotheker. Viel üben musste Wolff allerdings nicht, das Kommunizieren wurde ihm in die Wiege gelegt. Er hat da wohl ein Naturtalent für die Kommunikation. Aber er ist dennoch davon überzeugt, dass man vieles ein Stück weit auch lernen kann. So verrät er mir, dass er einige Formulierungen, Redewendungen und Bilder für sich erarbeitet und parat hat, um mit den Kunden ins Gespräch zu kommen, um einen Zugang zum Kunden zu gewinnen. Wichtig: Die richtige Art und Weise, die Dosis macht’s, denn der Kunde darf sich nicht überfahren oder zugetextet fühlen. Ein Beispiel: „Ein Patient, der unter Hautproblemen leidet, weiß schon eine Menge über seine Hautprobleme, er hat sehr viele Erfahrungen gesammelt. Er hat zwar kein medizinisches oder pharmazeutisches Wissen, aber er hat einen Leidensweg hinter sich. Es ist einer der wichtigsten Punkte in einem Gespräch“, so erklärt es Wolff, „dass man dem Patienten einen Raum bietet, sein Wissen, seine Empfindungen, seinen Leidensweg mitzuteilen. Ich sage dem Patienten: Sie wissen selbst vermutlich am besten Bescheid über Ihre Krankheitsgeschichte, weil Sie sich über die Zeit eingehend damit beschäftigt und sich ein umfangreiches Wissen angeeignet haben.“
In einem zweiten Schritt fragt Wolff den Patienten, ob er bereit sei, einen Termin mit ihm zu machen für eine ausführliche und intensivere Beratung. Denn ein solches Kundengespräch – es dauert in der Regel 30 bis 40 Minuten – sei so nebenbei im normalen Apothekenalltag nicht leistbar. „Selbst wenn ein Patient nicht sofort darauf eingeht, sage ich ihm, dass dieses Angebot immer gilt, auch in Zukunft. Er bestimmt. Dieses Offene, dieses Zwanglose, dieser Respekt den Patienten gegenüber – ich glaube, das ist es, was sie schätzen, warum sie sich darauf einlassen und sich nicht bedrängt fühlen“, ist sich Wolff sicher. Er möchte dem Patienten ein Gesprächsangebot machen: „Wenn ich mehr von Ihnen weiß, kann ich Ihnen helfen.“ Je nachdem, wie der Patient darauf reagiert, sieht er, ob der Patient bereit dazu ist: „Ich kann ihn nicht gegen seinen Willen beraten.“
Stimmt der Patient dem Termin zu, bittet ihn Wolff, alle seine Arzneimittel, Nahrungsergänzungsmittel und sonstigen Präparate bis hin zu Körperpflegemitteln, die er anwendet und einnimmt, in eine Tüte zu packen und mitzubringen: „Es ist sehr beeindruckend, was man da zu sehen bekommt.“
Als eine Hürde in den Beratungsgesprächen sieht Wolff zum Beispiel sehr oft das Halbwissen aus der Werbung, das Patienten dazu veranlasst, ein bestimmtes Präparat zu verlangen, ohne zu wissen, ob es tatsächlich gut für sie ist. „Der Patient will sein Wissen, das er sich angeeignet hat, einbringen und nicht unwissend dastehen und nennt einen durch Werbung vorverkauften Präparatenamen. In einer Welt mit Internet hat die Werbung bereits einen großen Einfluss auf den Patienten und ihn erfolgreich glauben gemacht, was vermeintlich gut für ihn ist. Aber dahinter steht ein Patient, der leidet. Hier setze ich an, indem ich nach seinen Erlebnissen, seinem Leidensweg frage und Verständnis dafür aufbringe. In dem Moment, wenn er zu mir kommt und sich offenbart, legt er seine Maske ab. Er muss sich mir gegenüber nicht mehr verstellen und er wird zugänglich für meine Beratung. Das ist das Fundament für die Beratung. Das bedeutet aber auch Zuhören“, erklärt es Wolff.
Den Patienten in den Mittelpunkt stellen
Die Mehrzahl der Kunden ist bereit für ein solches Gespräch. Aber rechnet sich das? Bezahlen die Kunden dafür? „Manche Kunden fragen schon von sich aus nach dem Preis und wollen dafür bezahlen. Bei uns kostet es – nichts“, so Wolff. Er weiß, dass Kollegen dafür 60 Euro und mehr verlangen, was er legitim findet. Aber er sieht dies aus anderer Perspektive. Für ihn ist das keine apothekerliche Sprechstunde, „ich moderiere und koordiniere nur, versuche Misstrauen gegenüber der Medizin abzubauen“. Aus seinen Gesprächen mit den Kunden weiß er, dass viele Patienten das Gefühl haben, keiner gehe so richtig auf ihr Problem ein. Sie sehen ihre Erwartungen ständig enttäuscht. Wolff versucht daher in seinem Gespräch, den Patienten spüren zu lassen, dass er im Mittelpunkt steht, dass sich Arzt und Apotheker und bei manchen auch Heilpraktiker gemeinsam bemühen, seine Lebensqualität zu verbessern. „Damit sich ein Patient, ein Kunde darauf einlässt, muss man auf sein individuelles Problem eingehen. Ich versuche ihm zu vermitteln, dass es ein Miteinander von allen Heilberuflern ist und kein Gegeneinander. Um ein Bild zu verwenden: Es ist wie eine Farbpalette. Ich brauche alle Farben, damit ein schönes Bild daraus wird“, sprudelt es aus Wolff heraus, „es ist jedes Mal spannend.“
„Unsere Belohnung: die Begeisterung der Kunden“
„Viele von uns Apothekerinnen und Apothekern überfällt Frustrationsgefühle: Bürokratie, mangelnde Wertschätzung, Neid und Gängelung durch die Politik wachsen. Die Ungleichbehandlung mit den ausländischen Versendern, die machen können, was sie wollen, und unsere Ohnmacht ihnen gegenüber – das führt dazu, dass wir den Eindruck haben, wie in einem Hamsterrad zu rennen“ – auch Wolff kennt diesen verständlichen Frust, den viele Apothekerinnen und Apotheker haben. Aber gegen diese Stimmung versucht er zu kämpfen, sie nicht an sich heranzulassen. Für Christian Wolff hat die Apotheke auch in Zukunft große Chancen, weil er überzeugt davon ist, dass ein Patient eine professionelle Begleitung auf seinem Leidensweg braucht: „Mit unserem Engagement in der Beratung haben wir noch eine Welt, in der ich alles, was ich gelernt habe, was ich kann und weiß, so anbringen kann, dass ich eine Belohnung dafür bekomme, nämlich die Begeisterung und das Vertrauen der Kunden.“
Freilich, Wolff ist sich im Klaren darüber: Nicht jeder kann gleich gut kommunizieren, der eine mehr, der andere weniger. Aber er ist fest davon überzeugt: Vieles ist erlernbar, beispielsweise wie man ein Gespräch beginnt, ohne den Kunden zu bedrängen, wie man ihm ein Gesprächsangebot macht, wie man offene Fragen einsetzt. So hat auch er anfangs einige Seminare besucht und zahlreiche Angebote von Kammer und Verband wahrgenommen. Er hat Trainings absolviert und sein Apothekenteam coachen lassen. Ein Trainingspunkt war beispielsweise das negative Image von Zusatzverkäufen: „Warum ist das eigentlich so?“, fragt Wolff, „Zusatzverkäufen sollte man doch positiv gegenüberstehen, es ist doch ein Angebot, eine Hilfe für den Kunden.“ Auch in seinen Apotheken-Flyern macht er den Kunden in erster Linie ein Beratungsangebot, kein Preisangebot, beispielsweise bei seinem aktuellen Thema Blasenentzündungen. Günstige Produkte stellt er nicht in den Vordergrund, es geht um fachliche Inhalte, um den Hinweis auf Beratungstage.
Wolff ist von seinem Konzept überzeugt: „Die Kunden kommen von überall her und lassen sich beraten. Sie wissen, sie werden nicht zum Kauf von Produkten gedrängt. Sie wollen von uns wissen, was wir dazu wissen. Letztlich sind es dann die Kunden selbst“, wie Wolff hinzufügt, „die danach fragen, ob es Präparate gibt, die ihnen helfen können – und das ist dann unser Ertrag.“
„Mit unserem Engagement in der Beratung haben wir noch eine Welt, in der ich alles, was ich gelernt habe, was ich kann und weiß, so anbringen kann, dass ich eine Belohnung dafür bekomme, nämlich die Begeisterung und das Vertrauen der Kunden.“
Wolffs Apothekenteam steht hinter den Beratungsaktivitäten des Chefs. Seine Mitarbeiterinnen nehmen mit großer Begeisterung an Beratungsseminaren teil. Eine anfängliche Scheu vor Kundengesprächen hat er ihnen dadurch genommen, indem er sie bat, eine kurze Zusammenfassung eines besuchten Seminars in der Teamsitzung vorzutragen: „Das hatte den Vorteil, dass sie gezwungen waren, das Gelernte kompakt, in einfacher Sprache auszusprechen. Das stärkt das Zutrauen zur eigenen Person. Und wenn man dies öfters macht, überschreitet man eine Schwelle, man macht es einfach, man traut sich die Kommunikation zu“, erklärt es Wolff, „es wird authentisch.“
Um die Beratung zu Präparaten in der Apotheke zu vereinheitlichen, um mit einer Zunge zu sprechen, verständigte sich Wolff mit seinen Mitarbeiterinnen auf Präparate, hinter denen alle stehen können. Er entwickelte mit ihnen interne Beratungskarten mit Hinweisen zu den jeweiligen Indikationen, so dass alle die gleichen Informationen und Tipps geben können. Dabei achtet Wolff darauf, dass die Hinweise für den Kunden personifiziert gegeben werden, also: „Dieses Präparat gegen Blasenentzündung führt dazu, dass sich Ihre Entzündung bessert oder Ihre Harnausscheidung erhöht“, erklärt es der Apotheker, „da geben wir dem Patienten das Gefühl, dass er im Mittelpunkt steht, es geht um ihn.“
Eigenmarke, Eigenherstellungund Dermopharmazie
Ein Schwerpunkt der Stifts-Apotheke ist die Dermopharmazie. Wolff hat eine eigene Kosmetiklinie ins Leben gerufen, die er selbst im eigenen Labor herstellt. Angesichts eines großen Marktes an Apothekenkosmetik mit namhaften Herstellern – warum eine Eigenmarke? Christian Wolff: „Es hat mit meiner eigenen Leidensgeschichte zu tun. Ich bin seit meiner Kindheit Allergiker, auch meine Haut litt unter allergischen Symptomen. Schon während des Studiums habe ich mich mit diesen Fragen intensiv beschäftigt und nach Lösungen gesucht, wie die Haut trotz allergischer Erkrankung funktioniert. Ich habe mit Salbengrundlagen, Hilfsstoffen und Wirkstoffen experimentiert. Als ich mich selbstständig machte, kaufte ich sofort eine große Salbenrührmaschine und begann mit der Herstellung von dermopharmazeutischen Präparaten. Und Galenik machte mir von Anfang an Spaß.“
Da er allerdings seine Anforderungen an dermopharmazeutische Produkte bei keiner marktüblichen Produktserie verwirklicht sah, baute er seine eigene Kosmetikserie auf. Seine Maxime: so wenig Bestandteile wie möglich, höchste Konzentration der Wirkstoffe, höchste Reinheit, geprüft nach dem Europäischen Arzneibuch, und eine Konsistenz, die der Patient am besten verträgt. Seine Produkte sind außerdem frei von künstlichen und natürlichen Duftstoffen, Konservierungsstoffen, Paraffinen, Farbstoffen und synthetischen Ölen, alle Ausgangsstoffe werden selbstverständlich in Arzneibuchqualität verwendet. „Natürlich“, räumt er ein, „habe ich anfangs auch Lehrgeld bezahlt. Auf der Suche nach geeigneten Rezepturen und Mischungen für meine Kosmetikserie habe ich kiloweise Cremes weggeworfen.“ Heute hat er die aus seiner Sicht perfekten Zusammensetzungen und Rezepturen gefunden, die seinen Anforderungen entsprechen.
Seine Kosmetikserie für die Gesichtspflege hat er so übersichtlich wie möglich aufgebaut. Sie besteht aus nur drei Produktlinien: für die trockene Haut, für die Mischhaut und für die sensible Haut. In jeder Linie gibt es eine auf das Hautproblem zugeschnittene Reinigungs- und Pflegemilch, eine Pflegecreme und ein Serum, so dass seine Serie aus insgesamt neun Produkten besteht plus einem Serum für die Körperpflege.
Von den 15 Mitarbeiterinnen der Stifts-Apotheke arbeiten drei ausschließlich in der Produktion der Kosmetika. In der Apotheke werden die Cremes, Lotiones und Sera hergestellt, abgefüllt und konfektioniert. Ein Lohnhersteller kam für ihn nicht infrage: „Selbst wenn mir Betriebswirtschaftler aus ökonomischen Gründen raten, die Herstellung von einem Lohnhersteller durchführen zu lassen – damit gebe ich auch die Qualität aus der Hand, das ist für mich keine Alternative. Ein aktueller Blick nach China zeigt, was dadurch entstehen kann“, gibt er zu bedenken.
Mit seiner Eigenmarke, der Lopos-Kosmetik, hat Wolff ein Alleinstellungsmerkmal. Auf den Namen Lopos kam er über einen kleinen Umweg: Der Name seiner Kosmetikserie sollte mit seinem Namen Christian Wolff verbunden werden, was nicht möglich, da dieser Name bereits von einem anderen Unternehmer gleichen Namens verwendet wird und geschützt ist. Auch der lateinische Name Lupus, der an seinen Familiennamen Wolff erinnert, ließ sich ebenfalls nicht schützen. „Nach kurzer Überlegung nahm ich dann den Kunstnamen Lopos, der zumindest an Lupus erinnert, so ist der Name entstanden“, schmunzelt der Apotheker.
„Die Produkte verkaufen sich sehr gut, die Leute vertrauen darauf, die Mund-zu-Mund-Propaganda läuft, die Kunden empfehlen uns weiter, sie haben ganz einfach Bedarf an unseren Produkten. Sie kommen sogar von weit her zu uns, um sich beraten zu lassen“, schwärmt Wolff, „oder sie bestellen die Produkte in unserem Online-Shop. Wir sind auch auf Facebook und Instagram vertreten.“ Er vertreibt seine Kosmetikserie sogar über andere Apotheken. Sein Engagement rentiert sich: „Meine Eigenherstellung der Kosmetika ist ein attraktives Zusatzgeschäft – und es macht viel Spaß, ich kann dazu mit Herz und Seele beraten“, freut sich Wolff. |
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