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2HM: „Strukturfonds statt Versandverbot“
Beitrag der Honorargutachterin in einer AOK-nahen Zeitschrift
In der Zeitschrift „G+G Wissenschaft“ (GGW) des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) leitet an der Heiden aus dem 2HM-Gutachten einige neue und zugespitzte Ergebnisse ab. Dabei geht sie auch auf die jüngere Debatte zum Rx-Versandverbot und zur Apothekenhonorierung ein. Beides stellt sie als Alternativen dar. Ihre Kernaussage ist, dass das Rx-Versandverbot die flächendeckende Versorgung nicht sichern könnte, weil viele Apotheken ohnehin wirtschaftlich nicht zu retten seien. Diese These ist schon aus dem Gutachten bekannt und wird nun weiter unterfüttert. Neu sind einige Anmerkungen zum Kombimodell. An der Heiden versucht die Umstellung des Jahres 2004 als Paradigmenwechsel hin zur Kostendeckung umzudeuten. Dabei ignoriert sie die damalige politische Bedingung einer ergebnisneutralen Umstellung. Doch so schafft die Gutachterin eine Grundlage, um die Kritik zurückzuweisen, dass das Gutachten den Versorgungsauftrag der Apotheken missachtet.
Erneute „Entwarnung“ zum Versand
Doch der Reihe nach – schon die Überschrift des Beitrags erstaunt: „Arzneimittel – transparente Preise sinnvoller als Versandhandel.“ Die Autorin fasst die jüngste politische Diskussion so zusammen, als seien das Rx-Versandverbot oder ein „erhöhtes Beratungs- und Sicherstellungshonorar“ Alternativen gegen drohende Unterversorgung. Dabei ignoriert sie, dass jede deutsche Preisregelung gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19. Oktober 2016 umgangen werden kann. Dann erklärt sie (wie schon im Gutachten), dass die Gewährleistung der flächendeckenden Versorgung mangels einer Legaldefinition nur schwer zu beschreiben sei. Es sei auch unabhängig vom Versand nicht zu beantworten, was 7600 gefährdete Apothekenunternehmen für die Versorgung bedeuten.
Zum Versandhandel präsentiert sie einige neuere Daten. Demnach habe der Rx-Versand auch nach dem EuGH-Urteil mit Wachstumsraten von 10 Prozent nur gering zugelegt. Der Umsatz sei von 91,1 Millionen Euro im ersten Quartal 2016 auf 98 Millionen Euro im ersten Quartal 2017 und weiter auf 110 Millionen Euro im vierten Quartal 2017 gestiegen. Daraus leitet an der Heiden keine Gefahren für die wohnortnahe Versorgung ab. Doch argumentiert sie, die Versender könnten Boni zahlen, weil die Preise für Fertigarzneimittel zu hoch und für Rezepturen und BtM zu niedrig seien. Darum sollten die Rezeptur- und Dokumentationszuschläge auf kostendeckende Beträge erhöht und die Zuschläge auf Fertigarzneimittel gesenkt werden.
Umdeutung des Kombimodells
Dann folgen Betrachtungen zu den Grundlagen der AMPreisV. An der Heiden beschreibt die Umstellung der Honorierung auf das Kombimodell im Jahr 2004 so, als sei damit das „Kostendeckungsprinzip“ als neues Konzept in die Apothekenhonorierung eingeführt worden. Dazu verweist sie insbesondere auf die damalige Formulierung zur Anpassung des Kassenabschlags, die „unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Leistungen und der Kosten der Apotheken bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ erfolgen sollte.
Doch dabei ignoriert sie die damalige politische Idee, die die Grundlage für das Kombimodell bildete: Es sollte eine ergebnisneutrale Umstellung für die Apotheken werden. Dies war die Voraussetzung für die ABDA, das Kombimodell aktiv zu unterstützen. Anders hätte es nie im Konsens umgesetzt werden können. Es ging damals darum, die Apothekenhonorierung von den immer weiter steigenden Preisen der Arzneimittel abzukoppeln. Es ging aber gerade nicht darum, die Apotheken schlechter zu stellen. Außerdem kann eine Argumentation zum sozialrechtlichen Kassenabschlag nicht die arzneimittelrechtliche Preisbildung erklären. Denn erstens erfolgt der Kassenabschlag erst auf der Grundlage der Preise gemäß AMPreisV und zweitens wurde der Kassenabschlag inzwischen ohnehin neu geregelt.
Gutachterin weist Kritik zurück
Doch an der Heiden begründet mit ihrer Argumentation den kostenrechnerischen Ansatz des 2HM-Gutachtens. Zudem weist sie damit die Kritik zurück, dass das Gutachten den Versorgungsauftrag nicht angemessen berücksichtige. Stattdessen wirft sie den Kritikern „ein falsches Verständnis der AMPreisV, seiner gesetzlichen Grundlagen und seiner Berechnung“ vor.
Doch an der Heiden selbst verwechselt offenbar die Form der Preisberechnung mit der betriebswirtschaftlichen Natur der Kosten. Es gab 2004 einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Berechnungsmethode für die Arzneimittelpreise. Doch das sollte nicht bedeuten, dass bestimmte Kostenarten künftig nicht mehr über die AMPreisV honoriert werden sollten. Die Höhe des Festzuschlags wurde damals aus der früheren prozentualen Marge abgeleitet, weil der Festzuschlag die Finanzierungsfunktion der Marge erfüllen sollte.
Strukturfonds für die Landapotheken
Während ein Strukturfonds zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung im Gutachten noch eher als Option erscheint, setzt sich an der Heiden nun klar dafür ein. Damit sollten gefährdete ländliche Apotheken gezielt unterstützt werden. Mit etwa 100 Millionen Euro jährlich könne dafür gesorgt werden, dass alle ländlichen Apotheken mit Umsätzen bis 2 Millionen Euro einen Überschuss von jeweils 100.000 Euro erzielen. Dies sei zielgerichteter als ein Rx-Versandverbot. Dazu führt an der Heiden aus, der EuGH würde bei einem Rx-Versandverbot fragen, was neben dem Verbot getan worden sei, um die bereits gefährdeten Apotheken zu erhalten. „Findet man hier keine stichhaltige Antwort, wird der EuGH auch dieses Problem aufgreifen“, erwartet an der Heiden.
Gutachten soll stufenweise umgesetzt werden
Außerdem schlägt die Gutachterin vor, die BtM-Gebühr, die Rezepturtarife und den Zuschlag für den Notdienstfonds gemäß dem Honorargutachten zu erhöhen und den Festzuschlag für Rx-Arzneimittel entsprechend zu senken. Die Reduktion des Festzuschlags solle „nur stufenweise“ erfolgen, „um eine konstruktive weitere Diskussion der Preise“ zu ermöglichen. Im Vergleich zum Gutachten mag dies als kleines Zugeständnis an die politische Umsetzbarkeit gewertet werden.
Versand als Maßstab und Ziel
Bemerkenswerter erscheinen die vielen Parallelen in den Argumentationen der Gutachterin und der Krankenkassen. Letztlich geht es beiden darum, die Apotheken nur noch für die Kosten zu entschädigen, die mehr oder weniger direkt aus der Abgabe der Arzneimittel entstehen. Die Honorierung würde auf das Maß bonigewährender Versandapotheken gedrückt. Ihre Infrastruktur müssten die Apotheken zu großen Teilen außerhalb der Solidargemeinschaft finanzieren. Praktisch vorstellbar ist das nur mit Drug-Stores nach amerikanischem Vorbild oder mit Versendern, die sich aus dem OTC-Geschäft und aus Einkaufsvergünstigungen finanzieren oder aus strategischen Gründen mittelfristig auf Gewinne verzichten. Auch hinsichtlich des Versandhandels werden die Parallelen zwischen dem Gutachten und einigen Vertretern von Krankenkassen immer deutlicher. Die ganze Argumentationsweise beginnend mit der Auslegung der AMPreisV über die Kostenrechnungsansätze des Gutachtens, erscheint letztlich wie eine Rechtfertigung für den Rx-Versand.
Diese Intention würde auch die Überschrift erklären, die das Rx-Versandverbot als Alternative zu höheren Preisen darstellt. Eine solche Argumentation in einer Zeitschrift, die vom AOK-Bundesverband herausgegeben wird, spricht dafür, dass hier offenbar der Versandhandel propagiert werden soll. Wenn die Vor-Ort-Apotheken aufgrund geringerer Vergütung ihre Leistungen einschränken müssten, würden die Vorteile des bestehenden Systems wegbrechen und der Versand wäre der Gewinner. |
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