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Arzneimittel und Therapie
„Natürlich nicht jedes Kind medikamentös behandeln!“
Drei Fragen an ADHS-Leitlinienkoordinator Prof. Dr. Dr. Tobias Banaschewski
DAZ: Herr Professor Banaschewski, die S3-Leitlinie „ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ wurde inhaltlich bereits im Mai 2017 fertiggestellt. Wieso erfolgte die offizielle Publikation erst über ein Jahr später?
Banaschewski: Das lag unter anderem daran, dass in den letzten Monaten der formalen Konsentierung – trotz Beteiligung der Delegierten bei der Leitlinienentwicklung – im Nachgang durch die Vorstände einzelner Gesellschaften Sondervoten eingebracht wurden. Dieser Prozess hat sich sehr lange hingezogen. Am Ende haben jedoch alle an der Entwicklung beteiligten Fachgesellschaften/Organisationen/Verbände – mit Ausnahme der Vereinigung Analytischer Kinder- u. Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e. V. (VAKJP) – der nun veröffentlichten Fassung zugestimmt. Zum anderen ist anzumerken, dass die zeit- und arbeitsintensive Entwicklung einer Leitlinie in Deutschland bislang größtenteils auf ehrenamtlichem Engagement beruht bzw. durch Haushaltsmittel der Universitäten finanziert wird. Eine finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite, wie sie in Großbritannien üblich ist und bei uns auch von der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) gefordert wird, könnte helfen, den Prozess der Leitlinienentwicklung zu beschleunigen.
DAZ: Welche inhaltlichen Punkte waren strittig?
Banaschewski: Insbesondere bei der Gewichtung der Psychotherapie wurde von Seiten verschiedener Berufsverbände ein höherer Stellenwert dieser Verfahren gefordert. Die medikamentöse Behandlung mit Methylphenidat wurde von einigen Verbänden kritisch gesehen, vor allem in Bezug auf mögliche Langzeitfolgen. Hier ist jedoch zu betonen, dass auch die neuesten Studiendaten keine Anhaltspunkte für gravierende Nebenwirkungen liefern. Dennoch sollte – wie in der Leitlinie dargelegt wird – natürlich nicht jedes Kind medikamentös behandelt werden. Insbesondere bei jüngeren Kindern unter sechs Jahren sollte primär keine Pharmakotherapie eingesetzt werden. Ist eine medikamentöse Behandlung bei Kindern im Vorschulalter mit schwerer ADHS-Symptomatik jedoch erforderlich, so muss diese von einem Spezialisten für frühkindliche Entwicklung durchgeführt werden. Insgesamt sollten die in der Leitlinie verabschiedeten evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen die Debatte zur Pharmakotherapie befrieden.
DAZ: Wie können Apotheker zur Verbesserung der Therapie beitragen?
Banaschewski: Apotheker können die Patienten bzw. deren Eltern dazu anregen, die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. So soll mindestens alle sechs Monate überprüft werden, ob die medikamentöse Therapie angepasst werden muss, und ob es überhaupt notwendig ist, diese weiterzuführen. Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen (z. B. Appetitlosigkeit, Blutdruckanstieg) können Apotheker ebenfalls beratend tätig werden. Wichtig dabei ist, die Eltern nicht zu beunruhigen.
DAZ: Herr Professor Banaschewski, vielen Dank für das Gespräch!
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