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Kongresse
Rezepturen retten!
Der Deutsche Apotheker Verlag hat zum 2. Rezepturgipfel geladen
Der erste Referent des Tages, Dr. Andreas S. Ziegler, nahm die Teilnehmer mit auf eine Tour durch Baumarkt, Suppenküche und Milchbar, und am Ende gab es noch einen kleinen Absacker beim Griechen. Das war natürlich nicht ganz ernst gemeint, aber in der Tat zeigte er in seinem Vortrag eindrucksvolle Bilder von Rezepturen, die aussahen wie Tapetenkleister, Eierflockensuppe, Hüttenkäse oder gut gekühlter Ouzo. Das Besondere an diesen, bereits auf den ersten Blick erkennbar nicht abgabefähigen Rezepturen: Sie wurden genau so verordnet und veranschaulichen einige Inkompatibilitätsklassiker, die Ziegler in seinem Vortrag systematisch vorstellte. Von ionischen und phenolischen Wechselwirkungen, über Verfärbungen und Oxidationsreaktionen bis hin zu pH-, temperatur- oder lösungsmittelbedingten Ausfällungen war nahezu alles dabei, was das Rezeptur-Repertoire der physikochemischen Wechselwirkungen hergibt. Selbstverständlich wurde für jede Problemrezeptur mindestens eine optimierte Alternative vorgestellt, um zu zeigen, dass sich auch Zubereitungen, die aussehen wie Schmirgelpapier oder Milchreis, mit entsprechendem galenischem Know-how retten lassen.
Die Dosis-Verantwortung
Im Anschluss widmete sich Erika Fink der korrekten Dosierung von Rezepturarzneimitteln, wobei sie beide Seiten des Rezeptblocks im Blick behielt. So sei grundsätzlich mit der Verordnung ungewöhnlich hoher oder niedriger Dosen zu rechnen, sei es aus Versehen oder Unwissenheit, sei es bewusst, um den Wunsch eines Patienten zu erfüllen, was gerade bei der Behandlung von Frauen mit Sexualhormonen in jüngster Zeit wieder häufiger der Fall sei, wie die Referentin aus ihrer eigenen Apothekenerfahrung berichtete. Aber nicht nur die Verordnung der richtigen Dosis ist entscheidend, auch die Gewährleistung einer hinreichenden Dosiergenauigkeit bei der Herstellung ist – gerade bei niedrigdosierten Wirkstoffen – mitunter eine echte Herausforderung, weshalb Fink auch eingehend über die Grenzen der Leistungsfähigkeit typischer Apothekenwaagen, sowie die Vorteile von Rezepturkonzentraten und die Notwendigkeit der Einwaagekorrektur bei gehaltsgeminderten Ausgangsstoffen referierte.
„Vater“ aller Rezepturprobleme
Manche bezeichnen den pH-Wert als den „Vater aller Rezepturprobleme“, weil er neben der Wirkstoffhydrolyse die Zubereitungsqualität auch auf diversen anderen Wegen zu mindern vermag. Zu denken wäre etwa an pH-abhängige Ausfällungen oder den Wirkungsverlust bestimmter Konservierungsmittel. Wie mit pH-bedingten Inkompatibilitäten umgegangen werden kann, erläuterte Jutta Wittmann von der PTA-Schule Nürnberg. Sie leitete in ihrem Vortrag anschaulich her, warum eine bloße Verkürzung der Haltbarkeit in aller Regel keine Gewähr für eine ausreichende Wirkstoffstabilität über den Anwendungszeitraum bietet und warum die pH-Einstellung mit Säuren/Basen bzw. Puffern die zuverlässigere Vorgehensweise darstellt. Nutzen und Grenzen eines Konservierungsmittel- bzw. Grundlagentausches wurden als Möglichkeiten der Problemlösung ebenso diskutiert wie die Tatsache, dass Wirkstoffe mit nicht überlappenden, rezeptierbaren pH-Bereichen nicht zusammen in einem Rezepturarzneimittel verarbeitet werden können. In diesem Fall führt an einer Aufteilung auf zwei getrennte Rezepturen kein Weg vorbei, so die Referentin.
Suspensionen statt Kapseln
Kapseln gehören zu den besonders anspruchsvollen Herausforderungen in der Rezeptur, da die Herstellung nicht nur aufwendig ist, sondern auch einige Übung erfordert, um die Gleichförmigkeit des Gehalts zu gewährleisten. Als Alternative zu Kapseln finden gegenwärtig oral applizierte Suspensionen wieder zunehmend Verbreitung in der Apotheke, eine Darreichungsform, die lange Zeit in der Rezeptur eher ein Schattendasein fristete. Grund genug also, sich über die aktuellen Entwicklungen in diesem Bereich zu informieren. Sonja Arlt stellte in ihrem Referat Vor- und Nachteile von Kapseln und oralen Suspensionen gegenüber und erklärte, worauf bei der Formulierung Letzterer zu achten ist, um eine stabile, arzneibuchkonforme Suspension herzustellen. Neben einigen offizinellen Dispersionsmitteln verwies die Referentin insbesondere auch auf verschiedene kommerziell erhältliche Trägermedien, die die Suspensionszubereitung in der Apotheke deutlich erleichtern.
Problemrezepturen im automatischen Rührsystem
Den Abschluss des abwechslungsreichen Vortragsprogramms bildete ein Thema, mit dem nahezu alle Apotheken tagtäglich konfrontiert sind: die Herstellung halbfester Zubereitungen im automatischen Rührsystem. Dennoch wirft die rationale Auswahl der Rührparameter immer wieder Fragen auf, wie Kirsten Seidel anhand zahlreicher Praxisbeispiele deutlich machte, denn erfahrungsgemäß gibt es nicht die eine Einstellung, mit der alle Rezepturen gelingen. Die Hersteller der Geräte führen jedoch regelmäßig Untersuchungen zur Qualität automatisch gerührter Zubereitungen durch, sodass die verfügbaren Empfehlungen immer detaillierter und individueller werden. Unabhängig davon sind einige Wirkstoffe bei der Verarbeitung im automatischen Rührsystem jedoch problematischer als andere. Vor allem Chlorhexidindigluconat, Erythromycin, Harnstoff, Metronidazol und Polidocanol erfordern besondere Aufmerksamkeit, wie Seidel betonte.
Rundum gelungen!
Begleitet wurde der Rezepturgipfel von einer Industrieausstellung, die ebenfalls ganz im Zeichen der offizinellen Arzneimittelherstellung stand. Wie erwartet stieß das umfangreiche Informationsangebot der Firmen Apo-ident, Audor, Bionorica ethics, Caelo, Euro-OTC-Pharma, Fagron, ICHTHYOL, Lauer-Fischer, Wepa sowie des Deutschen Apotheker Verlags auf großes Interesse. In Trauben umlagerten die Kongressbesucher die Stände, um mit den Ausstellern ins Gespräch zu kommen und sich über neueste Entwicklungen im Rezepturbereich zu informieren. Überhaupt spielte der inhaltliche Austausch eine große Rolle. Nicht nur in den Vorträgen führten Teilnehmer und Referenten angeregte Diskussionen, auch in den Pausen wurde ausgiebig gefachsimpelt. Von Einzelfällen und individuellen Rezepturproblemen bis hin zu den großen Trends im Rezepturbereich fanden alle Themen ihren Platz und brachten Rezepturinteressierte auf allen Ebenen miteinander ins Gespräch. Kein Wunder, dass Antje Piening, die Moderatorin der Veranstaltung, ein durchweg positives Resümee zog: „Wir hatten ein tolles Ambiente, interessante und originelle Vorträge zu spannenden Themen, zufriedene Aussteller, aber vor allem viele, rezepturbegeisterte Teilnehmer, die voll auf ihre Kosten kamen und für eine tolle Stimmung sorgten!“ |
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