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Obstipation bei Kindern lässt sich durch konsequente Behandlung lösen

Chronische Obstipation kommt bei vielen Kindern vor. In den meisten Fällen gibt es keine organische Ursache dafür, sondern die Kinder unterdrücken den Stuhlgang aufgrund vorangegangener negativer Erlebnisse. Dadurch verhärtet der Stuhl, was zu neuen schmerzhaften Toiletten­gängen führt. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist eine frühzeitige, konsequente medikamentöse Therapie nötig. Nicht­medikamentöse Maßnahmen können den langfristigen Therapieerfolg unterstützen.

Wichtig ist ein Toilettentraining ohne „Erfolgsdruck“, das vom Kind als positiv besetztes Ritual und nicht als Strafe empfunden wird.

Keine Sorge, wenn es nicht täglich klappt

Viele Eltern beobachten den Stuhlgang ihrer kleinen Kinder genau und machen sich oft schon wegen kleiner Schwankungen in der Frequenz Sorgen. Da die normale Stuhlfrequenz aber von Kind zu Kind und altersabhängig stark variiert, sollte genau hingeschaut werden, wenn Eltern der Meinung sind, ihr Kind leide unter einer Verstopfung. Die sogenannte Rom-IV-Konferenz hat einige Kriterien für die Diagnose der Obstipation definiert. Diese liegt vor, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien zutreffen:

  • weniger als drei Stuhlentleerungen pro Woche
  • mehr als eine Episode von Stuhlschmieren pro Woche
  • Rückhaltemanöver
  • schmerzhafter oder harter Stuhlgang

Wenn diese Symptomatik über mehr als zwei Monate vorliegt, spricht man von einer chronischen Obstipation.

Foto: and.one – stock.adobe.com

Ursachen

Bei der Mehrheit der Kinder besteht eine funktionelle Obstipation ohne organische Ursachen. Stattdessen halten die Kinder den Stuhldrang bewusst zurück, nachdem sie schmerzhafte oder traumatische Erfahrungen damit gemacht haben. Oft steht am Anfang ein harter und schmerzhafter Stuhlgang, z. B. aufgrund einer akuten Gastroenteritis oder Dehydratation. Nach diesem Erlebnis meidet das Kind den Toilettenbesuch und hält den Stuhl länger zurück. Der Stuhl im untersten Darmabschnitt verhärtet sich und sorgt dafür, dass sich die schmerzhafte Erfahrung beim nächsten Toilettengang bestätigt. Es entsteht ein Teufelskreis. Zudem wird der natürliche Defäkationsreiz durch die ständige Dehnung des Rektums immer schwächer. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Überlauf-Enkopresis, einer ungewollten Entleerung von Stuhl in die Unterwäsche bei eigentlich sauberen Kindern über vier Jahren. Diese wird von Eltern oft fälsch­licherweise als Zeichen von Durchfall anstatt einer Folge der Obstipation interpretiert.

Die symptomatische Therapie der funktionellen Obstipation sollte frühzeitig und konsequent durchgeführt werden, damit sich der Teufelskreis nicht weiter festigt. Kinder, deren ­Obstipation organische Ursachen hat, profitieren von einer symptomatischen Therapie allerdings kaum. Warnhinweise auf organische Störungen hat das englische National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) als „Red Flags“ definiert:

  • Symptombeginn bei Geburt oder in den ersten Lebenswochen
  • Mekoniumentleerung > 48 Stunden nach Geburt
  • Band/Stiftstühle
  • eine bisher unbekannte oder nicht diagnostizierte Schwäche der Beine oder motorische Entwicklungs­störung
  • geblähtes Abdomen mit Erbrechen

Diese Symptome sollten dringend vom Facharzt abklärt werden.

Erste Wahl sind Macrogole

Macrogole stellen eine effiziente Möglichkeit dar, den Stuhl ohne Einläufe oder Klysmen aufzuweichen. Damit sind sie das Mittel der Wahl, um den verhärteten Stuhl zu lösen und weichzuhalten. Die empfohlene initiale Dosis liegt bei 1 bis 1,5 g Macrogol je kg Körpergewicht verteilt auf drei Einzeldosen. Diese kann nach der initialen Darmreinigung auf 0,4 bis 0,8 g/kg Körpergewicht reduziert werden. Die Dosierung sollte sich nach der Stuhlfrequenz richten. Die Therapie sollte nicht abrupt abgesetzt werden oder „nur bei Bedarf“ angewendet werden, um harte Stühle und schmerzhafte Toilettengänge zu vermeiden. Statt­dessen sollte die Dosis behutsam verringert werden, mit dem Fokus darauf, dass der Stuhl weich bleibt.

Die Einordnung von Macrogol-Präparaten ist etwas schwierig. Manche Präparate sind zur Behandlung von chronischer Obstipation bei Kindern im Alter von zwei bis elf Jahren als Arzneimittel klassifiziert und damit über die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erstattungsfähig (z. B. Juniorlax®, Kinderlax® mit Zitrusgeschmack, Macrogol neuraxpharm®, Movicol® V [rezeptpflichtig], Movicol® schoko). Andere gelten als Medizinprodukte mit Arzneimittelcharakter. Ihre Erstattungsfähigkeit richtet sich nach der Anlage V des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Dort sind für die Behandlung der Obstipation bei Kindern von zwei bis elf Jahren die Präparate Movicol® Junior Schoko und Movicol® Junior Aromafrei (rezeptpflichtig) sowie Kinderlax® elektrolytfrei für Kinder ab sechs Monaten aufgeführt.

Weitere Macrogol-haltige Medizinprodukte (z. B. Isomol®, Macrogol AbZ,Macrogol dura®, Macrogol Tad®, Macrogol ratiopharm®, Macrogol ratiopharm® flüssig Orange, Medicoforum Laxativ, Movicol®, Movicol® flüssig Orange, Movicol® aromafrei, Parkolax®) sind erst für Patienten ab dem vollendeten zwölften Lebensjahr zur Behandlung der Obstipation nur in Zusammenhang mit Tumorleiden, Mega­kolon (mit Ausnahme des toxischen Megakolons), Divertikulose, Diverti­kulitis, Mukoviszidose, neurogener Darmlähmung, bei phosphatbindender Medikation bei chronischer Niereninsuffizienz, Opiat- sowie Opioid­therapie und in der Terminalphase sowie für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen im Alter von zwölf Jahren bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zur Behandlung der Obstipation erstattungsfähig.

Alternativen

Alternativ stehen zur oralen Anwendung auch Lactulose (z. B. Bifiteral®Sirup) und Paraffinum subliquidum (Obstinol® mild) zur Verfügung. Beide werden je nach Stuhlfrequenz mit 1 bis 2 ml/kg Körpergewicht täglich verteilt auf ein bis zwei Einzeldosen dosiert. Paraffinum subliquidum ist wegen Aspirationsgefahr bei Kindern unter zwei Jahren oder behinderten Kindern kontraindiziert.

Falls Macrogole wirkungslos bleiben, kann auch anal abgeführt werden. ­Dazu können bei Säuglingen Glyzerin-Suppositorien und Mikroklistiere, bei älteren Kindern Sorbitol-Klistiere eingesetzt werden. Salinische, phosphathaltige Klysmen sind bei Kleinkindern (unter sechs Jahren), behinderten Kindern oder Kindern mit eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert. Sie können bei diesen Patienten zu einer akuten schweren Hyperphosphatämie und damit zum Tod führen. Wichtig ist bei rektalen Anwendungen, das Kind nicht zu traumatisieren. Verängstigte oder sich wehrende Kinder sollten für solche Anwendungen mit Midazolam sediert werden.

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Eine chronische Obstipation bei Kindern sollte nicht ausschließlich nichtmedikamentös behandelt werden. Eine konsequente medikamentöse Therapie ist notwendig, um den Teufelskreis aus unangenehmen Erfahrungen und Stuhlverhalt zu durchbrechen. Weitere Maßnahmen können die medikamentöse Therapie unterstützen und helfen, einen Rückfall zu vermeiden. Eine erste, nicht zu unterschätzende Maßnahme ist die Aufklärung und Beruhigung der Eltern. Es gilt zu vermitteln, dass eine funktionelle Obstipation bei Kindern häufig auftritt und meist keine schwere organische Ursache hat. Das soll den Druck von ­Eltern und Kind nehmen, denn durch Zwang und „Erfolgsdruck“ bekommt das Toilettentraining für das Kind eine negative Konnotation, die kontraproduktiv ist. Stattdessen sollte das Kind zur Konditionierung des gastrokolischen Reizes nach den Hauptmahlzeiten dazu angehalten werden, fünf bis zehn Minuten auf der Toilette zu verbringen – unabhängig vom Ergebnis. Wichtig ist, dass der Toilettengang nicht wie eine Strafe wirkt. Das Anschauen eines Bilderbuches auf der Toilette wäre eine Möglichkeit, das Ritual positiv zu gestalten. Auch das Einführen eines Belohnungssystems für das Stuhltraining ist möglich.

Empfehlungen zur Ernährung dienen weniger zur akuten Therapie, sondern hauptsächlich dazu, den Therapieerfolg durch die Reduktion von Risikofaktoren langfristig zu sichern. Eine ballaststoffreiche altersgerechte Mischkost mit Vollkornprodukten und frischem Obst und Gemüse sowie eine ausreichende Trinkmenge tragen zu einer gesunden Darmaktivität ebenso bei wie regelmäßige Bewegung. Als weiterer ernährungsbezogener Risikofaktor könnte ein übermäßiger Milchkonsum oder eine Nicht-IgE-­vermittelte Kuhmilcheiweißallergie infrage kommen. Es wird vermutet, dass Casein mit den Opioid-Rezeptoren im Darm interagieren kann und somit obstipierend wirkt. Bei einem entsprechenden Verdacht kann der probeweise Verzicht auf Kuhmilch zielführend sein. |

Literatur

Chronische Obstipation im Kindesalter, Consilium Themenheft 2018;1

Reinhardt D, Thomas N, Zimmer KP (Hrsg.). Therapie der Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. 9. Auflage, Springer-Verlag 2014

Müller C. Macrogol-Rezepte richtig beliefern – so geht`s, DAZ.online, 18. August 2017

Anlage V zum Abschnitt J der Arzneimittelrichtlinie, Gemeinsamer Bundesausschuss, Stand: 22. Mai 2018

Apothekerin Sarah Katzemich

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