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Versandhandel
Geliefert, aber 40 Kilometer entfernt
Studienteilnehmer äußern sich zu Versandapotheken
Durchgeführt wurde die Studie mit 100 Studierenden der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Die Absolventen des dritten Semesters sind also sogenannte Digital Natives, die im Zeitalter des Internets mit elektronischen Medien aufgewachsen sind. Sie haben ganz bestimmte Erwartungen an Online-Händler.
Im Jahr 2004 wurde der Markt für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland geöffnet. Äußerst kontrovers wird seitdem diskutiert, ob die Anbieter – also inländische Versandapotheken und ausländische Unternehmen – die hohen gesetzlichen und qualitativen Anforderungen erfüllen. Die Apothekergenossenschaft hat in ihrer Studie den Markt aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und kommt zu dem Ergebnis: „Versandapotheken erfüllen gesetzliche Auflagen nur lückenhaft“.
Was den Registrierungsaufwand und die anschließende Produktauswahl angeht, konnten die Versender die Testpersonen durchaus überzeugen: Mehr als 80 Prozent bewerteten den Aufwand als überschaubar. In über 90 Prozent der Fälle erfolgte die Auswahl der Arzneimittel und sonstigen Produkte über die Suchfunktion der Homepages. Auch die von anderen Online-Shops bekannten E-Mail-Bestätigungen nach Bestellung und Versand wurden in fast neun von zehn Fällen wahrgenommen.
Defizite zeigten sich jedoch bei der pharmazeutischen Logistik und Beratung: Bei 22 Prozent der bestellten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel sowie bei 36,5 Prozent der Bestellungen auf Rezept betrug die Lieferzeit vier oder mehr Tage. Bei mehr als drei Viertel der Testbestellungen kam es zu keiner Aufforderung, freiwillig weitere Angaben zur Person und zu sonstigen Arzneimitteln zu machen. Wenn doch, ging es meistens um aktuelle Erkrankungen, die vorhandene Medikation oder Informationen zu Schwangerschaft und Stillzeit. Nur 3 Prozent der Testpersonen erhielten einen Anruf durch die Versandapotheke bzw. nahmen einen solchen wahr. Lediglich ein Drittel der Wechselwirkungen wurde erkannt. Der Hinweis auf Wechsel- und Nebenwirkungen erfolgte meistens durch ein Informationsblatt bei der Lieferung des Pakets.
„Bei zwei von vier Versandapotheken wurden sogar die Versandkosten übernommen, obwohl der Warenwert bei nur fünf bis zehn Euro lag. Für die Zukunft würde ich Arzneimittel wie Schmerzmittel oder Hustensäfte im Internet kaufen, da es wesentlich günstiger ist. Rezepte werde ich weiterhin in der Apotheke einlösen, da ich diese meist sofort benötige und die Versandapotheken beim Thema Beratung einfach nicht an Vor-Ort-Apotheken rankommen.“
Diese Ergebnisse spiegeln sich auch in den Statements von vier Studierenden gegenüber DAZ wieder. „Der Bestellvorgang bei allen Versandapotheken war sehr einfach. Innerhalb weniger Minuten konnte man sich registrieren“, sagt zum Beispiel Selina Kemmler und weiter: „Über die Suchfunktion auf der Homepage war das Medikament schnell und in den vorgegebenen Mengen zu finden.“ Für Alicia Hammer steht fest: „Da ich zuvor noch nie von Versandapotheken gehört hatte, konnte ich im Rahmen der Studie viel an Erfahrung gewinnen.“ Den Vergleich mit anderen Online-Shops brauchen die Arzneimittelanbieter auch nicht zu scheuen. „Die Sendung konnte verfolgt werden und der Bestellvorgang war einfach zu handhaben“, stellt die Studentin fest. Auch die vorgegebene Rücksendung eines Präparates im Rahmen der Studie verlief problemlos. „Der Anmelde- und Bestellvorgang sowie die Übersichtlichkeit der Seiten selbst waren nicht zu bemängeln“, ergänzt Daniel Kuss das Statement seiner Kommilitoninnen.
„Da ich selbst nur einen kleinen Briefkasten besitze, gab ich bei der Bestellung an, dass das Medikament an meinen Nachbarn geliefert werden sollte. Nach tagelangem Warten stellte ich fest, dass das Medikament an einer Poststation abgelegt wurde, welche fast 40 Kilometer von meinem Wohnort entfernt war. Da die Creme nur zu gewissen Temperaturen gelagert werden durfte, war hier also nicht mal mehr eine Rücksendung möglich.“
Doch bei der Zusendung der Arzneimittel – Daniel Kuss bestellte wie vorgegeben Nasenspray, Hustenlöser und Vaginalkapseln – haperte es dagegen: „Die Pakete wurden zweimal an meine Nachbarn übergeben … Das ist für mich persönlich kein Problem, da ich ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn habe.“ Doch Kuss bezweifelt, ob das bei einer Arzneimittelsendung für jeden wünschenswert sei. „Da die Zustellung wie üblich zumeist während der Arbeitszeit geschieht, kann man sich als Alleinstehender darauf einstellen, dass ein Gang zur nächsten Postfiliale am Folgetag notwendig sein wird“, stellt er sich vor. Diese Erfahrung musste Alicia Hammer machen: „Da ich selbst nur einen kleinen Briefkasten besitze, gab ich bei der Bestellung an, dass das Medikament an meinen Nachbarn geliefert werden soll. Nach tagelangem Warten stellte ich fest, dass es an einer Paketstation abgelegt wurde, welche fast 40 Kilometer von meinem Wohnort entfernt ist.“
„Ein weiterer Teil der Studie bestand in den Retouren einiger der Medikamente, wozu wir bei den Versandapotheken anrufen sollten. Für mich war dies eine äußerst frustrierende Erfahrung: Über mehrere Tage und unzählige Anrufe hinweg ist es mir nicht ein einziges Mal gelungen, jemanden ans Telefon zu bekommen.“
Ist der Preis entscheidend?
Luisa Härle weiß auch weitere Kritikpunkte: „Der unnötige Verpackungsmüll, wie Luftpolsterfolie, oder ein viel zu großer Karton für einen viel kleineren Artikel sowie massig Werbung für andere Online-Händler.“ Als sie bei der Bestellung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels auf Rezept keine Bestätigungsmail erhielt, wandte sie sich direkt an den Kundenservice. „Daraufhin folgte noch am selben Tag eine freundliche E-Mail mit der Mitteilung, dass mein Paket voraussichtlich noch am heutigen Tag ausgeliefert wird.“ Daniel Kuss hat bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln grundlegende Bedenken:
„Nachdem ich das Rezept jedoch im Original zur Post bringen musste, sehe ich in dieser Sache nur Nachteile gegenüber einem einfachen Gang zur Apotheke ohne Lieferzeit.“
Das kann auch Selina Kemmler bestätigen: „Rezepte werde ich weiterhin in der Apotheke einlösen, da ich diese Arzneimittel meist sofort benötige und die Versandapotheken beim Thema Beratung einfach nicht an Vor-Ort-Apotheken rankommen.“ So musste sie im Rahmen ihrer Testbestellung ein Arzneimittel auf Rezept bestellen, bei dem die Versandapotheke eine Wechselwirkung hätte aufdecken müssen. „Der Bestellvorgang bei allen Versandapotheken war sehr einfach. Innerhalb weniger Minuten konnte man sich registrieren. Bei drei von vier konnte man sogar eine Telefonnummer angeben, kontaktiert wurde ich allerdings nicht.“ Längerfristig planbare Einkäufe von Arzneimitteln, wie Schmerzmittel oder Hustensäfte, würde sie aufgrund des Preises auch im Internet kaufen. So hat es Daniel Kuss nach der Studie auch getan: „Ein paar Wochen später habe ich mir dann zum ersten Mal selbst Medikamente online bestellt: Mehrere Packungen Schmerzmittel auf Vorrat, wegen des niedrigen Preises.“ Für alles andere bevorzugt er aber weiterhin den Gang zur stationären Apotheke „wegen der sofortigen Verfügbarkeit sowie der Einfachheit des Ablaufes.“
„Letztendlich haben die Versandapotheken meine Erwartungen erfüllt, obwohl mich ein paar Dinge gestört haben. Schmerzmittel, Cremes oder andere nicht verschreibungspflichtige Medikamente würde ich auf jeden Fall bei den Versandapotheken bestellen, da man meistens sowieso ein paar Arzneimittel zu Hause vorrätig hat und viele Artikel bei den Versandapotheken günstiger sind als bei den Apotheken vor Ort. Rezeptpflichtige oder dringend benötigte Medikamente würde ich allerdings auf keinen Fall im Internet bestellen, da mir persönlich der Aufwand zu hoch ist.“
Alicia Hammer rät: „Meiner Meinung nach sollten Vor-Ort-Apotheken durch ihre kompetenten Mitarbeiter, ihre Zuverlässigkeit und Sicherheit im Umgang mit Medikamenten das Vertrauen der Menschen aufrechterhalten, um einen Mehrwert gegenüber den Versandapotheken zu bieten.“ Luisa Härle ergänzt: „Vor-Ort-Apotheken müssen allerdings aufpassen, dass die Preise gegenüber dem Online-Handel nicht zu sehr abweichen. Zusätzlich könnten Vor-Ort-Apotheken Kundenkartensyteme anbieten, um die Warenkörbe der Kunden zu analysieren und ihr Sortiment vor Ort besser anzupassen.“ |
Die Studie
Die Novellierung des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Apothekengesetzes (ApoG) im Jahr 2004 öffnete den Markt für den Versandhandel mit Arzneimitteln in Deutschland. Seit dieser politischen Entscheidung spielt der Arzneimittelversandhandel – nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Online-Affinität vieler Verbraucher – eine immer größere Rolle auf dem Arzneimittelmarkt. Diese Studie beleuchtet den Arzneimittelversandhandel anhand von Testkäufen internetaffiner Probanden und bietet damit eine Diskussionsgrundlage, inwiefern der Versandhandel den Anforderungen an eine qualitativ hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gerecht werden kann.
Andreas Kaapke (Hrsg.)
Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Arzneimittel-Versandhandels
80 S., Titel im Querformat, Bindung an der langen Seiten
Format 29,7 × 21,0 cm, 29,80 Euro, ISBN 978-3-7692-7242-0
Deutscher Apotheker Verlag 2018
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