Arzneimittel und Therapie

Erst testen, dann impfen

Empfehlungen zur Dengue-Impfung aktualisiert

Die Zulassung von Dengvaxia®, dem ersten Impfstoff gegen das Dengue-Fieber, war mit großen Hoffnungen verbunden. In mehreren Ländern Südostasiens und Lateinamerikas sind seitdem große Impfkampagnen gestartet worden. Neue Daten des Herstellers Sanofi Pasteur, die nun im New England Journal of Medicine voll publiziert wurden, haben jedoch zu einer revidierten WHO-Empfehlung und der Einstellung vieler Impfkampagnen geführt.

Die Ergebnisse von mehreren großen multizentrischen Phase-3-Studien führten im Dezember 2015 zur Zu­lassung von Dengvaxia®. Die Studien waren mit über 30.000 Studienteilnehmern im Alter von zwei bis 16 Jahren in Asien und Lateinamerika durchgeführt worden. In einer der Studien waren jedoch im dritten Jahr nach der Impfung bei Kindern, die im Alter von zwei bis fünf Jahren geimpft worden waren, gehäuft Krankenhausein­weisungen aufgrund von schweren Verläufen einer Dengue-Infektion aufgefallen. Ein Risiko für Personen, die älter als neun Jahre waren, konnte zu dem Zeitpunkt noch nicht gesehen werden. In der Altersgruppe der Neun- bis 16-Jährigen wurden vielmehr Reduktionen schwerer Dengue-Fälle um 93% sowie von Dengue-Hospitalisierungen um 82% beobachtet. Neben dem Alter der Probanden schien die Effektivität der Impfung auch von Serotyp und Serostatus abzuhängen.

Basierend auf den Daten der klinischen Studien gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2016 die Empfehlung heraus, Kinder in endemischen Gebieten mit einer Seroprävalenz von über 70% ab einem Alter von neun Jahren zu impfen. Gleich­zeitig wurden vom Hersteller weitere Studien in Bezug auf den Serostatus und eine langfristige Nutzen-Risiko-Evaluierung für seronegative Personen eingefordert.

Was ist Dengvaxia®?

Dengvaxia® (CYD-TDV) ist der erste und bisher einzige zugelassene Impfstoff gegen das Dengue-Fieber. Bei dem von der WHO bisher eingeschränkt empfohlenen Impfstoff der Firma ­Sanofi Pasteur handelt es sich um ­einen rekombinanten tetravalenten, attenuierten Lebendimpfstoff, der auf einer Gelbfiebervakzine basiert. Er besteht aus vier Komponenten, die jeweils für Antigene der vier verschiedenen Virusstämme kodieren. Der Impfstoff wird in einer Serie von drei Dosen mit einem zeitlichen Abstand von sechs Monaten verabreicht.

Dengvaxia® ist momentan in 20 Ländern für die Anwendung in endemischen Gebieten für Personen zwischen neun und 45 Jahren zugelassen. In Deutschland ist der Impfstoff nicht zugelassen und nach jüngsten Entwicklungen laut Angaben der Pressestelle des Robert Koch-Instituts (RKI) auch nicht für den Reisemedizinmarkt vorgesehen.

Serostatus genauer analysiert

Da Blutproben zur Untersuchung des Serostatus vor Impfbeginn nicht für alle Studienteilnehmer vorhanden waren (nur bei 7,5% bis 20% war der Serostatus bekannt), wurde ein neuer Test entwickelt. Der Antikörpertest, der auf der Detektion des Nichtstrukturpro­teins 1 (NS1) basiert, ist in der Lage, zwischen anti-NS1-Antikörpern zu unterscheiden, die durch eine Wildtyp-Dengue-Infektion induziert wurden oder aber durch die Impfung. Mithilfe dieses Tests konnten anhand von Blutproben, die allen Studienteilnehmern der drei zulassungsrelevanten Studien nach der dritten Impfung entnommen worden waren, Rückschlüsse auf den Serostatus zu Beginn der Impfung gezogen werden. Um die Sicherheit und Wirksamkeit der Impfung unter Berücksichtigung des Serostatus der Probanden zu ermitteln, wurde eine retrospektive Analyse durchgeführt.

Die Ergebnisse dieser Auswertung wurden bereits im November 2017 vom Hersteller vorab kommuniziert und nun im New England Journal of Medicine voll publiziert.

Seronegativ = erhöhtes Risiko

Die Daten bestätigen, dass Dengvaxia® seropositive Personen vor schweren Zweitinfektionen schützt. Bei sero­negativen Patienten führt die Impfung jedoch altersunabhängig zu einem erhöhten Risiko für schwer verlaufende Infektionen und damit verbun­dener Hospitalisierung.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren im Vergleich zu Placebo betrachtet, war das Risiko für schwere Dengue-Infektionen um 70% (Gruppe der Zwei-bis 16-Jährigen) bzw. 80% (Gruppe der über Neunjährigen) niedriger. Eine Subgruppenanalyse ergab jedoch für seronegative Personen der Altersgruppe von zwei bis acht Jahren ein signi­fikant erhöhtes Risiko für schwere Infektionen (Hazard Ratio [HR] 3,31; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,87 – 12,54 und Hospitalisierung (HR 1,95; 95%-KI 1,19 – 3,19). Bei älteren Kindern zwischen neun und 16 Jahren war das erhöhte Risiko weniger stark ausgeprägt, aber dennoch vorhanden (Hospitalisierung: HR 1,41; 95%-KI 0,74 – 2,68; schwere Infektion: HR 2,44; 95%-KI 0,47 - 12,56). In der Altersgruppe der Neun- bis 16-Jährigen zeigte sich ein erhöhtes Risiko drei Jahre nach der ersten Immunisierung, während das Risiko bei jüngeren Patienten scheinbar früher erhöht war.

Dengue-Fieber – Knochenbrecherfieber

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Die Übertragung des Dengue-Virus erfolgt in der Regel über Stechmücken der Spezies Aedes, insbesondere Aedes aegypti (Gelbfiebermücke) und Aedes albopictus (Asiatische Tigermücke).

Das Dengue-Fieber ist die am häufigsten durch Stechmücken übertragene Viruserkrankung. Weltweit sind schätzungsweise jährlich ca. 400 Millionen Menschen von einer Infektion betroffen, bei ca. 100 Millionen Menschen ist sie klinisch relevant. Das Dengue-Virus wird in mehr als 100 Ländern der Tropen und Subtropen hauptsächlich von tagaktiven Stechmücken verbreitet. Man unterscheidet vier Serotypen, die zu fieberhaften Erkrankungen mit Kopf- und Gliederschmerzen sowie gelegentlichem Hautausschlag führen. Die Erstinfektion verläuft meist unkompliziert. Sehr viel gefährlicher wird es bei einer Zweitinfektion mit einem anderen der vier Serotypen. Bei schweren Verlaufsformen kann es zu diffusen Blutungen (hämorrhagisches Denguefieber) und Kreislaufversagen (Dengue-Schocksyndrom) kommen. Bei der Pathogenese der schweren Verlaufsformen spielen wahrscheinlich immunverstärkende (bindende, aber nicht ausreichend neutralisierende) Antikörper – sogenannte enhancing antibodies – eine entscheidende Rolle.

In Deutschland haben die Dengue-Fälle in den vergangenen Jahren leicht zugenommen. Während im Jahr 2011 beim Robert Koch-Institut 288 Fälle gemeldet wurden, waren es 952 registrierte Erkrankungen im Jahr 2016, die höchste je berichtete Fallzahl. Dabei wurden alle Infektionen im Ausland erworben, rund die Hälfte entfällt auf Thailand- und Indonesienreisen. Seit Mai 2016 sind Nachweise von Dengue-Virus-Infektionen durch Labore meldepflichtig.

[Quelle: Robert Koch-Institut (RKI), Weltgesundheitsorganisation (WHO)]

Skepsis überwiegt

Nachdem die Ergebnisse dieser Auswertung Ende letzten Jahres bekannt wurden, war die Aufregung groß. Auch das Expertengremium SAGE (Strategic Advisory Group of Experts on Immunization) der WHO hat in seiner Sitzung im April 2018 die Impfempfehlungen geändert. Demnach wird eine Impfung in Endemiegebieten nur nach vorhergehender Testung auf Seropositivität empfohlen.

„Die anfängliche Euphorie ist einer Skepsis gewichen, und der Impfstoff kann bis auf Weiteres nur noch sehr beschränkt empfohlen werden“ sagt Prof. Kremsner, Direktor des Institutes für Tropenmedizin in Tübingen. „Man ist vorsichtig und benötigt jetzt erst einmal mehr Daten“. Dementsprechend sind auch Impfkampagnen in den asiatischen und lateinamerikanischen Endemieländern größtenteils eingestellt worden. Trotzdem sollte die Impfung nach Meinung des Experten nicht ad acta gelegt werden, denn bei Nachweis eines vorhergehenden Viruskontaktes besteht nach wie vor eine gute Chance, mit dem Impfstoff die weltweit hohe Morbidität einzudämmen.

Ein schneller spezifischer Test, der flächendeckend eingesetzt werden könnte, um auf vorhergehenden Kontakt mit dem Dengue-Virus zu testen, ist jedoch momentan noch nicht verfügbar. Auch ist hier das Problem der Kreuzreaktivität mit Zika- und anderen Flaviviren zu beachten.

Ein neues Positionspapier der WHO, das das Positionspapier vom Juli 2016 ersetzen soll, wird für September 2018 erwartet.

Fazit

Für Menschen in Endemieregionen wird der Nutzen der Impfung nach wie vor positiv bewertet. Für eine sichere Anwendung sind jedoch weitere Studien und neue Tests erforderlich. Nach bisherigen Erkenntnissen und Empfehlungen des Herstellers sollte eine Impfung zum derzeitigen Zeitpunkt erst nach Ausschluss einer Seronegativität erfolgen. |

Quelle

[1] Sridhar S et al. Effect of dengue serostatus on dengue vaccine safety and efficacy. N Engl J Med 2018; doi:10.1056/NEJMoa1800820

[2] Rosenbaum L. Trolleyology and the dengue vaccine dilemma. N Engl J Med 2018; doi:10.1056/NEJMp1804094

[3] World Health Organization (WHO). Updated questions and answers related to dengue vaccine Dengvaxia® and its use. 22 December 2017. www.who.int; Abruf am 21. Juni 2018

[4] World Health Organization (WHO). Revised SAGE recommendation on use of dengue vaccine. 19 April 2018; www.who.int; Abruf am 21. Juni 2018

[5] World Health Organization (WHO). Meeting of the Strategic Advisory Group of Experts on immunization, April 2018 – conclusions and recommendation. Weekly Epidemiological Record 2018;93(23):329–344

[6] Sanofi Pasteur. Pressemeldung vom 29. November 2017; www.sanofipasteur.com; Abruf am 21. Juni 2018

[7] Robert Koch-Institut. Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2016. Berlin, 2017; www.rki.de; Abruf am 21. Juni 2018

[8] Robert Koch-Institut. Dengue Fieber Virus (DENV). Stellungnahme des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit. Bundesgesundheitsbl 2011;54:892-904

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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