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- DAZ 25/2018
- Von Leitlinien empfohlen...
Arzneimittel und Therapie
Von Leitlinien empfohlen – ... oder doch nicht? Kontra
Diskussion um Stellenwert der Omega-3-Fettsäuren
„Wirksame Ernährung statt unwirksamer Supplemente“
Klinische Pharmakologie und Pharmakonutrition, praxisHochschule Köln
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Omega-3-Fettsäuren zur Prävention und sogar Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen gehört zu den ernährungsmedizinischen Endlosgeschichten. Dass der Mythos einer entsprechenden Wirksamkeit angesichts der aktuellen Studienlage immer noch fortgeschrieben wird, ist vermutlich allein wirtschaftlichen Interessen geschuldet.
Nicht-Empfehlung entspricht Leitlinien
Mitunter wird Kardiologen von interessierter Seite vorgeworfen, sie würden viel zu selten zur Anwendung von Omega-3-Supplementen raten und damit Leitlinienempfehlungen nicht nachkommen. Fakt ist jedoch, dass sich diese Marketing-resistenten Kardiologen mit ihrer Nicht-Empfehlung in Übereinstimmung mit den nationalen wie internationalen Leitlinien befinden. Diese Nicht-Empfehlung von Omega-3-Supplementen ist Stand der medizinischen Wissenschaft sowohl für die Hypertonie [1, 2] als auch für die Herzinsuffizienz [3]. Ebenfalls nicht empfohlen bzw. sogar explizit davon abgeraten wird die Anwendung von Omega-3-Supplementen bei der nicht alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) [4, 5], der Major Depression [6] oder der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) [7].
Auch in der Prävention nutzlos
Auch für die Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen besitzen Omega-3-Supplemente keinen Stellenwert. Entsprechend klar sind die Empfehlungen der European Society Cardiology (ESC) [8] und der American Heart Association (AHA) [9]: Fisch sollte ein bis zwei Mal pro Woche verzehrt werden (davon mindestens einmal fetter Seefisch), während die Einnahme von Fischöl-Supplementen nicht empfohlen wird („no benefit on cardiovascular outcomes“). Patienten mit Atherosklerose oder weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren, die eine leitliniengerechte Arzneimitteltherapie erhalten, haben durch die Supplementation mit Omega-3-Fettsäuren keinen Zusatznutzen.
Diese Nicht-Empfehlung wurde Anfang 2018 erneut bestätigt: Die Omega-3 Treatment Trialists’ Collaboration führte eine Metaanalyse über die zehn größten randomisiert kontrollierten Interventionsstudien zum fraglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Omega-3-Supplementen und dem kardiovaskulären Risiko durch [10]. Weder für die kardiovaskuläre Mortalität noch für nicht letale Herzinfarkte, Schlaganfälle oder die Gesamtmortalität konnte irgendein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Placebo- und Omega-3-Supplement-Gruppe festgestellt werden.
Offene Fragen bleiben
Zwar bleiben auch mit den neuesten Studien zahlreiche Fragen offen: Gibt es protektive Wirkungen von Omega-3-Supplementen in höheren als den bisher untersuchten Dosierungen? Könnten Patienten mit längerer Einnahmedauer (Jahrzehnte?) und mit geringem kardiovaskulärem Risiko profitieren? Welche Rolle spielt der Baseline-Status der Patienten hinsichtlich Omega-3-Fettsäuren? Auch die Aspekte der individuellen Bioverfügbarkeit und die Effekte gleichzeitig aufgenommener Speisen mit hohem Omega-6-Fettsäure-Gehalt bleibt in den bisherigen Studien unberücksichtigt. Diese offenen Fragen sollten jedoch nicht dazu missbraucht werden, um eine Wirksamkeit zu postulieren, die nur aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten bisheriger Studien (noch) nicht nachgewiesen werden konnte. Bis zum Nachweis einer Wirksamkeit müssen die ernüchternden Ergebnisse als wissenschaftlich fundierte Datengrundlage akzeptiert werden.
Omega-3-Fettsäure-Status als Indikator für Ernährungsform
Immer wieder werden Kohortenstudien aus dem Hut gezaubert, die zeigen, dass Menschen mit einer höheren Konzentration an Omega-3-Fettsäuren in den Erythrozyten eine geringere Mortalität aufweisen [11]. Dieser inverse Zusammenhang zwischen Omega-3-Fettsäure-Status und Sterblichkeit ist aus ernährungsmedizinischer Perspektive jedoch keineswegs überraschend – hat mit Supplementen allerdings nichts zu tun. Vielmehr ist der Omega-3-Fettsäure-Status ein Indikator für das langfristige Ernährungsverhalten der Probanden [12]. So ist eine hohe Omega-3-Fettsäure-Konzentration in den Erythrozyten Folge einer Omega-3-Fettsäure-reichen Dauerernährung, also mit hohen Anteilen an Seefisch, pflanzlichen Ölen und Nüssen und mit geringem Fleischanteil. Dass diese Dauerernährung tatsächlich zu einer niedrigeren kardiovaskulären und Gesamtmortalität führt, ist aber nicht (allein) auf die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren zurückzuführen. Der protektive Effekt ist multifaktoriell durch die verschiedenen Komponenten einer fischhaltigen, ansonsten aber überwiegend ovo-lakto-vegetarischen Dauerernährung bedingt. Die hohe Omega-3-Fettsäure-Konzentration in den Erythrozyten ist damit lediglich Indikator einer Ernährungsform, die insgesamt reich an sekundären Pflanzenstoffen, Mikronährstoffen und Ballaststoffen und die umgekehrt arm an (verarbeiteten) Fleischprodukten ist. Nach dem aktuellen Stand des Wissens ist es diese Gesamtkonstellation, die zu einer Mortalitätsreduktion führt.
Zum Glück gibt es aber eine wirksame Intervention, die die Sterblichkeit auch in prospektiven Interventionsstudien signifikant senken konnte: die mediterrane Ernährung [13, 14]. Daher sollte der Fokus in der Patientenberatung eindeutig auf einer wirksamen Ernährungsoptimierung liegen und nicht auf unwirksamen Supplementen. |
Literatur
[1] Whelton et al. 2017 High Blood Pressure Clinical Practice Guideline. JACC 2018;71(19): e127-e248
[2] The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension (ESH) and of the European Society of Cardiology (ESC). 2013 ESH/ESC Pocket Guidelines for the management of arterial hypertension
[3] The Task Force for the Diagnosis and Treatment Acute and Chronic Heart Failure 2016 of the European Society of Cardiology. 2016 Guidelines for the Diagnosis and Treatment of Acute and Chronic Heart Failure. European Heart Journal 2016;37(27): 2129–2200
[4] Chalasani et al. The Diagnosis and Management of Nonalcoholic Fatty Liver Disease: Practice Guidance From the American Association for the Study of Liver Diseases. Hepatology 2018;67(1):328-357
[5] Roeb et al. Nicht- alkoholische Fettlebererkrankungen. S2k-Leitlinie 2015. AWMF Register Nr. 021-025
[6] DGPPN, BÄK, KBV, AWMF (Hrsg.) für die Leitliniengruppe Unipolare Depression*. S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage. Version 5. 2015
[7] National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Attention deficit hyperactivity disorder: diagnosis and management. NICE Guideline 2018
[8] Piepoli et al. 2016 European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice: The Sixth Joint Task Force of the European Society of Cardiology and Other Societies on Cardiovascular Disease Prevention in Clinical Practice (constituted by representatives of 10 societies and by invited experts). Developed with the special contribution of the European Association for Cardiovascular Prevention & Rehabilitation (EACPR). Eur Heart J 2016;37(29):2315–2381
[9] Van Horn et al. Recommended Dietary Pattern to Achieve Adherence to the American Heart Association/American College of Cardiology (AHA/ACC) Guidelines: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation 2016;134(22):e505–e529
[10] Aung et al. Associations of Omega-3 Fatty Acid Supplement Use With Cardiovascular Disease Risks: Meta-analysis of 10 Trials Involving 77 917 Individuals. JAMA Cardiol 2018; 3(3):225–234
[11] Kleber et al. Omega-3 fatty acids and mortality in patients referred for coronary angiography. The Ludwigshafen Risk and Cardiovascular Health Study. Atherosclerosis 2016; 252:175–181
[12] Smollich. Omega-3-Fettsäuren und kardiovaskuläres Risiko. Internistische Praxis 2018;59:1-5
[13] Sofi et al. Accruing evidence on benefits of adherence to the Mediterranean diet on health: an updated systematic review and meta-analysis. Am J Clin Nutr 2010;92(5): 1189–1196
[14] Estruch et al. Primary prevention of cardiovascular disease with a Mediterranean diet. N Engl J Med 2013;368(14):1279–1290
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