- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 25/2018
- Dobbert: „Wir müssen ...
Aus den Ländern
Dobbert: „Wir müssen jetzt handeln“
Kammerversammlung in Brandenburg: Fachkräftemangel, Kassen-Kritik und Digitalisierung
Dobbert ging zunächst auf die Arbeit der Kammer auf Landesebene ein, bei der einmal mehr die Fachkräftesicherung ganz oben auf der Agenda stand. Nach vielen Gesprächen ist Dobbert überzeugt: Das Land Brandenburg und die Ministerien haben verstanden, dass es bald große Probleme in der flächendeckenden Arzneimittelversorgung geben wird, wenn man jetzt nicht gegensteuere. Schon derzeit sei es kaum möglich, für Apotheker in Brandenburg Fachkräfte zu gewinnen – und wenn es sie gebe, verlangten sie weit übertarifliche Bezahlung. Ein Ergebnis der Gespräche sei, dass die Kammer nun in das Bündnis Fachkräftesicherung des Landes Brandenburg aufgenommen wurde – Ende Juni stehe die erste Bündnissitzung mit Beteiligung der Apotheker an. Zudem hätten sowohl der Ministerpräsident als auch die Landessozialministerin signalisiert, sie seien gewillt zu prüfen, ob ein Studiengang Pharmazie in Brandenburg etabliert und ein Standort für eine zweite PTA-Schule gefunden werden kann.
Als die größte Herausforderung der Kammer für das laufende Jahr nannte Dobbert die Vorbereitung für die Ausgabe der Heilberufsausweise. Hier hänge es noch an den organisatorischen Rahmenbedingungen im Bund – doch er sei optimistisch, dass die Aufgabe zu meistern sei.
Am Bahnhof aufs Schiff warten
Weniger zufrieden ist Dobbert mit der Arbeit der apothekerlichen Standesorganisation auf Bundesebene. Er habe lange nach einem Bild für die Situation gesucht – und sie letztlich in folgendem Satz gefunden: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten“. An eben diesem Bahnhof sieht Dobbert die ABDA stehen. Er räumte ein: „Die gewählten Kollegen haben es auch nicht einfach“ – lange sei nach der Bundestagswahl nicht klar gewesen, wer die Ansprechpartner sind. Dann kam mit Jens Spahn ein alter Bekannter ins Bundesgesundheitsministerium. Doch welches Ergebnis das Treffen der ABDA-Führung mit dem Minister brachte und was genau Spahn will, wisse man bis heute nicht. Vielmehr habe er den Eindruck, die ABDA-Führung sei seit diesem Termin „gemeinschaftlich abgetaucht“. Dobbert: „Man könnte glauben, sie existiert nicht mehr“.
Unterstützung für Rx-Versandverbots-Petition
Mehr Bewegung kann Dobbert dagegen an der Basis ausmachen: Ausdrücklich unterstützt die Kammer Brandenburg die Petition des Apothekers Christian Redmann für ein Versandhandelsverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Der Präsident forderte alle Delegierten und Gäste der Kammerversammlung auf, die Petition gleich vor Ort mitzuzeichnen und auch alle Mitarbeiter, Familie und Freunde dazu zu motivieren. Völlig unverständig zeigte sich Dobbert, dass ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zu diesem Thema lediglich über einen Sprecher verlauten ließ, Petitionen seien „nicht das Mittel der politischen Arbeit eines Verbandes“.
Auch die Reaktion des Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbands, Fritz Becker, auf die jüngsten Ideen des GKV-Spitzenverbands zum Apothekenmarkt ist Dobbert nicht genug. Vielleicht sollte man selbst eine Arbeitsgruppe bilden, die sich überlegt, wie die Strukturen der 109 gesetzlichen Krankenkassen verändert werden könnten, fragt der Kammerpräsident. Mehr Digitalisierung in der Krankenkassenverwaltung könne viel Geld sparen, das anderer Stelle sinnvoll investiert werden könnte.
Auch beim Thema Digitalisierung und Telematik verschläft die ABDA aus Dobberts Sicht die Entwicklungen. Er verwies darauf, dass die Ärzteschaft bis Ende dieses Jahres zu 90 Prozent an die Telematikinfrastruktur angeschlossen und mit Konnektoren, Heilberufsausweisen und SMC-B ausgestattet sein soll. Die Apotheker bräuchten dafür sicher noch ein bis anderthalb Jahre. Doch was passiere, wenn die Ärzte im kommenden Jahr beginnen, das E-Rezept einzusetzen? Wer versorge dann? Sollen die Rezepte dann etwa direkt an holländische Versandapotheken gehen? Dobbert erinnerte daran, dass bereits 2015 auf dem Deutschen Apothekertag der Aufbau eines sicheren Netzes für die Apotheken beschlossen worden sei – 2017 habe man dies nochmals bekräftigt. Doch ob wirklich jemand daran arbeite, wisse er nicht. Die ABDA werde jedenfalls vergeblich auf ihrem Bahnhof auf ein Schiff warten – eher werde ein ICE mit der Aufschrift „Digitalisierung“ mit enormer Schnelligkeit vorbeifahren. „Und wenn das Lindencorso aufwacht, ist es womöglich zu spät“, so Dobbert.
Thesen zur Digitalisierung
Der Gastvortrag schloss sich thematisch fließend an Dobberts Bericht an. Peter Froese, Mitglied der ABDA-AG für Digitalisierung, ist derzeit in den Ländern unterwegs, um über Digitalisierung zu sprechen. Er stellte eine Reihe – nicht immer leicht verdauliche – Thesen zur Digitalisierung auf. Zum Beispiel: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Apotheken werden da nicht ausgenommen, betonte Froese. Entrepreneure und Start-ups schauten sich jeden Bereich der Gesellschaft und unseres Handelns an und überlegten: Kann ich das nicht auch, vielleicht sogar besser? Heilberufliches Ethos sei dabei nicht die Triebkraft, sondern Investorenkapital und innovationsfreudige Menschen jeder Art. Weitere Thesen, die Apotheken akzeptieren müssen, sind: „Bequemlichkeit schlägt alles“ und „Digitalisierung geht nicht weg“. Dabei sollten sie sich gewahr sein: Der heutige Tag ist der Tag in unserem Leben mit dem geringsten Digitalisierungsstand – es geht also immer weiter voran.
Radikale Entbürokratisierung
Apotheker müssten sich auch damit abfinden, dass zahlreiche ihrer Arbeitsprozesse digitalisierbar sind. Übrig bleibe für sie die empathische Kommunikation, alles was direkt mit dem Menschen zu tun hat. Abwehren sollten sie die Digitalisierung nicht, sondern sie sogar forcieren – zumal, wenn sie schon bis Ende dieses Jahres in die Arztpraxen einziehen wird. Schließlich biete sie auch Chancen: Es könnte eine radikale Entbürokratisierung des Arzneimittelversorgungsprozesses stattfinden und damit Raum für die persönliche Kommunikation und die Stärkung des Heilberufs Apotheker geschaffen werden. Auch heilberufliche Netzwerke würden vorangetrieben.
Auch die Risiken verschwieg Froese nicht. Drohen könnte etwa eine komplette Disruption, sodass digitale Geschäftsmodelle die Herrschaft übernehmen. Man könnte digital überrollt werden und eigene Gestaltungsmöglichkeiten verlieren. Dennoch sei es jetzt richtig und wichtig, auf die Telematik zu setzen. Das steht ganz deutlich auf Froeses To-Do-Liste. Zudem müsse das sichere Netz der Apotheker fertig gebaut und Visionen formuliert werden. Die Konnektoren müssten schnell in die Apotheken kommen, ebenso die Heilberufsausweise. Securpharm, das Fälschungsschutzsystem, das ab 9. Februar 2019 europaweit zum Einsatz kommen soll, könne als digitaler Start begriffen werden.
DAT-Antrag zur Digitalisierung
Passend zum Thema beschloss die Kammerversammlung einen Antrag für den nächsten Deutschen Apothekertag. Darin geht es darum, gemeinsam mit anderen Heilberufen Rahmenbedingungen für Anwendungen zu gestalten, die auf die Telematikinfrastruktur aufsetzen. Eine gemeinsame Plattform soll sicherstellen, dass Schlüsseltechnologien als Werkzeuge in der Hand der Heilberufe zum Wohle der Patienten eingesetzt werden, heißt es im Antrag. Nachdem die Kammer in den vergangenen Jahren keine DAT-Anträge gestellt hat, werden es dieses Jahr wieder mehrere werden. |
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.