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Beratung

Das große Stechen

Besondere Gefahren bei Insektengiftallergien

Mit den Sommermonaten steigt auch wieder die Zahl der Insektenstiche. Der Großteil der Bevölkerung empfindet diese als unangenehm und möchte eine schnelle Linderung des Juckreizes und der Schmerzen. Für Patienten mit einer Insektenstichallergie (meist gegen Bienen oder Wespen) kann der Stich jedoch lebensbedrohlich werden. | Von Lara Szabó

In Deutschland sind ungefähr 2,8% der Bevölkerung von einer Insektengiftallergie betroffen [1]. Jedes Jahr sterben immer noch Menschen nach einem Insektenstich an den Folgen ihrer allergischen Reaktion [2]. Deswegen ist es essenziell, dass Betroffene immer ein Notfallkit bei sich haben, um im Ernstfall schnell agieren zu können. Den besten Schutz bietet langfristig eine Hyposensibilisierung, eine spezifische Immuntherapie (SIT), mit der die Toleranz des Körpers gegenüber den Allergenen gesteigert wird.

Die in Deutschland am weitesten verbreiteten Insekten, die für Stiche verantwortlich sind, sind Wespen, Bienen, Hummeln, Hornissen, Mücken und Bremsen. Die Gefahr, gestochen zu werden, hängt sowohl von dem Verhalten als auch der Nahrung der Insekten ab. Da beispielsweise Wespen von zuckerhaltigen Lebensmitteln und Fleischprodukten angelockt werden, suchen sie viel mehr die Nähe von Menschen als die Biene, die sich von Nektar und Pollen der Blüten ernährt (Tab. 1).

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Was passiert bei einem Insektenstich?

Das Insektengift oder der Speichel von Mücken und Bremsen stellen eine Noxe für den Körper dar, auf den er mit einer lokalen Entzündung reagiert, um das schädigende Agens auszuschalten oder zu limitieren. Die sich lokal entwickelnden Kardinalsymptome einer Entzündung Rötung (Rubor), Schwellung (Tumor), Temperaturanstieg (Calor), Schmerz (Dolor) und gestörte Funktion (Functio laesa) treten meist relativ zügig nach einem Insektenstich auf. Die Quaddelbildung in der Haut ist auf eine exsudative seröse Entzündung zurückzuführen aufgrund des Austretens von eiweißreicher Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das Gewebe. In der Regel heilen rein seröse Entzündungen nach kurzer Zeit ohne Schaden von selbst wieder ab. Durch vermehrte Kollagen-Ablagerung kann es bei länger bestehenden Ödemen jedoch zu einer Gewebeverhärtung (Sklerose) kommen [3].

Ein wichtiger Mediator bei der Entzündungsreaktion ist das Histamin. Das biogene Amin ist meist bereits in den Insektengiften enthalten (Tab. 2) und gelangt durch den Stich in die Haut. Des Weiteren wird durch die Verletzung und das Mastzellen-degranulierende Peptid vermehrt Histamin aus seinen Speicherformen (Mastzellen, basophile Granulozyten) freigesetzt. Vorwiegend durch die Stimulation von H1-Rezeptoren kommt es durch eine Vasodilatation zu einer schmerzhaften Rötung und bedingt durch die gesteigerte Kapillarpermeabilität zu juckenden Quaddeln.

Tab. 2: Zusammensetzung der Insektengifte [4]
biogene Amine
Polypeptide
Enzyme
Biene
Histamin
Mastzellen-degranulierendes Peptid (MCP-Peptid), Melittin (membranschädigend), Apamin (neurotoxisch durch Blockade eines Calcium-abhängigen Kaliumkanals)
Hyaluronidase (Spaltung von Bindegewebssubstanzen), Phospholipase A (Abbau von Membran­phospho­lipiden)
Wespe
Histamin, Serotonin
Peptide mit ­kininartiger Wirkung
Hyaluronidase, Phospholipase A, Phospholi­pase B
Hornisse
Histamin, Serotonin, Acetylcholin
Peptide mit ­kininartiger Wirkung
Hyaluronidase, Phospholipase A, Phospho-­lipase B

Maßnahmen nach einem Insektenstich

Nach einem Insektenstich sollte man als Erstes den Stachel vorsichtig entfernen, wenn man ihn sieht, um die Giftzufuhr zu stoppen [2]. Der Stich kann eine Eintrittspforte für Bakterien bieten, weshalb eine Desinfektion mit einem Hautdesinfektionsmittel ohne Alkohol sinnvoll sein kann. Ein Aussaugen des Insektenstiches sollte unterbleiben, damit durch den Speichel nicht zusätzlich Bakterien in die verletzte Haut gelangen. Direktes Kühlen kann die lokale Hautreaktion abschwächen und Linderung gegen den Juckreiz und die Überwärmung der Haut geben. Um Kälteschäden zu verhindern, das Kühlelement nicht direkt auf die Haut legen, sondern in ein Tuch oder einen Verband wickeln und zwischendurch kurze Unterbrechungen machen.

Hilfe nach einem Insektenstich

Bei unkomplizierten Stichen setzt man eine lokal antipruriginöse und kühlende Therapie ein. Dabei können feuchte und desinfizierende Umschläge eingesetzt werden, beispielsweise mit einer Essigsäure-Tonerde-Lösung, die zusätzlich leicht adstringierend wirkt. Des Weiteren werden Gele oder Cremes mit Antihistaminika wie Dimetinden (z. B. Fenistil® Gel) und Bamipin (z. B. Soventol® Gel) gegen den Juckreiz eingesetzt. Präparate, die zusätzlich 0,25% (bis zu 50 g) oder 0,5% (bis zu 30 g) Hydrocortison in der Selbstmedikation enthalten, wirken verstärkt gegen die Entzündung (z. B. Fenihydrocort®, Soventol® Hydrocortisonacetat) [5, 6]. Sie sind kontraindiziert bei Kindern unter sechs Jahren, bei der Anwendung im Augenbereich und auf offenen Wunden. Ohne ärztliche Rücksprache sollte das topische Cortison in 0,25%iger Dosierung nicht länger als vier Wochen, die 0,5%ige Formulierung nicht länger als zwei Wochen angewendet werden. Lokalanästhetika wie Polidocanol (z. B. Anaesthesulf® Lotion) oder Lidocain z. B. (Xylocain® Gel) vermindern den Schmerz und Juckreiz durch Blockade spannungsabhängiger Natrium-Kanäle, wodurch das Leitungsvermögen der sensiblen Nervenfasern und damit das Schmerzempfinden örtlich begrenzt aufgehoben werden. Da eine Sensibilisierung möglich ist, sollten diese dermalen Zubereitungen nicht großflächig aufgetragen werden. Bei schweren allergischen Reaktionen können die H1-Antihist­aminika (meist Cetirizin und Loratadin) auch systemisch eingesetzt werden. Dabei ist auf die Wechselwirkung mit zentral dämpfenden Wirkstoffen und Alkohol zu achten [5].

Schutz vor Insektenstichen

Mit leicht umzusetzenden Maßnahmen lässt sich das Risiko eines Insektenstiches deutlich reduzieren.

  • Ruhe bewahren, denn hektische Bewegungen erhöhen z. B. bei Wespen das aggressive Verhalten und somit die Stechgefahr
  • geschlossene Schuhe tragen, denn viele Insekten, besonders Bienen, halten sich in Bodennähe auf und stechen, wenn man auf sie drauftritt
  • helle und enge Kleidung tragen, denn bunte Farben erinnern an Blüten und ziehen Insekten an, in weiter Kleidung können sich Insekten verfangen
  • auf Parfüm verzichten, denn der intensive süße Duft kann Insekten anziehen
  • Getränke abdecken und mit Strohhalm trinken, denn so kann die Gefahr minimiert werden, Insekten zu verschlucken, am besten auf zuckerhaltige Getränke verzichten
  • Abstand zu Mülleimern halten bzw. offene Mülltonnen meiden, denn für Wespen enthalten Mülleimer viele Nahrungsquellen
  • reifes Obst im Garten abernten bzw. heruntergefallenes Obst einsammeln, denn das lockt durch den hohen Zuckergehalt Insekten an
  • Insektenschutzgitter an Fenster anbringen, denn das schützt das Schlafzimmer trotz offener Fenster vor Insekten
  • Repellenzien verwenden (z. B. Icaridin [z. B. Autan® Family Care] oder Diethyltoluamid (DEET) [Antibrumm® forte]), denn sie maskieren den Körpergeruch oder senden unangenehme Geruchreize an die Insekten aus

Elektrische Stichheiler

Als Alternative zu chemischen Mitteln nach einem Insektenstich gibt es Medizinprodukte, die entweder über konzen­trierte Wärme (meist um 50 Grad) oder elektrische Impulse die Entzündungskaskade unterbrechen sollen. Das postulierte Wirkprinzip ist dabei die Denaturierung der im Insektengift auftretenden Proteine und damit eine Unterdrückung der nachgeschalteten Histaminausschüttung und Entzündungsreaktion. Die Anwendung sollte frühestmöglich nach einem Stich erfolgen, um den bestmöglichen Effekt zu erreichen. Dafür wird der Stichheiler mit der Keramikplatte auf den Stich gedrückt und über einen Knopf die elektrischen Signale (Wärme oder Impulse) ausgelöst [7]. In einer Open-Label-Studie aus dem Jahre 2011 wendeten 146 Freiwillige den bite-away® an und berichteten eine Abnahme des Juckreizes, der Schwellung und der Schmerzen [8]. Um in Zukunft aussagekräftig zu den elektrischen Stichhelfern beraten zu können, ist die Durchführung von randomisiert kontrollierten Studien erforderlich.

Notwendigkeit eines Arztbesuches

Sobald die Symptome über eine lokale Hautreaktion hinausgehen und mit Luftnot, Kreislaufschwäche, starkem Hautausschlag oder Übelkeit verbunden sind, sollte umgehend der Notarzt gerufen werden, da die Gefahr eines anaphylaktischen Schockes besteht. Ist die Schwellung übermäßig groß (über 10 cm) und besteht länger als 24 Stunden, kann dies ebenfalls ein Hinweis auf eine Allergie sein, und ein Arztbesuch ist anzuraten [2]. Der Stich bietet eine Eintrittspforte für Bakterien (meist Staphylokokken und Streptokokken), die eine Infektion auslösen können. Ebenso kann teilweise das Insekt ein Überträger von Bakterien sein, die eine antibiotische Therapie erforderlich machen können.

Die Diagnose Insektengiftallergie

Der Prick-Test ist ein Hauttest, bei dem stark verdünnte Insektengift-Lösung auf die Haut getropft und mit einer Nadel in die obere Hautschicht gestochen wird. Die Hautreaktionen (Juckreiz, Quaddeln) geben dabei Auskunft über eine mögliche Allergie. Fällt der Prick-Test negativ aus, wird normalerweise noch ein Intrakutantest durchgeführt. Hierbei wird die verdünnte Insektengift-Lösung in die mittlere Hautschicht appliziert. Beim Bluttest wird die Probe auf allergiespezifische Antikörper untersucht. Oft zeigen sich im Allergietest, aufgrund der teilweise identischen Allergene der Giftstoffe, Reaktionen auf Bienen- und Wespengift. Dann muss im Einzelnen untersucht werden, mit welchem Insektengift eine Therapie erforderlich ist. Kreuzreaktionen treten ebenso zwischen Bienengift und Hummelgift sowie zwischen Hornissengift und Wespengift auf. Die Diagnose der Insektengiftallergie ist die Bedingung für eine erfolgreiche spezifische Immuntherapie [2].

Die anaphylaktische Reaktion

Eine Insektengiftallergie gehört zu den IgE-vermittelten Soforttyp-Reaktionen (Typ-1-Allergie) [4]. Bei einem Zweitkontakt mit dem Antigen (Insektengift) kommt es durch die Überbrückung von zwei IgE-Antikörpern auf der Oberfläche von Mastzellen und basophilen Granulozyten zu einer schnellen Freisetzung von Mediatoren wie Histamin, Serotonin und Bradykinin. Zudem führt die Stimulation der Arachidon­säure-Kaskade zur Bildung von Leukotrienen und Prosta­glandinen. Die hochaktiven Mediatoren führen zu generalisierten Funktionsstörungen (Anaphylaxie). Durch eine periphere Vasodilatation und eine Steigerung der Permeabilität der Wände von Kapillaren und Venolen wird der venöse Rückfluss vermindert. Der totale periphere Widerstand nimmt extrem ab. Die dadurch resultierende Fehlverteilung des Blutes zulasten der zentralen lebenswichtigen Organe ist ausschlaggebend für den anaphylaktischen Schockverlauf [3]. Neben dem massiven Blutdruckabfall sind Spasmen der Bronchialmuskulatur und ein Epiglottisödem möglich, die durch die Erstickungsgefahr tödlich verlaufen können [4].

Die Symptome können sehr unterschiedlich verlaufen und reichen von ausschließlich auf die Haut begrenzten Reaktionen (Juckreiz: typisch an Fußsohlen und Handflächen, Flush, generalisierte Urtikaria, Angioödem) über mäßige kardiovaskuläre, respiratorische und gastrointestinale Beschwerden bis hin zu starken Atemwegsobstruktionen und Herz-Kreislauf-Stillstand (anaphylaktischer Schock). Der Beginn einer anaphylaktischen Reaktion mit Hautsymptomen ist typisch, jedoch nicht obligat. Gerade bei schweren Verläufen erinnert sich der Patient oft nur noch daran, das Bewusstsein verloren zu haben.

Die Klassifizierung der anaphylaktischen Reaktion erfolgt mittels Schweregradskala. Das schwerste auftretende Symptom ist für die Einteilung ausschlaggebend (Tab. 3).

Tab. 3: Schweregradskala der anaphylaktischen Reaktion nach Ring und Meßmer [9]
Grad
Haut
Abdomen
Respirationstrakt
Herz-Kreislauf-System
I
Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
II
Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
Nausea, Krämpfe
Rhinorrhoe, Heiserkeit, Dyspnoe
Tachykardie (Anstieg ≥ 20/Minute), Hypotonie (Abfall ≥ 20 mmHg systolisch), Arrhythmie
III
Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
Erbrechen, Defäkation
Larynxödem, Bronchospasmus, Zyanose
Schock
IV
Juckreiz, Flush, Urtikaria, Angioödem
Erbrechen, Defäkation
Atemstillstand
Kreislaufstillstand

Bei schwerer Reaktion gleich den Adrenalin-Autoinjektor anwenden

Die Therapie der anaphylaktischen Reaktion beginnt gemäß des Anaphylaxie-Notfallplanes unter Anwendung des Notfallsets vom Patienten selbst oder Angehörigen direkt nach dem Insektenstich. Bei einer beginnenden Reaktion, die sich mit Symptomen wie Juckreiz an Handflächen und Fußsohlen, Übelkeit, Kratzen im Hals ankündigt, als Erstes den Notarzt (112) rufen und das Stichwort „Anaphylaxie“ nennen. Als Zweites dann das Antihistaminikum und Cortison aus dem Set verabreichen und als Drittes den Adrenalin-Autoinjektor bereithalten, falls sich die Symptomatik verschlechtert.

Anwendung des Adrenalin-Autoinjektors

  • den Pen mit der führenden Hand greifen (Rechtshänder rechts, Linkshänder links)
  • Schutzkappe mit der anderen Hand entfernen (wichtig: bei Fastjekt®, Jext® und Epipen® liegt die Sicherheitskappe am entgegengesetzten Ende der Applikationsstelle, bei Emerade® bedeckt die Kappe die Injektionsnadel)
  • Nadelende fest im rechten Winkel auf die Oberschenkel-Außenseite drücken (am besten direkt auf die Haut, Anwendung durch Kleidung ebenfalls möglich; Injektion soll i. m. und nicht s. c. erfolgen). Ein Klicken zeigt an, dass die Injektion erfolgreich war.
  • nach zehn Sekunden (Fastjekt®, Jext® und Epipen®) bzw. fünf Sekunden (Emerade®) Injektor entfernen
  • um die Adrenalin-Resorption zu verbessern, die Injektionsstelle für zehn Sekunden massieren

Als Erste Hilfe bei einer schweren Reaktion, die mit Symptomen wie Atemnot, Bewusstlosigkeit und Heiserkeit beginnt, sollte sofort als Erstes mit dem Autoinjektor in den seitlichen Oberschenkel Adrenalin injiziert werden. Dann erst den Notarzt (112) benachrichtigen und das Stichwort „Anaphylaxie“ nennen. Je nach Symptomatik wird der Patient unterschiedlich gelagert:

  • bei Atemnot → hinsetzen,
  • bei Kreislaufbeschwerden → hinlegen,
  • bei Bewusstlosigkeit → stabile Seitenlage.

Als nächster Schritt bei einer schweren Reaktion werden das Antihistaminikum und Cortison verabreicht. Wenn keine Verbesserung zehn bis 15 Minuten nach der ersten Injektion eintritt, einen zweiten Adrenalin-Pen applizieren [10].

Das Notfallset

Das Notfallset Anaphylaxie sollte von Allergikern im Sommer immer mitgeführt und im Akutfall sofort angewendet werden. Es wird vom Facharzt verordnet und sollte bei einer bestehenden Insektenstichallergie nach einem Stich immer angewendet werden, auch wenn die erste allergische Reaktion als leicht empfunden wird.

Das Kit beinhaltet normalerweise drei Arzneimittel. Ein schnell wirksames Antihistaminikum zur Abschwellung und Abschwächung der allergischen Reaktion. Dies liegt meist als Tropfen oder Schmelztabletten vor, damit kein Wasser für die Anwendung nötig ist.

Des Weiteren ein meist flüssiges Cortison-Präparat, welches ebenfalls abschwellend wirkt und die allergischen Reaktionen schnell abklingen lässt. Zusätzlich enthält das Erste-Hilfe-Set einen Adrenalin-Pen, der sehr schnell für eine Blutdruck- und Kreislaufstabilisierung sorgt. Er ist besonders wichtig, da das Antihistaminikum und das Cortison nicht sofort wirken. Die Handhabung des Adrenalin-Auto­injektors ist für Laien konzipiert und kann (und sollte) mittels eines Demo-Pens geübt werden. Im Notfall kann es sehr sinnvoll und lebenswichtig sein, dass Angehörige ebenfalls die Anwendung der Notfallmedikation kennen. Eine schriftliche Anleitung zur Anwendung der Bestandteile in Form eines Anaphylaxie-Notfallplans und/oder ein Anaphylaxie-Pass liegen dem Set bei [2]. Für Asthmatiker gibt es spezielle Notfallsets, in denen zusätzlich ein rasch wirkendes inhalatives Beta-2-Sympathomimetikum (SABA) enthalten ist. Spezielle Kits für Kinder beinhalten die Medikamente in einer geringeren Dosis [2].

Die Arten der Hyposensibilisierung

Mit einem Therapieerfolg von etwa 95% ist die Hyposensibilisierung die effektivste Maßnahme, um die Reaktion des Körpers auf den Giftstoff zu minimieren. Eine Therapie wird von der WHO ausdrücklich empfohlen [2].

Die Immuntherapie teilt sich in zwei Stufen:

  • die Aufdosierungsphase, bei der das Insektengift in steigenden Dosen unter die Haut injiziert wird, und
  • die Erhaltungsphase mit gleichbleibender Dosis über den gesamten Therapiezeitraum.

Die Aufdosierungsphase kann stationär oder ambulant durchgeführt werden. Da die Patienten meist mit sehr starker Symptomatik auf das verdünnte Insektengift reagieren, ist der Klinikaufenthalt die Methode der ersten Wahl [9].

Bei dem stationären Aufenthalt erfolgt eine Schnell-­Hyposensibilisierung, um den Patienten so zügig wie möglich zu schützen. Hierbei wird die Erhaltungsdosis, die der Giftmenge mehrerer Wespen- oder eines Bienenstichs entspricht, innerhalb weniger Tage erreicht und bietet bereits einen gewissen Schutz.

Die ambulante Aufdosierung wird wesentlich langsamer mit einer Injektion pro Woche durchgeführt, wodurch die Erhaltungsdosis und der Aufbau des Schutzes erst nach ungefähr vier Monaten erreicht werden.

Für Kinder ist die spezifische Immuntherapie ab fünf Jahren geeignet, in Einzelfällen wird sie jedoch bereits früher angesetzt.

Eine lebenslange Therapie mittels Hyposensibilisierung erhalten betroffene Mastozytose-Patienten, die aufgrund einer erhöhten Anzahl von Mastzellen besonders stark ausgeprägte Reaktionen auf das Allergen zeigen [2].

Nachsorge bei Insektengift-Allergikern

Für das Vorgehen nach einer diagnostizierten Insektengiftallergie gibt es detaillierte Leitlinienempfehlungen [9]. Dass diese in der Praxis nicht in einem ausreichenden Maß umgesetzt werden, zeigt eine aktuelle Studie von deutschen Allergologen und Notfallmedizinern [10]. Mittels standardisierter Fragebögen wurden Patienten, die wegen des Verdachts auf Hymenopterengift-Anaphylaxie (HVA) notfallmedizinisch behandelt wurden, zu den anschließenden Maßnahmen befragt. Dabei zeigte sich, dass nur 60% der Befragten direkt im Anschluss ein Rezept für ein Notfallset ausgestellt wurde, fast 70% keinen Allergieausweis erhielten und lediglich 46% einen Allergologen aufsuchten. Nur 50% unterzogen sich einer spezifischen Immuntherapie, und knapp die Hälfte (43%) gab an, ihr Notfallset nie oder nur selten mit sich zu führen.

Bei der Nachsorge ist es aber essenziell, die Patienten über die lebensrettenden Maßnahmen (Notfallset und SIT) aufzuklären und zu motivieren, sie umzusetzen. Dass dies zurzeit noch nicht flächendeckend passiert, konnte in der Studie sehr deutlich gezeigt werden. |

Literatur

[1] Langen U, Schmitz R, Steppuhn H. Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin. Häufigkeit allergischer Erkrankungen in Deutschland. Bundesgesundheitsbl 2013;56:698–706

[2] Initiative Insektengiftallergie, Informationen der Alk-Abelló Arzneimittel GmbH, www.insektengiftallergie.de, abgerufen am 23. Mai 2018

[3] Mutschler E, Schaible HG, Vaupel P. Anatomie Physiologie Pathophysiologie des Menschen. 6. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart

[4] Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer HK et al. Arzneimittelwirkungen. 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart 2013

[5] Lennecke K, Hagel K. Selbstmedikation – Leitlinien zur pharmazeutischen Beratung. 6. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2016

[6] Voten des Sachverständigen-Ausschusses für Verschreibungspflicht nach § 53 AMG 57. Sitzung, 19. Juni 2006 zu Positionen, deren Änderung zugestimmt wurde. BfArM, www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungs­pflicht/57Sitzung/anlage1.pdf?__blob=publicationFile&v=3

[7] Produktinformation bite-away® der Riemser Arzneimittel GmbH, www.produktinfo.conrad.com/datenblaetter/1300000-1399999/001383403-in-01-de-RIEMSER_STICHHEILER_BITE_AWAY.pdf, abgerufen am 3. Juni 2018

[8] Müller C et al. The use of concentrated heat after insect bites/stings as an alternative to reduce swelling, pain, and pruritus: an open cohort-study at German beaches and bathing-lakes. Clin Cosmet Investig Dermatol 2011;4:191-196

[9] Diagnose und Therapie der Bienen- und Wespengiftallergie. S2k-Leitlinie-Langfassung. Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie, AWMF-Registernummer: 061/020, Stand März 2011, in Überarbeitung

[10] Manmohan M, Müller S, Rauber MM et al. Current state of follow-up care for patients with Hymenoptera venom anaphylaxis in southwest Germany. Allergo J Int 2018;27:4-14

Autorin

Lara Szabó, Pharmaziestudium an der WWU Münster, Pharmazeutin im Praktikum in der Löwen-Apotheke in Münster, Apo-AMTS-­Managerin

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