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Peter S.: „Wie ein Schlaganfallpatient“
Freunde und ehemalige Kollegen beschreiben die Psyche des Zyto-Apothekers
Im Verfahren um mögliche Unterdosierungen von Zytostatika und dem damit zusammenhängenden Betrug in Millionenhöhe hatte die Verteidigung des Bottroper Zyto-Apothekers Peter S. vor Gericht vorgebracht, der angeklagte Pharmazeut leide womöglich an einem „hirnorganischen Psychosyndrom“. Daraufhin hatte das Landgericht Essen einen Psychiater als Gutachter bestellt. Am vergangenen Freitag lud das Gericht auch mehrere frühere Kollegen von S., damit diese dem Gutachter Auskünfte über den Apotheker geben können. So die 54-jährige Apothekerin und ehemalige Studienkollegin Christa S.
„Hat sich als Mensch verändert“
Während des Studiums in Düsseldorf sei sie mit ihm in einer „festen Clique“ gewesen. „Wir haben zusammen gelernt, haben zusammen im Labor gearbeitet“, sagte sie. Peter S. habe sie als „total lieben jungen Kerl“ kennengelernt. „Ich kann nichts Negatives sagen, nur positiv über ihn sprechen“, erklärte die Apothekerin. Im Jahr 2007 wechselte sie in seine Apotheke.
Dort hat sie ihn dann wohl aber als einen anderen Menschen kennengelernt: Peter S. sei schneller gereizt gewesen. „Der Alltag war geprägt von mehr als hektischer Betriebsamkeit, ich würde sogar sagen von einem gehetzten Wesen“, erklärt sie. Der Apotheker habe aus ihrer Sicht „völlig unnachvollziehbare Entscheidungen“ getroffen: Sowohl im Beruflichen bei der Eröffnung einer Filialapotheke in Düsseldorf, wie auch im Privaten. So habe Peter S. eine Frau kennengelernt und sie innerhalb kürzester Zeit geheiratet. Drei Monate später hätte es die kirchliche Hochzeit geben sollen, doch zuvor habe sich ihr Chef wieder scheiden lassen.
Sie beschrieb auch weitere Details zu einer Kopfverletzung, wegen derer der Apotheker Ende 2008 einige Wochen im Krankenhaus und in Reha gewesen sei. Sie habe ihn in der Klinik besucht und gesehen, dass ein Auge geschlossen gewesen und er nur mit einer Mundhälfte sprechen konnte – wie ein Schlaganfallpatient, sagte sie. Anschließend habe er langsam wieder angefangen, in der Apotheke zu arbeiten, aber teils starke Kopfschmerzen gehabt, die er mit Medikamenten behandelte. Wie andere Zeugen sprach sie von erheblichen Problemen mit Geschmack und Geruch – beides sei womöglich sogar gänzlich ausgefallen.
Oftmals sei S. impulsiv gewesen, erklärte die Zeugin. Unklar blieb jedoch, ob es Zusammenhänge mit dem Unfall gab. Der Apotheker sei manchmal auch über Kleinigkeiten übermäßig verärgert gewesen. Er habe – anders als von anderen Zeugen geschildert – Straßenkleidung getragen, als sie ihren früheren Chef einmal im Reinraumlabor sah. Wie auch zuvor spielte die Beziehung zu seinen Eltern – beides Apotheker – bei den Befragungen eine größere Rolle. Mehrere Zeugen sagten aus, diese seien für S. wohl die wichtigsten Bezugspersonen. „Das Verhältnis war schon ziemlich intensiv – aber ich würde es jetzt nicht als positiv intensiv ansehen“, erklärte auch die 42-jährige PTA Stefanie M. Sie bestätigte frühere Aussagen, die Mutter sei „Herrscherin des Kellers“ gewesen und habe das dortige Warenlager regelmäßig sortiert – es habe eine Doppelhierarchie gegeben. Die 62-jährige PKA Theresa K., die 1971 in der Apotheke ihre Ausbildung begann und mit dem damals einjährigen Peter S. spielte und ihn teils betreute, bestätigte das enge Verhältnis. Auf die Frage, was die Motivation für sein Pharmaziestudium war, sagte sie: „Ich denke, seine Eltern.“
„Kein Partygänger“
Sie beschrieb Peter S. als hilfsbereiten Menschen, der bei Problemen sehr oft geholfen habe. Doch habe er auch bei kleinen unabsichtlichen Fehlern teils übertrieben reagiert. „Wenn man etwas falsch gemacht hat, war er sehr ärgerlich“, erklärte sie vor Gericht. Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen, habe er nicht gehabt. „Er hat immer selbst bestimmt, was er macht“, erklärte die PKA. Ihr Bruder, der Kaufmann Martin Porwoll, hatte die Ermittlungen gegen Peter S. mit ins Rollen gebracht. Er kennt S. seit Kindergartentagen und fing Ende 2012 an, in der Apotheke zu arbeiten, anfangs in Teilzeit. Er habe einige wenige feste Freunde gehabt, sagte Porwoll – und sei kein Partygänger gewesen. Er habe seinen früheren Chef als jemanden erlebt, der sehr viel vor hat. „Es gab sehr viele Ziele, wir haben viele Projekte gehabt. Die sind stringent und mit einer großen Durchsetzungskraft durchgesetzt worden, auch gegen viele Widerstände“, erklärte Porwoll. Über die Finanzen sei er jederzeit orientiert gewesen: „Es ging ja auch gar nicht anders.“
Die Vernehmungen dienen dem Psychiater – neben der Auskunft des Angeklagten – nun als Basis für sein Gutachten. Außerdem stellte die Verteidigung einen Antrag, zahlreiche frühere Zeugen erneut zu laden, da ein erheblicher Teil der Strafakte vor Beginn der Hauptverhandlung im Internet einsehbar war. |
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