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Durch Rabattverträge weniger Wechsel?
AOK-Studie zur Versorgungsqualität in der Kritik
Die Chefs der Landesgesundheitsbehörden haben sich einstimmig für tiefgreifende Änderungen bei den Arzneimittel-Rabattverträgen und der Preisgestaltung ausgesprochen. Bei ihrer sogenannten Amtschefkonferenz haben die Behörden einen Antrag durchgewinkt, nach dem die Bundesregierung prüfen soll, wie der Kostendruck im Generika-Bereich gesenkt werden kann und ob Rabattverträge für lebenswichtige Medikamente grundsätzlich Sinn machen (s. Seite 14 in dieser DAZ). Als die entsprechenden Anträge Hessens und des Saarlandes Ende April bekannt wurden, begannen der AOK-Bundesverband und die AOK Baden-Württemberg zurückzuschießen: Die AOK will beweisen, dass die Verträge die Therapietreue verbessern und gleichzeitig viel Geld einsparen.
Dafür wurde das beim AOK-Bundesverband angesiedelte Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) beauftragt, entsprechende Zahlen vorzulegen. Mit denen wollen die Ortskrankenkassen für ihre exklusiven Ausschreibungen im Generika-Bereich kämpfen. Laut WIdO-Studie haben im Jahr 2016 85 Prozent der Patienten, die einen Wirkstoff über einen längeren Zeitraum einnehmen müssen, ihr Medikament dauerhaft von demselben Hersteller erhalten. Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer, meint: „Rabattverträge tragen dazu bei, unnötige Medikamentenwechsel zu vermeiden. Das wirkt sich positiv auf die Therapietreue und somit den Erfolg der Therapie aus.“
Untersucht wurden laut WIdO mehr als 45 Millionen wirkstoffbezogene Profile von AOK-Arzneimittelpatienten der Jahre 2006 und 2016 bei generikafähigen Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen. Demnach ist die Zahl der Medikamentenwechsel im Vergleich zu der Zeit vor den Rabattverträgen sogar gesunken. Denn: 2006, also im Jahr vor der Einführung der Rabattverträge, erhielten laut WIdO nur 74 Prozent der Patienten ihr Arzneimittel dauerhaft vom selben Hersteller. „Der Anteil der Patienten ohne Medikamentenwechsel ist zwischen 2006 und 2016 um 15 Prozent gestiegen. Ein Medikamentenwechsel erfolgt heute in der Regel nur dann, wenn Arzt und Patient dies für notwendig erachten“, erklärt Schröder. Und auch die Marktkonzentration, auf die die Generika-Industrie des Öfteren hinweist, hat laut den AOK-Zahlen seit Einführung der Rabattverträge sogar abgenommen. Das WIdO hat die Marktkonzentration anhand des sogenannten Herfindahl-Hirschman-Index gemessen, der sich von 478 auf 298 reduziert habe. Gemäß der Europäischen Kommission kennzeichne ein Wert unterhalb von 1000 eine niedrige Marktkonzentration, ein Wert bis 1800 eine mittlere Konzentration und Werte oberhalb 1800 eine starke Marktkonzentration, so das Institut. Und die Kassen konnten ihre Arzneimittelausgaben 2017 mithilfe der Rabattverträge um insgesamt vier Milliarden Euro senken.
Hersteller argumentieren gegen die AOK-Studie
Im DAZ.online-Interview stört sich Bork Bretthauer, Chef des Branchenverbandes Pro Generika, daran, dass die AOK keine richtige Studie veröffentlicht hat: „Aus unserer Sicht ist das ein Verstoß gegen geübte wissenschaftliche Praxis, Studien offenzulegen, damit die Fachöffentlichkeit sich ein eigenes Bild machen kann. Denn um sich mit den AOK-Argumenten wirklich gut auseinandersetzen zu können, braucht man nun einmal alle Daten.“ Weiter kritisiert Bretthauer, dass der Umsatz der untersuchten Unternehmen nichts darüber aussage, wie die wirkliche Versorgungslage bei den einzelnen Wirkstoffen und in den einzelnen Therapiebereichen ist. Bretthauer ist eher dafür, den Absatz als Bezugsgröße heranzuziehen.
Auch Marianne Boskamp, Geschäftsführerin des gleichnamigen Pharmaunternehmens, weist öffentlich darauf hin, dass keine voreiligen und falschen Schlüsse aus der AOK-Studie gezogen werden dürfen: „Bei unserem Notfallmedikament zur Behandlung der Angina pectoris gibt es beispielsweise seit vielen Jahren nur noch zwei Anbieter, die bei jeder neuen Ausschreibung an ihre ökonomischen Grenzen gehen müssen, um noch eine Ausschreibung gewinnen zu können. Es ist eine Frage der Zeit, ab wann einer von uns beiden sein Produkt vom Markt nehmen muss.“ Boskamp empfiehlt dagegen, versorgungsrelevante Wirkstoffe mit weniger als vier Anbietern gar nicht mehr auszuschreiben. Es sei „unverantwortlich gerade seitens der Krankenkassen hier abzuwarten, bis ein Wirkstoff nur noch von einem Anbieter verfügbar ist.“ |
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